DJ Ata Macias während des Auflegens an den Plattenspielern in einem Club.

In den 90er Jahren war Frankfurt Hotspot der Techno-Szene. In einer ARD-Dokureihe blicken Größen der Bewegung zurück. Mit dabei: Ata Macias, Gründer des Clubs Robert Johnson. Im Interview erklärt er, was einen guten Club ausmacht und wieso Erfolg oftmals der Musik schadet.

Der Bass wummert, Menschen zucken im Rhythmus der Musik. Ende der 1980er Jahre kommt elektronische Musik in Deutschland an, Frankfurt wird zur Hochburg der Szene. Mit Reisebussen kommen Feiernde von überall her, um in legendären Clubs wie dem Dorian Gray oder dem Omen zu feiern. Mittendrin: DJ und Club-Betreiber Ata Macias.

In der ARD-Serie "Techno House Deutschland - Im Club" blickt Macias gemeinsam mit anderen Pionieren wie Sven Väth, Monika Kruse und Chris Liebing zurück auf diese Zeit. Sie berichten, wie sich damals eine Musikkultur in Frankfurt entwickelt hat, die bis heute international gleichermaßen beliebt wie anerkannt ist - obwohl die Szene längst in anderen Städten feiert.

Im Interview mit hessenschau.de erklärt Macias, warum Techno in Frankfurt heutzutage eher Geschichte, die Musik aber jung geblieben ist.

hessenschau.de: Die Doku-Reihe ist ein Rückblick auf die Anfänge der Szene; auch Museen wie das MOMEM oder das Frankfurter Museum Angewandte Kunst beschäftigen sich damit. Ist Techno reif für die Geschichtsbücher?

Macias: Auf jeden Fall. Elektronische Musik ist im Museums-Zeitalter angekommen. Es gibt weltweit mehrere sehr, sehr tolle Museen, die schon großartige Ausstellungen dazu gemacht haben. Man darf nicht vergessen, dass diese elektronische Musik zum Teil auch aus den 1960er Jahren stammt.

Wir haben die letzten 30 Jahre den Rhythmus dazu kreiert und damit sozusagen die Tanzflächen erobert. Dadurch, dass so viele Menschen das machen und produzieren - in Detroit, in Frankreich, in Berlin - ist Techno zu einem riesengroßen Netzwerk geworden. Da spielen ganz viele große Namen mit, die natürlich nach 30 Jahren auch mal ins Museum gehören.

Weitere Informationen

"Techno House Deutschland - Im Club"

Die ARD-Koproduktion blickt auf die Ursprünge der Techno-Bewegung. Vier der insgesamt acht Teile wurden vom hr produziert und erzählen von der Frankfurter Clubszene. Die gesamte Reihe ist am Sonntag, 31. Juli, ab 23.40 Uhr im Ersten zu sehen oder schon jetzt in der ARD Mediathek.

Ende der weiteren Informationen

hessenschau.de: Trotzdem erreicht Techno bis heute ein junges Publikum. Hast du eine Erklärung dafür, warum die Musik scheinbar nicht altert?

Ata Macias: Vielleicht hat es damit zu tun, dass sie sich immer wieder neu erfindet. Elektronische Musik ist nicht so überladen wie Pop, Soul oder Funk. Dadurch wird sie immer wieder hörbar. Man entdeckt sie immer wieder neu. Ich glaube, das ist ein Phänomen: Dadurch, dass weniger in der Musik ist, kann man den Sound länger aushalten.

hessenschau.de: Als DJ und Club-Betreiber bist du ein Akteur der Szene, in der Doku-Reihe "Techno House Deutschland" bist du nun auch Zeitzeuge. Wie fühlst du dich in dieser Rolle?

Macias: Ein bisschen alt. Das ist einem erst mal nicht so bewusst. Natürlich arbeite ich seit 30 Jahren da mit, aber wenn man so ausgefragt wird, wird einem erst wirklich bewusst, wie lange man dabei ist, was man alles schon miterlebt hat, wie viel man schon erlebt hat. Das ist nicht ganz einfach.

Das Bild zeigt einen Mann mit Brille und Bart, der in einem Club am DJ-Pult auflegt. Er und die Menschen neben ihm sind in farbiges Licht getaucht.

hessenschau.de: In der Doku sagst du: Früher war der DJ ein Dienstleister, heute ist er ein Star. Was ist da passiert ?

Macias: Das hat natürlich damit zu tun, dass die Musik immer größer wurde. Früher wurden 20 Hits auf eine Single gepresst und von einem DJ hintereinander, vorwärts oder rückwärts gespielt. Nach und nach gab es aber immer mehr Einflüsse und immer mehr Genres in der Techno-Musik.

Daraus haben sich einzelne Musiker entwickelt und sozusagen ihr eigenes Ding gebastelt. Sie haben nicht mehr mit den Charts gearbeitet, sondern mit 20 ihnen sehr am Herzen liegenden Platten und drei Stunden lang einen konstanten Sound erzeugt - das kann man dann nicht mehr wirklich Dienstleister nennen. Natürlich hatten diese DJs auch einen Namen, Sven Väth, Klaus Stockhausen und wie sie am Anfang alle hießen.

hessenschau.de: Was haben diese DJs anders gemacht?

