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Schauspieler spielen Verletzte beim Roten Kreuz

DRK-Übung mit Schauspielern

Das Deutsche Rote Kreuz in Frankfurt engagiert für Unfallübungen für seine Auszubildenden professionelle Schauspieler. Es ist ein einzigartiges Projekt - mit einem erstaunlichen Effekt.

Frankfurt, 9 Uhr morgens: Er setzt sich einen gelben Bauarbeiterhelm auf, rückt das Kopfkissen unter seinem Blaumann zurecht, steckt eine Schachtel Zigaretten ein. Claudio Villardo bereitet sich auf seinen nächsten Einsatz vor.

Er ist freier Schauspieler und schlüpft gerade in die Rolle eines Chemiearbeiters. Die Maskenbildnerin trägt noch letzte Silikonschichten auf den Händen des Mannes auf und färbt sie rötlich. Herr Kunze, wie der Chemiearbeiter heißt, hatte einen Unfall mit Salzsäure. Beide Hände sind schwer verätzt.

Notfälle werden simuliert

Fertig geschminkt verlässt Villardo die improvisiert eingerichtete Garderobe. Doch nicht auf die Bühne oder vor der Kamera wird er heute treten. Sein Einsatzort ist das Außengelände des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Frankfurt. Hier werden an diesem kühlen Oktobermorgen Notfälle für angehende Sanitäter simuliert.

Die Szenerie ist bereits vorbereitet: Eine offene Garage soll die Chemiehalle darstellen. Und auch die Schauspielkollegin Katharina Maier steht bereit. Sie spielt Frau Sonntag, die Leiterin des Chemieparks. Villardo - oder Herr Kunze - setzt sich auf den Boden, streckt beide Arme von sich, ruft um Hilfe, jammert. Alles ist bereit.

Weitere Szenarien laufen

Die beiden Sanitäter-Azubis rücken an, müssen sich in der Situation zurechtfinden. Routiniert beruhigen sie Herrn Kunze und vor allen Dingen die aufgeregte Frau Sonntag, versorgen die Wunden, fordern einen Rettungswagen an. Etwa 20 Minuten dauert die Simulation.

Zeitgleich laufen zwei weitere Szenarien auf dem DRK-Gelände ab: ein Krampfanfall und ein Herzstillstand. Diese Fälle übernehmen Villardos Kollegen. Stündlich wirft sich das sechsköpfige Schauspielteam in neue Kostüme, bekommt neue Wunden aufgetragen, schlüpft in neue Rollen. Eine Woche lang sind sie für das DRK Frankfurt im Einsatz.

Auf Rollen intensiv vorbereitet

Damit auch alles möglichst realitätsnah wirkt, bereiten sich die Darsteller intensiv auf ihre Rollen vor: Sie studieren Fallakten, entwickeln die Charakterzüge ihrer Figuren, besprechen medizinische Details mit den Dozenten. Hier sollen keine Stereotypen dargestellt werden, sondern lebensechte Fälle.

Dabei haben die Einsätze für das DRK einen ganz besonderen Reiz für die Schauspieler: In ihren Rollen müssen sie zwangsläufig improvisieren. Die Rahmenhandlung ist vorgegeben, wie sich die Situation mit den Azubis dann aber ausgestaltet, ist von Mal zu Mal anders. Gerade junge Darsteller, die frisch von der Schauspielschule kommen, schätzen die Möglichkeit, sich im Spiel frei auszuleben.

Unfallopfer seit sieben Jahren

Claudio Villardo ist inzwischen zurück in der Garderobe. Er wird bereits für den nächsten Einsatz vorbereitet: eine Blutvergiftung. Die Stimmung unter den Darstellern ist ausgelassen. Das Schauspielteam ist bunt besetzt - ein Schnitt durch die Gesellschaft.

Neben klassischen Engagements im Theater arbeiten sie auch an Schulen, inszenieren beispielsweise Situationen zur Mobbing-Prävention, und produzieren Performances für Museen, die aktuelle Ausstellungen begleiten. Seit mittlerweile sieben Jahren spielen sie die Unfallopfer für das DRK Frankfurt.

Der Gesellschaft etwas zurückgeben

Villardo gefällt an seiner Arbeit beim DRK besonders der soziale Aspekt. Hier habe man die Möglichkeit, die Notfallsanitäter der Zukunft bestmöglich auf ihren Arbeitsalltag vorzubereiten und auszubilden. Das gebe ihm das Gefühl, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, der Gemeinschaft mit seinem Können einen wichtigen Dienst erweisen zu können. Er wünscht sich mehr Einsätze dieser Art.

Die Azubis bereiten sich mit den Unfallsimulationen in dieser Woche auf ihre Abschlussprüfungen zu Beginn des kommenden Jahres vor - und das spätere Berufsleben. Dass sie hier an professionellen Schauspielern üben dürfen, ist ungewöhnlich. Andernorts werden die Unfallopfer von Laien oder sogar den eigenen Mitschülern gespielt - für kleineres Geld.

Wesentlich mehr Azubis bestehen

Das DRK Frankfurt kostet die einwöchige Arbeit der Darsteller und der Maskenbildnerin einen fünfstelligen Betrag. Aber die Investition lohnt sich, betont Ausbildungsleiter Stefan Seeger.

Seitdem mit den Schauspielern geübt wird, bestehen wesentlich mehr Azubis ihr Examen. Und auch die Schauspieler freuen sich, wenn sie in den Abschlussprüfungen demnächst wieder für die angehenden Notfallsanitäter Unfälle simulieren dürfen.

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