Online-Shopping, Corona und die Inflation: Die Innenstädte werden immer leerer. In Offenbach kämpfen ein Professor der HfG und seine Studierenden gegen diese Ödnis an und haben einen echten Diamanten entdeckt.

Heiner Blum, Professor an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach HfG, sitzt auf einem durchsichtigen Stuhl. Auch Tische, Sessel und Lampen im "Diamant" in Offenbach sind durchsichtig oder silbern. Denn sie sollen möglichst unauffällig sein und den Raumeindruck des früheren Juweliergeschäfts nicht stören. Die Verkaufstheke ist noch da, ebenso Vitrinen und Schubladen, in denen kostbarer Schmuck und teure Uhren aufbewahrt wurden.

Seit über 100 Jahren gab es in der Innenstadt das Juweliergeschäft. Kürzlich wurde das Gründerzeithaus an einen Investor verkauft, der es Heiner Blum und seinen Studierenden für eine Zwischennutzung bis ins kommende Frühjahr überließ.

"Diamant - Museum Of Urban Culture"

"Diamant - Museum Of Urban Culture" heißt das Projekt, das sie dort verwirklicht haben. Im vierzehntägigen Wechsel wird im "Diamant" Kunst gezeigt, "die beeindruckt ist von der urbanen Zone und dem alltäglichen Leben", sagt Heiner Blum. Städtische Räume und Straßenszenen spiegeln sich in den Skulpturen, Installationen und auch Filmen, die von drei Projektoren übereinander auf eine Hinterhofwand geworfen werden. Immer tritt die Kunst in den Dialog mit den verlassenen Geschäfts- und Privaträumen der Juweliersfamilie.

Ort für Ausstellungen und Begegnungen – offen für alle

Doch der "Diamant" ist auch ein Ort der Begegnung. Wer mag, kann seine eigenen Kunstwerke hier in offenen Klappbilderrahmen platzieren oder eigene Texte in einer Bibliothek ohne Bücher ablegen – offen für alle.

Bilderrahmen hängen an einer Wand, einige von ihnen sind leer.

Zu Weihnachten plant Blum eine Ausstellung mit Bildern, die Offenbacher Bürgerinnen und Bürger zuhause an den Wänden haben, verbunden mit deren Geschichten dazu. An Wochentagen kommen tagsüber Kindergruppen in die "Diamant-Schule" und am Wochenende gibt es an der Juweliertheke Getränke und der Diamant wird zur Bar. "Wir versuchen damit einen niederschwelligen Zugang zu Kunst zu schaffen", sagt Blum.

Auch Anne Imhof studierte bei Blum

Als Professor an der Hochschule für Gestaltung lehrt der 63-Jährige "Experimentelle Raumkonzepte". Ihm gehe es dabei nicht nur um konkrete Orte, sondern darum, "den inneren Möglichkeitsraum zu entdecken". Viele von Heiner Blums früheren Studierenden sind damit in der Kunst erfolgreich geworden. Zum Beispiel die Frankfurterin Anne Imhof, die 2017 den deutschen Pavillon bei der Kunst-Biennale in Venedig gestaltete und mit ihrer performativen Rauminstallation den Goldenen Löwen der Biennale gewann.

Robert Johnson entstand im Schuhkarton

Blum selbst hat schon die unterschiedlichsten Räume gestaltet. So entwickelte er 1999 zusammen mit seinem Freund, dem DJ Ata Macias, das Konzept für den legendären Club Robert Johnson. "Ata hatte sich gerade neue Schuhe gekauft", erinnert sich Blum. In den leeren Karton bauten sie das Modell des neuen Clubs – einen "White Cube" mit einer sehr guten Anlage, das war das Konzept. "Ich bin niemand, der lange rummacht", sagt Blum. "Wenn es eine gute Idee gibt, wird die einfach umgesetzt.“ Der Club funktioniert bis heute, mittlerweile hält Blum hier unter dem Titel "Robert Johnson Theorie" auch Seminare zur Clubkultur ab.

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Auch am Konzept für einen "Lebensraum für Obdachlose" arbeitete Heiner Blum mit. Das Gebäude mit einer grün-lila schimmernden Schindelverkleidung wurde im Frankfurter Ostpark realisiert.

Kleine Utopie gegen tote Innenstadt

In der Innenstadt von Offenbach waren Heiner Blum und seine Studierenden schon öfter aktiv. So gab es im Sommer einen Laden "UND", in dem man einkaufen, Kaffee trinken, sich treffen und spielen konnte. Kurz darauf war schon die nächste Idee geboren, die jetzt mit dem "Diamant" realisiert wurde. "Im Grund genommen verwirklichen wir ständig unsere Träume", sagt Heiner Blum. "Wenn wir die Diagnose haben, dass bestimmte Dinge nicht funktionieren, dass zum Beispiel die Innenstädte tot sind, dann überlegen wir, wie wir dem eine kleine Utopie entgegensetzen können."

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