Ausstellung im Landesmuseum Darmstadt Fotografin Candida Höfer zeigt Räume in stiller Pracht
In ihren Fotografien fängt Candida Höfer leere Räume ein und lässt darin präzise komponierte Welten entstehen. Bis August kann man die monumentalen Raumbilder der weltweit bekannten Fotografin in Darmstadt sehen.
Eine hohe, lichtdurchflutete Kuppeldecke wölbt sich über Reihen fein gearbeiteter Lesetische. Die runde Deckenstruktur erinnert fast an eine Kirche. Monumentale Bücherregale, Rundbögen mit Landschaftsmalerei und ein sanftes, natürliches Licht lassen den Labrouste-Saal der Nationalbibliothek in Paris wie ein Gemälde aus der Rennaissance wirken. Fotografiert wurde die Szene 1998 von Candida Höfer in einer Zentralperspektive. Keine Menschenseele ist in dem stillen Raum zu sehen.
Die Fotografie ist eines von vielen Werken Höfers, die seit Donnerstag im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt gezeigt werden. Die mittlerweile 81-jährige Künstlerin war nach Angaben des Museums selbst an der Gestaltung der Ausstellung beteiligt. Für Interviews steht sie mittlerweile nicht mehr bereit. Ihre Fotografien sollen für sich selbst sprechen, so die Botschaft.
Der Raum als Portrait
Opernhäuser, Theatersäle, Kirchen oder Bibliotheken zählen zu den Räumen, die Höfer leer und imposant fotografiert. Ihre Werke seien jedoch nicht als Architektur-Fotografie zu verstehen, betont der Direktor des hessischen Landesmuseums, Martin Faass. Sie seien künstlerischer Ausdruck, viel mehr als nur eine schlichte Raumabbildung.
"Architekturfotografie ist ein primär dienendes Medium, zum Beispiel für Planungsbüros oder eine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit", sagt Faass. "Eine solche Fotografie haben wir hier natürlich nicht." Fotografie sei Inszenierung, bei der es um Licht, um Schatten oder um Perspektive gehe und darum, wie diese Elemente miteinander in Bezug gebracht würden. "Der Ausdruck, der dadurch entsteht, das macht die Kunst."
Intim und monumental: Nachts im Museum
Höfers Fotografien seien demnach als künstlerische Portraits von Räumen zu verstehen, sagt Faass. Raumbilder, wie das der deutschen Oper Düsseldorf, fotografiert Höfer oft undramatisch und nüchtern. Das natürliche Licht schlägt keine Schatten. Die Farben stechen heraus. Der Anblick wirkt beinahe intim - als sei man in den Räumen anwesend, als könne man das Holz der Stühle riechen, den Klang der eigenen Schritte durch die Räume hören.
"Es ist eine Situation wie nachts im Museum oder nachts im Theater", sagt Faass. "Als Betrachter sind diese Räume allein für mich da. Ich kann sie so sehen, wie sie sonst kein anderer sieht." Dadurch entstehe eine Monumentalität und Objektivität der Raumwiedergabe, wie man sie in anderen Fotografien kaum kenne, erklärt er.
Leer und doch voll mit Leben
Candida Höfer gehört zu den Schülern von Bernd und Hilla Becher. Das Künstlerpaar zählt zu den wichtigen Vertretern der Düsseldorfer Fotoschule, die sich durch ihre schwarz-weißen Abbildungen von industriellen Bauten wie Wassertürmen oder Kohlebunkern ausgezeichnet haben. Bei ihnen studiert Höfer in jüngeren Jahren von 1973 bis 1982 und entwickelt dabei ihre eigene Handschrift. Auch die Bechers haben strenge Linien in ihren Fotografien bevorzugt und eine gewisse Sachlichkeit und Nüchternheit in ihren Werken priorisiert. Das habe Höfer behalten, erklärt die Kunsthistorikerin Daniela Erdmann.
Mit ihren Innenräumen schafft Höfer jedoch ihr einzigartiges Œuvre. "Gegenstände werden so platziert, als könne jederzeit ein Mensch hineinkommen", sagt Erdmann. "Alltägliche Objekte wie Stuhlreihen, leere Tische oder eine leere Bühne werden dadurch zur Kunst." Die Diskrepanz zwischen der sichtbaren Leere und der unsichtbaren Präsenz des Menschen, das sei das Besondere.
Unscheinbare Monumentalität
In späteren Werken der Künstlerin wird mit dieser Diskrepanz gespielt. 2020 fotografiert sie die Räumlichkeiten des Musée Carnavalet in Paris und konzentriert sich dabei auf eine schwarze Stahltreppe, die sich wie ein dicker Pinselstrich durch die Fotografie zieht. Die unsichtbare Präsenz des Menschen wird abstrakter, ihr Ausdruck feiner. Licht und Schatten würden flächengestaltend inszeniert, erklärt Museumsdirektor Faass.
Ähnlich wie bei Höfers Reihe "Glühbirnen" von 2021: Die schlichten Fotografien von Glühbirnen in weißen Räumen leben von einer klaren Bildaufteilung und den Elementen der Architektur, sagt Faass. Es sei die komplette Gegenposition zur gewohnten Monumentalität ihrer üblichen Werke.
Weltweit bekannte Fotografien
Im Alter von 80 Jahren erhält Candida Höfer 2024 den begehrten Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste. Ihre Arbeit zählt zur fotografischen Avantgarde weltweit. Die Räume, die sie fotografiert, sind voller Geschichte und stiller Präsenz. Sie laden zum Nachdenken und Fühlen ein, und sprechen von einem Gedächtnis der Kultur. Bis zum 24. August sind sie im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt zu sehen.