Ruth Bopp hat eine neue Lunge bekommen.

Ruth Bopp hatte Glück: Die Lunge eines anonymen Spenders rettete ihr im Oktober 2023 das Leben. Viele andere warten indes auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Der Grund: Es gibt zu wenige Spender. Einfache und schnelle Abhilfe soll ein neues Organspende-Register bringen.

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Ruth Bopp wird den 20. Oktober 2023 nie vergessen. Mitten in der Nacht um 3.50 Uhr reißt sie das Klingeln ihres Handys aus dem Schlaf. Der Anrufer: die Medizinische Hochschule Hannover. "Wir haben eine passende Lunge für Sie", sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung. Sie möge bitte sofort ihre Sachen packen, ein Krankenwagen werde sie gleich abholen.  

"Ich konnte es erst nicht fassen, ich begann zu zittern und zu weinen", erzählt die Kirchhainerin. "Ich war einfach nur dankbar. Dankbar, dass es einen Menschen gab, der bereit war, mir nach seinem Tod seine Organe zu spenden."

Viel zu wenige Organspender 

Doch das Glück, rechtzeitig ein Empfängerorgan zu bekommen, haben bei weitem nicht alle. Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist 2023 im Vergleich zum Jahr zuvor zwar leicht angestiegen - auch in Hessen. Nach Auskunft der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) spendeten im Jahr 2023 in Hessen 71 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe. Aber: Auf der anderen Seite warteten rund 600 Menschen dringend auf ein Spenderorgan. 

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Close up: Organspende - Mein Start in ein neues Leben

Unter dem Titel "Close Up: Organspende- Mein Start in ein neues Leben" ist die ganze Geschichte über Ruth Bopp ab 14. März als Reportage in der ARD-Mediathek zu sehen.  

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Ähnlich sieht das Verhältnis bundesweit aus. Es gab im vergangenen Jahr 965 Spenderinnen und Spender. Rund 8.400 Menschen standen auf der Warteliste für Spenderorgane. 

Leben ohne Sauerstoff-Schlauch  

Für die, die das Glück hatten, ein Organ zu bekommen, bedeutet die Transplantation den Start in ein neues Leben. Schon vier Tage nach der OP kann Ruth Bobb wieder problemlos ohne Beatmungsschlauch atmen. Sie sitzt auf ihrem Krankenbett - erschöpft, aber glücklich. "Es ist ein unbeschreibliches Gefühl", erzählt sie. "Dieser Moment, endlich wieder ohne Sauerstoffgerät atmen zu können, war wunderbar."

Ruth Bopp litt unter einer Lungenfibrose, einer chronischen Erkrankung, in deren Verlauf sich das Bindegewebe der Lunge verhärtet und das Atmen immer schwieriger macht. Jahrelang konnte sie sich nur noch mit Sauerstoffflasche und Nasenschlauch bewegen. Am Ende sei jeder Schritt anstrengend gewesen, sagt sie.

Organspende? Ja, aber... 

Die 58-Jährige hat ein passendes Spenderorgan gerade noch rechtzeitig bekommen. Sie macht es wütend, dass es so wenige Spenderinnen und Spender gibt. "Besonders die Trittbrettfahrer finde ich sehr schwierig. Wenn man nämlich ein Organ braucht, dann wollen alle eins haben, weil sie ja gesund werden wollen", sagt sie. Aber sich damit auseinanderzusetzen, selbst Organspender werden, machten die wenigsten. 

Ein Lichtblick: Die Zahlen der potentiellen Spenderinnen und Spender steigen. Fast jeder zweite Erwachsene (49 Prozent) besitzt inzwischen einen Organspendeausweis. Das geht aus einer Forsa-Befragung der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2023 hervor. Zwei Jahre zuvor gaben noch 41 Prozent der Befragten an, einen Ausweis zu besitzen.

Umstrittene Entscheidungslösung 

In Deutschland kann jeder selbst entscheiden, ob er seine Organe spenden will, oder nicht. Die klare gesetzliche Regelung lautet: Entscheidungslösung. Sie besagt: "Eine Organ- und Gewebespende ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn der mögliche Organ- oder Gewebespender zu Lebzeiten eingewilligt hat oder sein nächster Angehöriger zugestimmt hat."

Im Gegensatz zu Deutschland gilt in den meisten europäischen Ländern wie etwa Frankreich, Spanien, den Niederlanden oder Großbritannien die so genannte Widerspruchslösung. Das heißt: Jeder Erwachsene wird automatisch zum Organspender, wenn er dem nicht ausdrücklich widerspricht.  

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Eurotransplant

Die Stiftung Eurotransplant ist als Organisation verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganenen in acht europäischen Ländern. Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn und Slowenien sind Mitglieder von Eurotransplant.

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Beschämend und lebensbedrohlich 

Die Folge: In Ländern mit dieser Regelung ist der Anteil der Organspender deutlich höher. Das führt auch dazu, dass Deutschland zu den Nehmerländern gehört, das heißt: von den positiven Folgen der Widerspruchslösung profitiert. Es sei "beschämend und für die betroffenen Patientinnen und Patienten lebensbedrohlich", kritisiert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seit langem diesen Umstand. Warum aber reagiert die Politik dann nicht? 

Diese Frage stellt sich auch Lorena von Gordon. Die 37-jährige Mainzerin lebt seit fast neun Jahren mit einer neuen Lunge. Schon lange setzt sie sich dafür ein, dass die Widerspruchslösung in das Transplantationsgesetz aufgenommen wird. Unter anderem bei der Petitionsplattform change.org.  

Lorena von Gordon lebt seit fast neun Jahren mit einer neuen Lunge.

2019 saß Lorena von Gordon als Sachverständige für Junge Helden e.V. im Gesundheitsausschuss des Bundestags, um die Mitglieder von der Notwendigkeit der Widerspruchslösung zu überzeugen. Vergebens, das Gesetz fand bei der Abstimmung keine Mehrheit.  

Bei den "Jungen Helden" handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, der vor allem junge Menschen dazu motivieren will, sich als Organspender registrieren zu lassen.

Lorena von Gordon hat bis heute keine plausible Antwort darauf, warum das Gesetz scheiterte. "Die Verweigerung ist schwer zu begreifen. Denn egal, welche persönlichen Einwände bestehen, etwa aus moralischen oder religiösen Gründen: Das Gesetz zwingt doch niemanden, zum Organspender zu werden." 

Auf ein Neues 

Für die Aktivistin gibt es nun aber Hoffnung. In einem Entschließungsantrag forderte der Bundesrat die Bundesregierung im Dezember 2023 auf, die Widerspruchslösung in das Transplantationsgesetz aufzunehmen. Die bisherige Regelung habe sich in der Praxis nicht bewährt, heißt es zur Begründung.  

Karl Lauterbach kommentierte im Anschluss: "Die Zeit ist reif dafür. Die betroffenen Familien, die auf eine Organspende schon lange warten, haben unseren Mut verdient, neu zu entscheiden." Wie die Chancen stehen, dass es diesmal klappt, ist unklar. 

Organspende-Register ab dem 18. März

Ein erster Schritt, mehr Menschen für die Organspende zu gewinnen, ist ein Organspende-Register, das in Deutschland ab dem 18. März 2024 zur Verfügung steht. In einem ersten Schritt ist es möglich, eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende im Register mithilfe etwa eines Personalausweises mit eID-Funktion (Chip) zu hinterlegen.

Zugriff auf das Register haben Ärztinnen und Ärzte, um die Spendenbereitschaft eines potenziellen Organspenders schnell und verlässlich zu klären. Das Register soll aber vor allem Angehörige im Ernstfall von einer schweren Entscheidung entlasten. 

Jeder Einzelne sollte Verantwortung übernehmen 

Ruth Bopp besitzt schon seit dem 18. Lebensjahr einen Spenderausweis. Mit ihrer Geschichte will sie an ihre Mitmenschen appellieren, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen. Mehr noch: Sie will ihnen ins Gewissen reden: "Ich bin auch nach meiner Transplantation noch ein Organspender. Falls ich sterbe, würde ich meine gesunden Organe natürlich spenden." 

Mit Tattoo ein Zeichen setzen 

Und das möchte Ruth Bopp im wahrsten Sinne nach außen tragen. Sobald die Ärzte grünes Licht geben, will sie sich im kommenden Jahr ein Organspender-Tattoo auf den Unterarm stechen lassen. Das Tattoo geht zurück auf eine Initiative der "Jungen Helden".

"Ich finde das eine ganz tolle Idee", sagt Ruth Bopp. Man brauche zwar immer noch einen Spenderausweis, aber das Zeichen kennen mittlerweile viele Rettungsdienste und Kliniken. Und können so schneller reagieren. Aber jetzt, sagt sie, freue sie sich erst mal auf den Frühling. Dann will sie ihr neues Leben mit Mann, Kindern und Enkeln wieder in vollen Zügen genießen. 

 Redaktion: Susanne Mayer

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