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Hinter den Kulissen der Augsburger Puppenkiste

Die Marionetten "Tur Tur" (l-r), "Jim Knopf" und "Lukas" stehen zusammen mit der Lokomotive "Emma" im Puppentheatermuseum.

Jim Knopf, Urmel, Don Blech: Vor 70 Jahren eroberten die Figuren der Augsburger Puppenkiste das Fernsehen und begeistern seitdem Generationen von Kindern. Bei den Dreharbeiten bewiesen die Produzenten im hr viel Kreativität. Hier verraten sie lang gehütete Geheimnisse.

Am 21. Januar 1953, nur wenige Wochen nach der ersten "tagesschau", waren zum ersten Mal Marionetten der Augsburger Puppenkiste im Fernsehen zu sehen: Peter und der Wolf. Bald folgten die Mumins, Jim Knopf und Lokomotivführer Lukas, Kater Mikesch und viele mehr; die Verfilmungen des Hessischen Rundfunks machten die handgeschnitzten Figuren deutschlandweit bekannt.

Bei den Dreharbeiten ließen sich die Produktionsteams immer wieder kreative Lösungen einfallen, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Zum 70. Fernsehjubiläum verraten ein Kameramann, ein Geräuschemacher und ein Puppenspieler sieben Dinge, die Sie bestimmt noch nicht über die Augsburger Puppenkiste wussten.

1. Sechs Wochen bei 60 Grad

Die Puppen-Geschichten, die im Fernsehen zu sehen waren, wurden auch nur dafür produziert. Im Puppentheater in Augsburg wurden sie nie aufgeführt. Gedreht wurden sie im Foyer des Puppentheaters in Augsburg.

Das Szenenbild der Augsburger Puppenkiste zeigt Wawa und Urmel vor einer Höhle

Der Hessische Rundfunk stellte die Technik, baute die Kulissen und nahm Stimmen und Geräusche auf. Die Augsburger Puppenspieler zogen die Fäden bei allen Marionetten. Wegen der vielen Scheinwerfer herrschten gerne mal Temperaturen bis zu 60 Grad. Die Dreharbeiten für eine Folge waren dabei eher Marathon als Sprint: Pro Tag entstanden nur drei bis vier Sendeminuten, im Schnitt dauerte der Dreh einer Sendung sechs Wochen.

2. Erst der Ton, dann die Bilder

Die Produktion der Fernsehsendungen folgte zwar einem Drehbuch. An seine Chronologie hielt man sich aber nicht. "Es gab diese Dekoration in der Wüste", erinnert sich hr-Kameramann Jürgen Herrmann. "Alle Szenen, die in der Wüste waren, wurden hintereinander gedreht." Erst danach habe man das nächste Set abgedreht.

Und auch in einem weiteren Punkt verließen die Filmteams gewohnte Pfade: Die Texte und Lieder wurden schon vor dem Dreh von Schauspielern, Puppenspielern und Musikern eingesprochen und eingesungen. Erst danach wurden die Szenen gefilmt. Die Dialoge und Musikstücke wurden vom Band eingespielt.

3. Die richtige Atmosphäre dank Knisterfolie und Speisestärke

Die Geräusche für Figuren wie Don Blech und Urmel wurden dafür erst nach dem Filmdreh aufgenommen. Geräuschemacher Joo Fürst war dabei ziemlich kreativ: Für knisterndes Feuer habe er einen mit Folie gefüllten Ball in der Hand gedreht. Und wenn er Schritte im Schnee simulieren musste, habe er Speisestärke in einen kleinen Sack gefüllt. "Dadurch entsteht beim Drücken ein Knirschgeräusch", erklärt er.

Das Szenenbild der Augsburger Puppenkiste zeigt Ping Pinguin und den Seeelefant

4. Der Riese, der keiner war

Auch Kameramann Jürgen Herrmann musste des Öfteren Kreativität beweisen. In der Geschichte von Jim Knopf und Lokomotivführer Lukas zum Beispiel treffen die beiden in einer Wüste auf den Scheinriesen Herrn Tur Tur. Der sieht von weitem aus wie ein Riese, wird aber kleiner, je näher er kommt. Diesen Effekt musste Herrmann filmisch mit nur einer Marionette umsetzen. Es war also seine Kreativität gefragt. "Wir haben mit Sandhügeln gearbeitet", erklärt er. "Wenn der Riese groß war, haben wir die Hügel klein gemacht. Dann wirkte er viel größer." Je näher Herr Tur Tur der Kamera kam, desto größer wurden die Sandhügel gebaut - und die Marionette wirkte optisch kleiner.

5. Ein löcheriger Schlauch für den Unterwasser-Effekt

Auch in der Unterwasserwelt der Meerjungfrau Sursulapitschi wurde getrickst. In der Schwarz-Weiß-Fassung wurden noch Seifenblasen in das Set gepustet, um Blubberblasen unter Wasser zu simulieren. Als die Geschichten schließlich für das Farbfernsehen adaptiert wurden, musste sich Herrmann wieder behelfen. Er habe ein etwa zehn Zentimeter dickes Aquarium bauen und vor die Kamera stellen lassen, erzählt er. Über einen Schlauch wurden Blubberblasen erzeugt - je nach Kameraeinstellung kleine oder größere. "Das sah dann so aus, als wenn es die Puppen in dem Wasser sind."

6. Die Sache mit den Türen

Die Vulkaninsel, die Drachenstadt - alle Kulissen wurden in den Werkstätten des Hessischen Rundfunks gebaut. Alles musste an die etwa 40 Zentimeter großen Marionetten angepasst und daher mindestens kniehoch sein. Die Häuser, die auch für die Puppen begehbar sein mussten, waren größer und hatten Türen, die nach oben hin offen waren - damit auch die Fäden der Marionetten hindurchpassten. Eine kleine Herausforderung für Kameramann Herrmann. "Man musste die Einstellung immer so abschneiden, dass man die Fäden über der Tür nicht sah."

Das Szenenbild der Augsburger Puppenkiste zeigt Prof. Habakuk Tibatong Tim Tintenklecks und Schweinchen Wutz auf der Insel Titiwu

7. Nicht den Boden unter den Füßen verlieren

Die Puppenspieler standen während der Dreharbeiten auf einem hohen Gerüst über den Kulissen. "Wir haben dabei eine leichte Hubschrauberperspektive", erklärt Puppenspieler Hans Kautzmann. "Das heißt, wir können kaum etwas sehen und müssen eben fühlen." Zehn Fäden bedienten die Spieler bei jeder Puppe: Hände, Füße, Beine, womöglich noch ein Klappmaul. Das brauche viel Übung - etwa drei Jahre für mittlere Rollen und sechs Jahre für Hauptrollen.

Aber selbst den Profi-Spielern sei beim Dreh manchmal ein Fehler unterlaufen, erinnert sich Jürgen Herrmann. Zum Beispiel hätten die Puppen öfter über dem Boden geschwebt, weil sie etwas zu hoch gehalten wurden und ihre Füße nicht bis zum Boden reichten. Dann habe er als Kameramann mehr Bodenhaftung anmahnen müssen.

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