Zwei Personen halten sich in den Armen, tragen Corona-Masken und liegen auf schwarzem Plastik

Was schenkt uns Trost? Eine Ausstellung in Kassel findet Antworten - bei Pferden im Krankenhaus, einem Umarmungsvorhang und einer Telefonzelle. Eine Erkenntnis: Niemand kann sich selbst trösten.

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Ausstellung über Trost in Kassel

Ein Pferd steht im Krankenhauszimmer, ein Kind sitzt auf seinem Rücken, eine Frau im Bett streichelt das Pferd
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Jeder Tote hinterlässt eine Lücke im Leben von anderen. Wer trauert, weiß: Diese Lücke kann nicht gefüllt werden, sie bleibt. Eine Ausstellung im Kasseler Museum für Sepulkralkultur zeigt die Suche der Menschen nach Halt. Es geht um den Trost und das Trösten. Für die Sterbenden und für die, die bleiben.

Und es geht um den Schmerz, dass es zwar Trost, aber oft keine Hilfe gibt. Am Eingang hängt wie als Warnung ein Schild mit einem Zitat von Bazon Brock:

Zitat
„Der Tod muss abgeschafft werden, diese verdammte Schweinerei muss aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter.“ Bazon Brock Bazon Brock
Zitat Ende

Die erste Umarmung

Aber weil der Tod unausweichlich ist, haben sich Menschen vieles ausgedacht, um wenigstens Trost zu finden: Umarmungen, Rituale, Tiere, Nähe, professionelle Trauer- und Sterbebegleitung. Und in der Not wird Neues erfunden: Eine Fotografie von Mads Nissen zeigt, wie eine Pflegekraft die 85-jährige Rosa Lunardi während der Corona-Pandemie in einem brasilianischen Pflegeheim umarmt.

Es ist Rosas erste Umarmung seit fünf Monaten, sie liegt eingewickelt in eine durchsichtige Plastikplane, einem "Umarmungsvorhang", in den Armen ihrer Betreuerin. Die Pflegekräfte mussten vorher monatelang den körperlichen Kontakt zu ihren Schützlingen auf ein Minimum reduzieren, Besuche waren nicht erlaubt.

Ein Dressurpferd als Doktor

Allein für die vom Museum angekauften Fotografien und Videoinstallationen lohnt sich die Ausstellung: Bilder von Jérémy Lempin zeigen das ehemalige Dressurpferd "Doktor Peyo", das schwer kranke Menschen in einem französischen Krankenhaus besucht und sogar an ihren Beerdigungen teilnimmt.

Eine Fotoserie von Mulugeta Ayene zeigt den verzweifelten Schmerz von Angehörigen nach dem Absturz des Fliegers ET302 in Äthiopien 2019, bei dem 157 Menschen starben. In einem Schwarz-weiß-Video verabschieden sich Surfer auf dem Meer an der niederländischen Küste von fünf ertrunkenen Freunden. Sie sitzen auf ihren Surfbrettern und halten Blumen in den Himmel.

"Niemand vermag sich selbst zu trösten"

Immer wieder zeigt sich in der Ausstellung, was Philosoph Jean-Pierre Wils in der Begleitpublikation "Warum wir Trost brauchen" schreibt: "Niemand vermag sich selbst zu trösten." Es braucht andere, die einen auffangen. In der Ausstellung berichten Sterbebegleiterinnen, eine Hebamme, eine Trauerrednerin, ein Rabbi und eine muslimische Sozialarbeiterin in Videos von ihrer Arbeit.

Auf einer Videowand ist eine Frau auf einem Sessel zu sehen

Und manchmal helfen auch Gegenstände beim Trösten: In Japan steht eine Telefonzelle ohne Telefonanschluss, das Windtelefon. Hier können Angehörige mit ihren Verstorbenen sprechen.

In einer der Vitrinen ist ein Teddy zu sehen, der nach der Bombardierung von Kassel im Zweiten Weltkrieg 1943 aus den Trümmern geborgen wurde. Womöglich hat er danach den Überlebenden noch Trost gespendet.

Das Leiden am Leiden mindern

"Der Trost hilft nicht, aber es ist die Möglichkeit, für einen Moment das Leiden am Leiden zu mindern", sagt Museumsdirektor Dirk Pörschmann über die Ausstellung. Und etwas Trost bringt auch die Ausstellung selbst.

Auf großen Tafeln können Besucher und Besucherinnen aufschreiben, was sie tröstet: Mit einer Wärmflasche ins Bett legen, 'seinen' Pullover tragen, Unkraut rupfen, lustige Animees gucken - diese Vorschläge steht in Kreide auf den Tafeln.

Auch für die Frage, welches Essen es bei der eigenen Trauerfeier geben soll, gibt es eine Tafel. Vegane Brownies, Nudeln mit Tomatensoße oder Blechkuchen, das haben Museumsgäste aufgeschrieben.

Lieder für den Heimweg

Das alles ist von den Ausstellungsmachern berührend und sorgsam zusammengestellt. Trauern und Trost suchen, das beschäftigt alle - früher oder später. Zumindest mit dem Gefühl ist niemand alleine.

Es gibt auch etwas zum Mitnehmen für Zuhause: Das Museum sammelt Lieder, die Besucher und Besucherinnen gerne als Trost hören und trägt die Vorschläge in einer Playlist bei Spotify zusammen. Vielleicht trösten so schon ein paar Lieder auf dem Heimweg.

Weitere Informationen

Die Ausstellung "Trost" im Museum für Sepulkralkultur

Die Ausstellung "Trost - auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses" läuft bis zum 17. September in Kassel. Die Begleitpublikation "Warum wir Trost brauchen" ist von Jean-Pierre Wils, Professor an der Fakultät für Religionswissenschaft der Radboud Universität Nimwegen in den Niederlanden.

Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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