Macias: Wegen ihrer Arbeit, ihrer Fertigkeit an den Schallplattenspielern wurden sie nach Köln, nach Hamburg, nach London eingeladen. Sie sind von einem Club zum anderen gezogen. Dann fingen sie auch noch an, selber Musik zu machen und Schallplatten zu produzieren. Die wurden zu kleinen Hits und haben wiederum ihre Solo-Karrieren nach vorne gebracht. Und dann war der Dienstleister auf einmal ein Shootingstar.

hessenschau.de: Wie hat das dein Leben verändert, dieser Weg vom DJ zum Star?

Macias: Ich bin zum Glück kein Star. Für mich hat sich da nicht viel geändert. Ich spiele lieber in kleinen als in großen Clubs, auch weil ich eine spezielle Art habe, meine Musik zu zeigen. Je mehr Leute du auf der Tanzfläche hast, umso schlechter wird die Musik. Das muss man leider so sagen: Die Musik wird einfallsloser. Es ist ein schmaler Grat zwischen "Fame sein" und DJ mit Qualitätsansprüchen. Die großen Stars legen meistens nicht mehr so tolle Musik auf wie der Underground zum Beispiel.

hessenschau.de: Die Geschichte von Techno ist eng verbunden mit Frankfurt. Was ist das Spezielle an dieser Stadt?

Macias: Allein schon durch die Diskotheken-Vielfalt in den 1970er Jahren war Frankfurt ein Stützpunkt. Und natürlich hatten wir die wunderbare Situation mit dem Frankfurter Flughafen, der eine 24-Stunden-Konzession hatte. Dadurch hatte der Club Dorian Gray dort also rund um die Uhr offen. Es gab in Frankfurt immer gute Diskotheken, zum Beispiel das Downstairs, das Uno oder das Cookys, eine der ältesten Diskotheken in Deutschland.

Wir hatten natürlich auch Michael Münzing von Snap!. Das darf man nicht vergessen. Diese ganze Eurodance-Geschichte, das ist alles in Frankfurt geboren. Wir haben eine Vormachtstellung in Frankfurt mit Techno, Eurodance und Trance und durch diese Clubs, zum Beispiel dem Omen von Sven Väth, war Frankfurt ganz, ganz weit vorne.

hessenschau.de: Du sagst immer "war". Ist das Vergangenheit?

Macias: Es ist Vergangenheit, weil Berlin allen europäischen Städten den Rang abgelaufen hat. Das ist eine ganz schwierige Situation für viele Städte, Frankfurt knabbert da noch dran. Nach der Schließung von diversen Clubs Ende der 2010er ist eigentlich Schluss mit Techno in Frankfurt. Wir haben natürlich noch das Robert Johnson einen Katzensprung von Frankfurt entfernt, es gibt noch das Tanzhaus West, das sich bemüht - und dann ist Schluss. Da gibt es nicht mehr viel. Das war früher ein bisschen anders.

hessenschau.de: Das Robert Johnson in Offenbach hast du mitgegründet. Es ist überliefert, dass du bei der Einrichtung einen Schuhkarton genommen und gesagt hast: Wir machen eine weiße Kiste und da drin wird getanzt. Was macht einen guten Club aus?

Macias: Meiner Meinung nach braucht man natürlich eine sehr, sehr gute Soundanlage, nicht wie früher in den Siebzigern, als man alles in die Lichtanlage gesteckt hat. Für mich ist es wichtig, dass die Musikanlage sehr, sehr hochwertig ist und dass man nicht so viel sieht, sondern sich eher auf die Musik konzentriert.

Es braucht einen guten Tanzboden, zum Beispiel aus Holz, damit die Akustik im Raum stimmt. Die Bar ist ein drittrangiges Objekt, das nach hinten geschoben wird. Mir ist wichtig, dass wir auf gar keinen Fall irgendwelche VIP-Areas haben, wo es so komische Plätze gibt, die man sich dann kaufen kann für Tausende von Euro. Das ist kein Club, den ich gut finde. Ich würde sagen: bodenständig, weiße Räume, und das war es.

hessenschau.de: Du bist oft auch weit weg vom Clubleben, von Frankfurt, von Techno. In Italien baust du Biogemüse an. Ist das für dich ein Gegenmodell zur Techno-Welt?

Macias: Ich bin 54, irgendwann muss das Huhn aufs Feld. Ich denke schon darüber nach, was ich in den nächsten zehn Jahren mache. Ich möchte nicht in der Stadt bleiben. Das Stadtleben hat mir schon genug gegeben. Hier in Italien haben wir einen Hof gefunden und vor sechs Jahren angefangen, ihn umzubauen. Hier kann ich mich entspannen. Das ist ein super Gegenpol zu diesem ganzen Nachtleben.

Das Gespräch führte Christoph Scheffer.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen