Nächster Wächter-Satellit vor Einsatz Anspannung in Darmstadt vor Raketenstart der Esa
In Darmstadt erwartet die Esa den Start eines weiteren Wächter-Satelliten zur Erdbeobachtung. Dabei sorgt vor allem das Trägersystem Vega-C für Anspannung. Der Start einer Rakete gleichen Typs endete zuletzt in einer Explosion.
Mit Spannung schaut man im Satellitenkontrollzentrum (ESOC) der Europäischen Raumfahrtagentur Esa in Darmstadt nach Südamerika. Vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana soll ein weiterer Satellit der Sentinel-Reihe ins All starten, um mehr als sieben Jahre lang wichtige Daten für die Erdbeobachtung zu liefern.
Wegen Triebwerksproblemen gesprengt
Nach derzeitiger Planung wird Sentinel-1C am Mittwoch um 22.20 Uhr unserer Zeit mit einer Vega-C-Trägerrakete abheben. Das europäische Fabrikat hat erst zwei Startversuche hinter sich, beide im Jahr 2022. Der erste verlief glatt. Beim zweiten gab es ein Problem mit dem Triebwerk, die Rakete musste gesprengt werden.
In Darmstadt sorgt dies für erhöhte Anspannung. "Die Augen sind diesmal nicht nur auf dem Satelliten, sondern auch auf dem Launcher", erläutert Nicolaus Hanowski, Abteilungsleiter Missionsmanagement bei der Esa und Generalverantwortlicher für die Mission. "Es ist sicherlich kein Routinestart."
Team sieht sich gut vorbereitet
Bei der Esa ist man aber überzeugt, alles dafür getan zu haben, dass es zu keinem weiteren Fehlschlag kommt. "Alle Tests sind gut gelaufen, ich habe volles Vertrauen, dass alles funktionieren wird."
Im ESOC bereitet man sich schon seit längerem auf den Start vor. Etwa 45 bis 60 Minuten nach dem Start – sobald eine Bodenstation das Signal des Satelliten empfängt - übernehmen die Experten in Darmstadt die Steuerung.
Anhand von Simulationsprogrammen werden alle Eventualitäten, die nach einem erfolgreichen Abheben eintreten können, durchgespielt. Es gibt sogenannte Prozeduren – Reaktionspläne, die festlegen, was in welchem Fall zu tun ist.
"Wie bei einer Frühgeburt"
Die ersten zwei bis drei Tage - die "Launch and early orbit phase" (LEOP) - sind Hanowski zufolge besonders kritisch. Ein Team von 20 bis 30 Menschen sei dann rund um die Uhr im Einsatz.
"Das ist wie bei einer Frühgeburt auf der Intensivstation", erzählt er. "Da müssen auch ständig Blutdruck, Herzschlag und andere Werte gemessen werden." In gleicher Weise wird im ESOC laufend überprüft, ob alle Untersysteme wie Lageregelung und Thermalsystem einwandfrei funktionieren.
Ersatz für kaputten Vorgänger
Dass der rund zwei Tonnen schwere Satellit rasch ins All kommt, ist aus Sicht der Esa besonders wichtig. Der dritte Satellit der Sentinel-1-Mission ersetzt nämlich seinen Vorgänger Sentinel-1B, der seit 2022 wegen eines technischen Problems außer Betrieb ist und später einmal kontrolliert in der Erdatmosphäre zum Verglühen gebracht werden soll.
Der neue Trabant soll zusammen mit Sentinel-1A die Kontinuität in der Versorgung mit Daten gewährleisten. An Bord hat er hochentwickelte Radarmessgeräte, die aus knapp 700 Kilometern Höhe hochauflösende Bilder von der Erde machen können - Tag und Nacht und bei jedem Wetter.
Klima und Naturkatastrophen im Fokus
Diese Daten liefern wichtige Informationen etwa über Klimaveränderungen und das Eis der Polarregionen. Sie erfassen Bewegungen von Eisbergen und Landmassen, erkennen aber auch Ölverschmutzungen auf der Meeresoberfläche, Schiffsverkehr und Entwaldungsvorgänge.
Auch bei Naturkatastrophen kommen die Satelliten zum Einsatz. So konnten Sentinel-Satelliten bei den schweren Unwettern in der spanischen Provinz Valencia Ende Oktober aus dem All Bilder vom Ausmaß der Überflutungen liefern. Laut Esa sind solche wichtigen Informationen binnen 60 Minuten nach dem Eintritt eines Ereignisses verfügbar.
Umfangreiches Netz zur Erdbeobachtung
Der Name "Sentinel" bedeutet so viel wie "Wächter". Neben der Sentinel-1-Reihe sind auch Satelliten weiterer Sentinel-Missionen bereits im Erdorbit unterwegs. Sie alle dienen der Erdbeobachtung, nutzen aber unterschiedliche Technologien für unterschiedliche Aufgaben.
Sentinel-2 zum Beispiel beobachtet die Vegetation auf der Erde mithilfe von Multispektralsensoren. Die Infrarot- und Radarmessgeräte von Sentinel-3 erfassen Wasserqualität und Temperaturen der Meere, bei Sentinel-5P geht es um Spurengase in der Erdatmosphäre.
Die Daten fließen in das Erdbeobachtungsnetzwerk Copernicus der Europäischen Union (EU) ein. Mit seiner Hilfe sollen unter anderem die Veränderung des Klimas überwacht und Umweltschutz und Naturkatastrophenmanagement verbessert werden. Die Daten sind für Wissenschaft, Behörden und Öffentlichkeit frei verfügbar.
Europa will in Sachen Raumfahrt unabhängig sein
Die Vega-C ist die Nachfolgerin der in Italien produzierten Vega-Rakete, die erstmals 2012 abhob. Für das neue, knapp 35 Meter hohe Modell wurde die Startrampe in Kourou modifiziert. Nach dem Fehlversuch vor zwei Jahren bediente sich die Esa für ihre EarthCARE-Mission im Mai einer Falcon-9-Rakete des amerikanischen Unternehmens SpaceX.
Der Rückkehr der Vega-C in den operativen Betrieb sieht man bei der Esa daher mit hohen Erwartungen entgegen. Der Chef der Abteilung Raumtransport, Toni Tolker-Nielsen, spricht von einem wichtigen Schritt für Europa hin zu einem unabhängigen Zugang zum Weltall.
Und auch der nächste Sentinel-Start ist schon geplant. Im kommenden Jahr soll Sentinel-1D den mittlerweile zehn Jahre alten Sentinel-1A ersetzen. Im Herbst 2025 soll der neue Satellit einsatzbereit sein.