Wartende Menschen sitzen im Treppenhaus vor der Ausländerbehörde.

Seit Jahren bekommt Darmstadt die Probleme in der Ausländerbehörde nicht in den Griff, Menschen fühlen sich von der Stadt nicht willkommen. Darmstadt muss sich schnell entscheiden, was für eine Stadt sie sein möchte.

Für viele Menschen, die vor Krieg, Unterdrückung und Verfolgung aus ihrer Heimat geflohen sind und in Darmstadt Unterschlupf suchen, ist die Stadt in den letzten Jahren fast zur uneinnehmbaren Festung geworden – mit dicken, hohen Mauern. Am Türsteher Ausländerbehörde kommen sie nicht vorbei.

Die Behörde ist für sie oft erster Anlaufpunkt und erste Berührung mit der vermeintlich neuen Heimat. Den Eindruck, den sie dort gewinnen, ist fatal. Als abweisend und respektlos empfinden viele den Kontakt zur Ausländerbehörde. Ihnen wird dort nicht geholfen.

Menschen, die die Sprache gelernt haben, Ausbildungen machen, arbeiten und Familien in Darmstadt gründen. Menschen, die hier gerne eine neue Heimat finden wollen: Ihnen wird die Teilhabe am öffentlichen Leben in großen Teilen verwehrt, weil die Behörde ihre Anliegen schlicht nicht bearbeitet. Etwa ein ungeklärter Aufenthaltsstatus oder ein nicht verlängerter Aufenthaltsstitel erschweren den Zugang zu Jobs, zum Wohnungsmarkt, zu Sozialleistungen und vielen anderen Bereichen des alltäglichen Lebens. Existenzen hängen davon ab.

Behördenversagen macht krank

Betroffene berichten von Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen sowie körperlicher und geistiger Erschöpfung. Bei dem Versuch, Einlass in die Festung zu erhalten, sind manche krank geworden. Einige haben bereits aufgegeben und Darmstadt verlassen, andere planen diesen Schritt. Familienangehörigen und Verwandten in der Heimat raten sie, gar nicht erst nach Darmstadt zu kommen. Allesamt fühlen sie sich von der Stadt nicht ernst genommen und nicht respektiert – und somit auch nicht willkommen.

Dass sich die Probleme in der Behörde nicht von einem Tag auf den anderen lösen lassen, ist nachvollziehbar. Neue Organisationsstrukturen müssen entwickelt, Rückstände aufgearbeitet, die verpasste Digitalisierung nach und nach implementiert sowie neues Personal rekrutiert und geschult werden. Der Fachkräftemangel macht die Aufgabe nicht einfacher.

Keine Kommunikation, fehlende Transparenz

Seit die Probleme öffentlich bekannt sind, hatte die Stadt aber zwei Jahre Zeit, den Laden auf Vordermann zu bringen. Das hätte reichen müssen. Zudem hat es die Stadt verpasst, die Betroffenen auf diesen Weg mitzunehmen und Transparenz zu leisten. Wer auf die Behörde angewiesen war, bekam oft monatelang keine Rückmeldungen. Man kann nicht einmal sagen, dass die Kommunikation katastrophal war – es gab schlicht keine.

Dass bis dato keine spürbare Entspannung eingetreten ist, lässt auch darauf schließen, dass die Verantwortlichen um Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) das Ausmaß des Problems und die fatalen Folgen für auf die Hilfe der Stadt angewiesene Menschen nicht erfasst oder schlicht nicht im erforderlichen Maße ernstgenommen haben.

Festung oder offene Türen?

Zumindest ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Mit der neuen Organisationsstruktur, die Anfang Februar in Kraft getreten ist, sollen die Probleme nun bis zum Spätsommer gelöst sein. Neu-Behördenleiter Bernd Simon nennt dieses Ziel "alternativlos", an der Einhaltung dieser Frist wollen sich Simon und Ordnungsdezernent Paul Georg Wandrey (CDU) messen lassen.

Es ist nicht das erste Versprechen, das die Stadt bezüglich der Ausländerbehörde abgibt. Die meisten – wie etwa die Einrichtung einer Hotline, verbunden mit einer Termingarantie – wurden gebrochen. Die Stadt wäre aber gut beraten, diesmal Wort zu halten.

Denn nicht nur für die betroffenen Menschen stehen Existenz und Gesundheit auf dem Spiel, auch die Stadt hat viel zu verlieren. Darmstadt muss sich schnell entscheiden, was für eine Stadt sie sein möchte, bevor der Ruf nachhaltig beschädigt ist: Will sie weiterhin die abweisende Festung mit unüberwindbaren Mauern sein, oder will sie das Tor öffnen und die Menschen in ihrer Mitte willkommen heißen.