Forderung nach Rückholung und Demo Streit um abgeschobene Familie erreicht Frankfurter Römer
Mitte April wurde eine afghanischstämmige Familie mit schulpflichtigen Kindern aus Frankfurt abgeschoben - nach Indien. Die Behörden halten sich mit Informationen zu den Hintergründen zurück. Protest gibt es im Rathaus und auf der Straße.
Manchmal, sagt Pinky Kaur Kapoor, komme es ihr so vor, als würden die deutschen Behörden mit ihr und ihrer Familie "ein Spiel spielen". Ein Spiel, dessen Regeln sie nicht begreift.
Fast zwei Monate ist es her, dass sie, ihr Mann und die beiden zwölf beziehungsweise 16 Jahre alten Söhne zum Frankfurter Ausländeramt bestellt wurden. Ein vermeintlicher Routine-Termin, der damit endete, dass die gesamte Familie von Bundespolizisten in einen Flieger verfrachtet und nach Indien abgeschoben wurde.
Der Fall hat Wellen geschlagen. Die Familie Kapoor lebte knapp sieben Jahre in Frankfurt. Sie stammt eigenen Angaben zufolge nicht aus Indien, sondern aus Afghanistan. Dort gehörte sie der stetig kleiner werdenden religiösen Minderheit der Sikhs an. Die beiden Söhne besuchten zuletzt die Johanna-Tesch-Gesamtschule im Stadtteil Bockenheim. Der ältere, Angad, stand nur wenige Wochen vor seinem Hauptschulabschluss.
Linke fordert Abschiebestopp für Minderjährige
Mitte Mai demonstrierten deshalb mehrere hundert Schülerinnen und Schüler gegen die Abschiebung. Am Donnerstagabend befasste sich auch die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung mit dem Schicksal der Kapoors.
Asye Dahlhoff, eine Stadtverordnete der Linken, bezeichnete die Kapoors als "Opfer einer immer mehr vom rechten Rand getriebenen Migrationspolitik". Ihre Partei fordere nicht nur die sofortige Rückholung der Familie, sondern auch einen "unverzüglichen Abschiebestopp für Minderjährige".
Auch aus Sicht von Britta Wollkopf von Volt handelt es sich bei der Abschiebung der Kapoors "nicht um einen Einzelfall". Er stehe vielmehr "exemplarisch für ein Abschiebesystem, das mehr auf Quote als auf Menschlichkeit schaut". Zwar könne die Stadt nicht über "das Prinzip von Abschiebung" entscheiden, sie trage jedoch Verantwortung dafür, wie dieses umgesetzt werde.
"Es ist unser Anliegen sicherzustellen, dass Kinder, die hier leben, lernen, sich integrieren wollen, nicht über Nacht aus ihrem Umfeld gerissen werden", so Wollkopf.
Ordnungsdezernentin sieht keinen Handlungsspielraum
Annette Rinn (FDP), als Ordnungsdezernentin für die Frankfurter Ausländerbehörde zuständig, verwies darauf, dass die Stadt "unter Beachtung der aufenthaltsrechtlichen Vorgaben keine Handlungsspielräume" habe, um der Familie Kapoor bei einer angedachten Wiedereinreise zu helfen. Grundsätzlich sei für Abschiebemaßnahmen in Frankfurt das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt zuständig.
Das RP werde von der Ausländerbehörde auch über Termine etwa zur Verlängerung von Duldungen informiert. Es dürfe dann diese Termine für Abschiebungen nutzen, ohne dass die Ausländerbehörde darüber informiert werde. Die Familie sei also nicht - wie gelegentlich behauptet - unter falschem Vorwand in die Ausländerbehörde gelockt worden, betonte Rinn.
Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürften die Behörden zudem nicht einmal Lehrer oder Schulleiter über bevorstehende Abschiebungen informieren, so Rinn. Weitere konkrete Angaben zu den Hintergründen der Abschiebung könne sie - ebenfalls aus Datenschutzgründen - nicht machen.
Familie wohnt erneut im Tempel
Mit Verweis auf den Datenschutz verweigert auch das Regierungspräsidium Darmstadt alle weiterführenden Auskünfte zum Hintergrund der Abschiebung. Auf mehrfache Nachfrage des hr berichtet das RP lediglich, dass die Familie seit Ende 2018 "vollziehbar ausreisepflichtig" sei und "in ihr Heimatland nach Indien" abgeschoben worden sei.
Welche Belege dem RP dafür vorliegen, dass die Kapoors tatsächlich aus Indien stammen, bleibt somit unklar. Die Kapoors selbst behaupten, dass der Frankfurter Ausländerbehörde Ausweisdokumente und Geburtsurkunden aus Afghanistan vorliegen würden. Die Mutter des Familienvaters, Pal Sing Kapoor, sowie dessen Bruder lebten weiterhin in Frankfurt.
"Das macht keinen Sinn, dass bei ihnen beiden angenommen wird, dass sie aus Afghanistan stammen, bei uns aber nicht", sagt Pinky Kaur Kapoor.
Die Mutter der Familie hofft, dass sich wenigstens für die beiden Söhne die Möglichkeit der Rückkehr nach Frankfurt ergibt. Derzeit, erzählt sie, lebe die Familie, die nach der Abschiebung mehrere Tage am Flughafen der indischen Hauptstadt Neu-Delhi übernachtete, wieder in einem Sikh-Tempel. Eine Perspektive hätten sie in Indien nicht, so Pinky Kaur Kapoor.
Demonstration für Rückkehr am Samstag
Auch beim in Frankfurt ansässigen Afghan-Hindu-Kulturverein ist man von der Richtigkeit der Angaben der Kapoors überzeugt. Jaganat Gardezi, Sprecher des Vereins, sagte im Gespräch mit dem hr, dass er die Familie kenne. Er könne bestätigen, dass sie aus Afghanistan stammten. "Sie sprechen auch das Idiom der Sikhs und Hindus in Afghanistan."
Für eine Rückführung der Kapoors wollen am Samstag aus Afghanistan stammende Hindus und Sikhs in Frankfurt auf die Straße gehen. Zu einer Demonstration am Roßmarkt werden bis zu 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet.