Preisverleihung in Frankfurt Historiker Dan Diner erhält Ludwig-Börne-Preis
Der deutsch-israelische Historiker Dan Diner ist in Frankfurt mit dem Ludwig-Börne-Preis ausgezeichnet worden. Er sei "ein mutiger Aufklärer in Zeiten großer Verwirrung", begründete der Preisrichter seine Wahl. Diner beschäftigte sich unter anderem mit dem Konflikt im Nahen Osten und dem Holocaust.
Der Ludwig-Börne-Preis 2025 ist am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche an Dan Diner vergeben worden. Die Wahl habe der diesjährige alleinige Preisrichter Daniel Cohn-Bendit getroffen, teilte die Ludwig-Börne-Stiftung mit.
Der Preis ist nach dem Publizisten Ludwig Börne (1786 bis 1837) benannt und wird für besondere Essays, Kritiken und Reportagen vergeben. Er ist mit 20.000 Euro dotiert. "In einer Zeit der großen Verwirrung ist Dan Diner ein mutiger Aufklärer, der uns hilft, unsere Epoche immer neu zu reflektieren und zu verstehen", begründete Cohn-Bendit die Wahl.
Professor in Jerusalem und Leipzig
Der 79 Jahre alte Diner war Professor für Moderne Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem, Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für Jüdische Geschichte und Kultur sowie Professor am Historischen Seminar der Universität Leipzig. Inzwischen ist er im Ruhestand.
Diner verbindet einiges mit Hessen: Nach seiner Lehre als Feinmechaniker besuchte er den Aufbauzweig eines Gymnasiums in Schlüchtern (Main-Kinzig), später studierte er Rechts- und Sozialwissenschaften an der Frankfurter Goethe-Universität.
Dan Diner sei ganz im Sinne Ludwig Börnes ein "Zeitschriftsteller", der in aktuelle Debatten über den Zivilisationsbruch des Holocaust, die komplexe Konstellation "Israels in Palästina" und die Zukunft des Westens eingreife, sagte der Preisrichter.
Auseinandersetzung mit Konflikt im Nahen Osten
"Dan Diner ist ein Historiker, der uns ermöglicht, die Welt, in der wir leben, historisch einzuordnen und zu verstehen", sagte Cohn-Bendit. Seine Habilitationsschrift "Israel in Palästina" sei eine Voraussetzung dafür, den Konflikt im Nahen Osten zu verstehen. Für Diner liege die Legitimität des israelischen Staates in der Anerkennung eines palästinensischen Staats.
"Die Gründung des Staates Israel war eine Emanzipation gegen den englischen Kolonialismus", erklärte Cohn-Bendit mit Bezug auf Diner. Der Staat Israel verhalte sich heute in den besetzten Gebieten aber wie ein Kolonialstaat.
Wie die Stadt Frankfurt mitteilte, zählte Diner im August 2023 zu den Unterzeichnern der Petition "The Elephant in the Room", welche die israelische Besatzung der Palästinensergebiete scharf verurteilte.
"Holocaust als Zivilisationsbruch"
"Mit seinem Begriff Holocaust als Zivilisationsbruch prägt Diner auch die Debatte mit dem Postkolonialismus", würdigte Cohn-Bendit. Der Holocaust stehe für Ausrottung, der Kolonialismus für Ausbeutung. Die Ausrottungspolitik der Nationalsozialisten widerspreche zum Teil der kapitalistischen Logik der Ausbeutung. Diner trete jeder Versuchung entgegen, das Leid des einen mit dem Leid des anderen zu vergleichen.
Der Ludwig-Börne-Preis wird seit 1993 vergeben. Er erinnert an den Frankfurter Schriftsteller und Journalisten, der wegen seiner scharfzüngigen Prosa als einer der Erfinder des Feuilletons gilt. Preisträger waren bislang unter anderen der Literat Hans Magnus Enzensberger, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, der Philosoph Peter Sloterdijk, der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Im vergangenen Jahr erhielt der Schriftsteller Daniel Kehlmann den Preis.