21 Kameras installiert Wie KI im Kasseler Auebad künftig Leben retten soll

Schwimmen wird sicherer - durch Künstliche Intelligenz. Im Auebad in Kassel beobachten jetzt 21 Kameras die Becken. Im Notfall soll das System dem Aufsichtspersonal einen Alarm auf die Uhr schicken. Doch erst mal muss die KI angelernt werden.

Bahnen in einem Schwimmbad. Zwei Frauen und ein Mann von oben, schwimmend. Sie sind gründ und rot markiert. Links unten in der Ecke ist das Bild einer Smartwatch eingebaut.
Die KI erkennt, wenn Schwimmer bewegungslos unter Wasser liegen Bild © Lynxight Ltd.

Unten glitzert das Wasser in den Becken, hoch oben unter der Decke werden 21 Kameras installiert. Sportbecken, Sprungturm, Riesenrutsche - egal, wo man sich als Badegast im Schwimmbad unweit der Fulda künftig aufhält, bleibt man nicht unbeobachtet.

Denn die Kameras beobachten die Wasseroberfläche und die Freizeitbereiche. Das alles soll die Sicherheit der Badegäste erhöhen. Die Live-Bilder der Kameras werden von einer KI ausgewertet. So soll künftig das Aufsichtspersonal unterstützt werden.

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Künstliche Intelligenz soll Bademeistern helfen

Ein Mann wird in einem Schwimmbad interviewt.
Bild © hessenschau.de
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Badegäste: Mehr Sicherheit - aber auch Sorge vor neuer Technik

Die Badegäste, die den Aufbau am Dienstag beobachten, sind geteilter Meinung. Die einen finden das System gut, andere haben Angst um ihre Privatsphäre. "Die KI bietet mehr Sicherheit", sagt Michael Beerhold aus Kassel, der Kinder mit Behinderung betreut.

Gina Müller ist mit ihrer Tochter zum Schwimmen da. Sie steht der neuen Technik skeptisch gegenüber und wünscht sich, dass Besucherinnen und Besucher über die KI-Überwachung informiert werden, um dann selbst zu entscheiden, "ob sie das Schwimmbad besuchen wollen".

"Das sind mehr Augen, die auf die Besucher schauen", urteilt Luca Walter. Wenn das helfe, dass mehr Menschen gerettet werden, sei das perfekt.

Bunte Schwimmnudeln, im Hintergrund ein Schwimmbadbecken
Schwimmnudel oder Ertrinkender: das kann die KI unterscheiden. Bild © Elisabeth Czech (hr)

Sechs Wochen Anlernphase 

Wie jede KI, muss auch die im Auebad erst mal lernen. Sie soll das, was die Kameras liefern, bewerten - um normale Badegäste von Ertrinkenden unterscheiden zu können. Nach etwa sechs Wochen kann das System dann Erwachsene, Kinder und Objekte wie Schwimmnudeln unterscheiden.

Erst dann können mögliche Gefahrensituationen sofort erkannt und die Fachangestellten für Bäderbetriebe über eine Smartwatch alarmiert werden. Sie bekommen ein akustisches und visuelles Signal auf ihre Uhr. Dort wird der Bereich des Notfalls auf den Meter genau angezeigt.

Außerdem gibt es ein Foto der Situation fünf Sekunden zuvor, erklärt Projektleiter Feras Rashid. Die Schwimmbadaufsicht könne dann über die Smartwatch "Kollegen zur Unterstützung rufen".

Ein Mann mit Schnauzbart in einem Hallenbad. Im Hintergrund ein Becken.
Projektleiter Feras Rashid: Mit der Uhr Kollegen zur Hilfe rufen. Bild © Elisabeth Czech (hr)

Kameras hängen im Auebad schon länger - ähnlich wie in Tankstellen oder auf Bahnhöfen. Bei eventuellen Straftaten können Ermittler auch hier auf die Bilder zugreifen.

Damit Besucherinnen und Besucher sich über den Einsatz der KI im Bad rechtzeitig informieren können, wird es einen Aushang geben. Außerdem stehen die Mitarbeitenden vor Ort jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung, erklärte ein Sprecher der Städtischen Werke.

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Wie man Ertrinkende erkennt

Menschen ertrinken leise - sie rufen selten nach Hilfe. Laut DLRG sind die Arme häufig zur Seite ausgestreckt. Zum Winken fehlt die Kraft. Der Körper bewegt sich nicht von der Stelle, wird höchstens abgetrieben. Die Person "steht" senkrecht im Wasser. Der Kopf sinkt immer wieder unter die Wasseroberfläche. Der Mund ist auf Höhe der Wasseroberfläche, die Augen sind geschlossen oder blicken leer in die Ferne.

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KI ein "starker Zuwachs an Sicherheit"

Ulrich Wagner, Ausbilder und Fachangestellter für Bäderbetriebe, bewertet die neue Technik positiv - auch für Bäder in kleineren Kommunen mit weniger Personal. Das System sei "ein starker Zuwachs an Sicherheit", so Wagner.

Man habe die Sicherheit, dass alles überwacht ist, auch wenn man mal in die Technik oder aufs Klo müsse, erklärt er. Oder wenn der Schwimmbecken-Boden bei starker Sonneneinstrahlung nicht gut einsehbar sei.

Ein Mann im weißen Polohemd, im Hintergrund ein Freibad
Ausbilder Ulrich Wagner bewertet die KI.Technik fürs Auebad positiv. Bild © Elisabeth Czech (hr)

Schwimmbad in Wiesbaden setzt seit 2020 auf KI

Dass KI in Schwimmbädern funktionieren kann, zeigte sich erst kürzlich in Everswinkel (Nordrhein-Westfalen). Hier ist eine Vierjährige an den Osterfeiertagen beinahe ertrunken. Die KI schlug Alarm und das Mädchen konnte schnell gerettet werden.

Das Schwimmbad in Kassel ist das zweite Bad, das auf KI setzt. Wiesbaden hat im Frei- und Hallenbad Kleinfeldchen ein ähnliches System installiert. Seit August 2020 ist die Erfindung eines israelischen Start-ups in der Landeshauptstadt im Einsatz. Diese wird auch in Kassel eingebaut.

In Wiesbaden überwachen vier Kameras an der Decke das 25 mal 15 Meter große Hallenbecken von oben. Bei Anzeichen von Ertrinken werden die Rettungsschwimmer alarmiert - inklusive Foto und genauem Standort im Becken.

KI bleibt immer konzentriert

Jens Herbst, Leiter der Kasseler Schwimmbäder, hat sich das System aus Israel vor mehr als drei Jahren auf einer Messe angeschaut und war begeistert. Er weiß um die Stärken der KI. Diese sei konzentrierter und werde nicht mit Fragen nach "wann macht der Dreier auf" oder wo bekomme ich ein Pflaster" abgelenkt. In diesen Momenten könne die KI "perfekt unterstützen".

Ein Mann in einem Schwimmbad. Er hält eine Kamera in den Händen.
Jens Herbst, Leiter der Kasseler Schwimmbäder, zeigt eine der 21 Kameras, die an der Decke installiert werden. Bild © Elisabeth Czech (hr)

Doch eines kann die KI nicht: rausziehen. Das betont auch Bäderchef Herbst: "Es muss immer ein Retter vor Ort sein, der bergen und im Zweifelsfall auch reanimieren kann".

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Badeunfälle meist in Gewässern

In Hessen sind 2024 laut Deutscher Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) insgesamt zwölf Menschen ertrunken und damit sechs weniger als noch 2023. Die meisten Badeunfälle passierten im Juli und ausschließlich in Gewässern wie Flüssen, Seen und Teichen.

Einen Badeunfall in einem Schwimmbad gab es 2024 nicht. Zuletzt ertrank 2023 ein 14 Jahre alter Junge beim Schwimmunterricht in der Trainingshalle des Wiesbadener Kleinfeldchen-Bads. Die Halle ist laut Schwimmbadbetreiber anders als die öffentliche Schwimmhalle nicht mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet.

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Unterstützung für Badepersonal

Ersetzen soll das System die Fachkräfte nicht. Vielmehr soll es eine Entlastung bringen und helfen, mögliche Risiken schneller zu erkennen, zu bewerten und aktiv zu werden.

Auch soll das Badepersonal nicht reduziert werden, wie Carsten Harker, Vorstandvorsitzender der Städtischen Werke betonte. Die KI helfe, die Arbeitsbelastung zu reduzieren, aber ohne qualifiziertes Badpersonal sei "kein Schwimmbadbetrieb denkbar".

Sorgen um die Zukunft der Arbeitsplätze gebe es dennoch, sagt Wagner. Er hält das für unbegründet. "Bis Robotik so weit ist, dass jemand ins Becken hüpft und einen Ertrinkenden rausholt, das dauert wohl noch sehr lange".

Datenschutz trotz Live-Bilder

Zwei Server stehen im Auebad für die KI bereit - ohne Bildschirme. Alle Daten, die von der KI genutzt werden, verlassen das Schwimmbad nicht. Sie werden lokal verarbeitet und weder auf externe Server noch in einer Cloud gespeichert. Badegäste müssen keine Angst haben, dass die Bilder von ihrem Schwimmbad-Besuch im Netz landen.

Laut Städtischen Werken erfolgt die Daten-Verarbeitung anonymisiert und "entspricht den höchsten Datenschutz- und Regulierungsstandards". Das betont auch Bäderchef Herbst. Die Auswertung finde auf den Servern vor Ort statt. Einen Datenaustausch gebe es nicht.

Der Hessische Datenschutzbeauftragte (HBDI) hat keine Informationen über das KI-System im Kasseler Schwimmbad. Daher könne man nicht bewerten, wie gut die Daten dort geschützt sind, teilte eine Sprecherin auf hr-Anfrage mit. Grundsätzlich sei es möglich, solche Systeme so einzusetzen, dass keine Daten nach außen übertragen werden.

Wenn persönliche Daten verarbeitet werden, müssen laut HBDI die Regeln der DSGVO und anderer Gesetze eingehalten werden. Auch technische Standards wie bestimmte DIN-Normen können wichtig sein.

Ausweitung auf Außenbereich und weitere Schwimmbäder denkbar

Immer mehr Kommunen prüfen den möglichen Einsatz von KI in ihren Schwimm- und Freibädern. Die Gemeinde Lohfelden (Kassel) stellte im März die Kosten eines solchen Systems für ihr Freibad vor. Laut einem HNA-Bericht entstehen Nettokosten in Höhe von 130.000 Euro ohne Installation und Bauarbeiten. Pro Jahr müsste die Gemeinde für die Wartung demnach etwa 10.000 Euro zusätzlich zahlen.

Zu den Kosten im Auebad wollten sich die Verantwortlichen nicht äußern. Hier will man jetzt schauen, ob sich die Zusammenarbeit mit der KI bewährt. Wenn es gut läuft, gibt es Überlegungen, das System auf die Außenbereiche und weitere Kasseler Schwimmbäder auszuweiten.

Redaktion: Stefanie Küster

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de/Marcel Ruge