Privater Hilfstransport in die Ukraine Ausgemustertes Blockheizkraftwerk - von der Uni Kassel ins Kriegsgebiet
Das alte Blockheizkraftwerk der Uni Kassel soll künftig ein Krankenhaus in der Ukraine versorgen. Für die Ukraine bedeute das "Wärme, Sicherheit und Hoffnung", sagte Generalkonsul Vadym Kostiuk bei der Übergabe.
"Das Ding ist richtig groß und effizient", sagt Heinz Jordan aus Helsa (Kassel). Der 64-Jährige kümmert sich als Ukraine-Projektkoordinator ehrenamtlich um Hilfskonvois. Er hat schon zwei Blockheizkraftwerke ins Kriegsgebiet geschafft. Jetzt das Dritte.
Vom Campus am Holländischen Platz geht das Blockheizkraftwerk per Sattelschlepper in den Westen der Ukraine. Es sieht aus wie ein großer Motor, ist sechs Meter lang und wiegt acht Tonnen.
Etwa 20.000 Menschen könne das Kraftwerk mit Strom und Wärme versorgen, erklärt der Ingenieur. Kühlen kann es auch - eine wichtige Funktion für ein Krankenhaus.
Mehrere Wochen Vorbereitung
Für die Transporte hat Jordan eine "schlagkräftige Truppe" um sich versammelt. Der Ingenieur steuert den Abbau gespendeter Kraftwerke, Generatoren und Solaranlagen durch Ehrenamtler, wie Rentner und Geflüchtete aus der Ukraine, die mittlerweile gut integriert seien und die Kontakte vermittelten.
Für sein Engagement ist er schon ausgezeichnet worden. Wichtig sei ihm das nicht, erklärt Jordan, es helfe allerdings, weil er so bekannter sei und immer wieder Hilfsgüter angeboten bekomme. Die Vorbereitungen für den Transport haben Wochen gedauert. Viele Ehrenamtliche waren beteiligt.
Mit Zubehör müsse man für den Koloss aus Stahl heute etwa 15 Millionen Euro bezahlen, sagt Jordan. Künftig soll das Kraftwerk in einem Krankenhaus eingesetzt werden.
Transporte Ziel von russischen Angriffen
In welcher Stadt genau, will man nicht sagen. Zu groß sind die Befürchtungen, dass die Klinik sonst zum Angriffsziel der Russen wird.
Denn das ist schon einmal passiert. Jordan und sein Team hatten die Lieferung eines großen Generators in eine Stadt 500 Meter von der russischen Grenze organisiert - dorthin, "wo die Menschen russisch sprechen und sogar das Telefonnetz russisch ist", erzählt der Koordinator. Dann sei der Transport beschossen worden.
Videos aus der Region zeigten laut Jordan, wie Granaten einschlugen, die Sanitäter verletzte Soldaten brachten. Die Bilder und Berichte lösen bei ihm Schrecken aus. "Deshalb ist es das Wichtige, dass wir den Leuten helfen können", sagt er.
Das sieht auch die Uni Kassel so. Es sei ein "gutes Gefühl", wenn man eine so große Anlage dorthin bringen kann, wo sie dringend gebraucht wird, erklärt ein Sprecher vor Ort.
"Wärme, Sicherheit, Hoffnung" für die Ukraine
Der ukrainische Generalkonsul Vadym Kostiuk ist für die Übergabe nach Kassel gekommen und betont die Wichtigkeit von Initiativen wie dieser. "Das bedeutet Wärme, das bedeutet Sicherheit, das bedeutet Hoffnung", sagte er. Koordinator Jordan kennt er seit etwa drei Jahren.
Im Namen aller Ukrainer sprach er ihm, allen Freiwilligen und der Uni großen Dank aus. Das Land Hessen habe schon viel Unterstützung geleistet, so Kostiuk. Das Gesamtvolumen der Hilfen belaufe sich auf etwa 12,5 Millionen Euro.
Blockheizkraftwerke wie das aus Kassel seien wichtig, weil in der Ukraine viel Infrastruktur zerstört sei. Das führe dazu, dass es in bestimmten Regionen keinen Strom gebe. Die gespendeten Kraftwerke machten Gemeinden und Städte unabhängig.
Uni: "Klimaschutz und gesellschaftliches Engagement"
Ersatz für das ausgemusterte Teil wird es in Kassel nicht geben. Das alte Erdgas-Kraftwerk direkt am großen Schornstein auf dem Campus wurde vor zwei Jahren abgeschaltet. Die Uni setzt mittlerweile komplett auf Fernwärme und verbessert nach eigenen Angaben so ihre CO2-Bilanz.
Mit der Aktion bringe man zwei Anliegen der Universität zusammen: "Klimaschutz und gesellschaftliches Engagement", teilt Kanzler Oliver Fromm mit. Auch Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) lobt die Aktion in Kassel. Sie sei "ein eindrucksvolles Beispiel für gelebte Solidarität und praktisches Engagement".
Wenn alles gut läuft, geht der LKW mit dem großen Kraftwerk, Pumpen, Schaltschränken und allen Einzelteilen am Donnerstag auf die Reise. Am Samstag soll er in der Ukraine ankommen. Hier wird er laut Jordan sehnsüchtig erwartet - und vom ersten Tag an die Energieversorgung vor Ort unterstützen.