Taube

Massenhaft tote Tauben machen der Stadttaubenhilfe in Kassel große Sorgen. Grund für das Vogelsterben soll ein Virus sein. Geforderte Impfungen hält das Umweltministerium für nicht realisierbar.

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Taubensterben in Kassel

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Für Bianca Thormann zeigt sich am zentralen Königsplatz in Kassel das Ausmaß des Problems. "Es ist dramatisch. Die Schwärme der Stadttauben haben sich sichtbar verkleinert", sagt sie mit Blick auf einige herumflatternde Vögel. Thormann habe von vielen Orten in der Gegend Fotos zugeschickt bekommen. Sie zeigen verendete Tauben.

Die Tierschützerin engagiert sich seit Jahren für die Stadttaubenhilfe in Kassel. Nach ihren Schätzungen ist in der Stadt gebietsweise bereits etwa die Hälfte der Tauben verendet. "Es müssen Hunderte sein." Wahrscheinlich liege die Zahl sogar im vierstelligen Bereich. In der Innenstadt und im Stadtteil Wesertor sei es besonders schlimm. Aber auch im benachbarten Niestetal (Kassel) seien tote Tiere gefunden worden.

"Tauben-Pest" für Mensch und Säugetier ungefährlich

Für das Vogelsterben soll die Krankheit Paramyxovirose (PMV) verantwortlich sein, erklärt die Stadttaubenhilfe. Das Virus führe bei den Vögeln zu Nervenschäden, Lähmungen und im schlimmsten Fall innerhalb weniger Wochen zum Tod - es könne aber auch milde Verläufe nehmen.

Das Virus - volkstümlich "Tauben-Pest" genannt - ist taubenspezifisch. Für Menschen und Säugetiere bestehe keine Ansteckungsgefahr, betont Thormann. Für die Tauben ist das seit Jahrzehnten bekannte Virus aber hochansteckend.

Labor-Ergebnisse stehen noch aus

Für das Umweltministerium in Wiesbaden ist es offiziell noch nicht bestätigt, dass es sich bei der Ursache für das Taubensterben um das Paramyxovirus (PMV) handelt. Von der Veterinärbehörde der Stadt Kassel wurden tote Tiere zur Untersuchung zum Hessischen Landeslabor geschickt. Der Verdacht auf PMV habe sich in diesen Fällen nicht bestätigt. Für Proben, die an das Friedrich-Loeffler-Institut weitergegeben wurden, liegen noch keine Ergebnisse vor, wie das Ministerium auf hr-Anfrage erklärte.

Das Virus ist in Europa weit verbreitet, erläuterte eine Ministeriumssprecherin. "Jedes Jahr treten punktuell Infektionen in wildlebenden Haustaubenpopulationen auch in Hessen auf." Aber auch andere bakteriell oder parasitär bedingte Krankheiten könnten immer wieder zu Todesfällen von wild lebenden Haustauben führen. Allerdings werde die örtliche Taubenpopulation dabei in der Regel nicht drastisch reduziert. In Kassel scheint das diesmal anders zu sein, wie es Taubenschützerin Thormann wahrnimmt.

Die Stadt Kassel teilte mit: Bei der Paramyxovirose der Taube handele es sich weder um eine anzeigepflichtige Tierseuche, noch um eine meldepflichtige Tierkrankheit. Sie werde dementsprechend nicht staatlich bekämpft und überwacht.

Schreckhaftes Verhalten - schiefer Kopf

Die Tiere infizieren sich über Kotausscheidungen, Augen-, Nasen- und Schnabelsekret, infiziertes Futter oder kontaminierten Federstaub, erklärte Thormann der HNA, die darüber bereits berichtete.

Zu erkennen sind erkrankte Tauben an ihrem schreckhaften Verhalten. Sie wirken desorientiert, halten mitunter den Kopf schief. Infizierte Tiere können schlecht oder kein Futter aufnehmen. "Am Ende verhungern sie qualvoll. Wenn sie nicht an Organversagen verenden", sagt Thormann.

NABU: Dezimierte Bestände erholen sich

Der Landesverband Hessen des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) ist hingegen weniger alarmiert. NABU-Vogelkundler Bernd Petri sagt, es sei nicht ungewöhnlich und entspreche dem natürlichen Kreislauf, dass solche Virusinfektionen mal zu einem größeren Taubensterben führten. "Nachdem sich die Bestände dezimiert haben, normalisiert sich das später auch wieder."

Thormann will dennoch nicht tatenlos zusehen. Sie kümmert sich seit einigen Jahren um erkrankte Tauben und versucht sie in Volieren wieder aufzupäppeln. Straßenhunde würde man ja auch nicht ihrem Schicksal überlassen, sagt sie. Aber Tauben hätten leider einen zu Unrecht schlechten Ruf, etwa als "Ratten der Lüfte". "Aber sie übertragen auch nicht mehr oder weniger Krankheiten als jeder Spatz."

Bianca Thormann hält eine Taube in den Händen

Thormann hätte am liebsten, dass Tauben in betreuten Taubenschlägen geimpft werden. Das sei auch gar nicht teuer. Laut Umweltministerium gibt es zwei mögliche Impfverfahren: Injektion unter die Haut oder die Aufnahme über das Trinkwasser der Tiere. "Beide Verfahren sind für frei lebende Stadttauben kaum praktikabel, da die Tauben alle eingefangen werden müssten, um eine regelmäßige Impfung sicherzustellen", erklärte eine Ministeriumssprecherin.

Private Taubenhalter sollten impfen

Private Taubenhalter, zum Beispiel von Brieftauben, sollten ihre Vögel aber impfen lassen, auch wenn die Impfung für Tauben nicht verpflichtend sei, empfiehlt das Ministerium. Der Wunsch nach Hilfe und Vorsorge für kranke Stadttauben sei verständlich. "Allerdings sind freilebende Tiere grundsätzlich Krankheitserregern ausgesetzt, vor denen sie nicht immer und vollkommen geschützt werden können."

Auch NABU-Fachmann Petri betonte: "Jeder Taube zu retten, ist rein praktisch nicht möglich - und auch gar nicht nötig."

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