Prozess in Fulda Kokain im Bettkasten: Wie zwei Halbgeschwister kiloweise Drogen vertickten
Eine junge Frau und ihr Halbbruder haben sich als Mitglieder einer Kokain-Bande verdingt: Sie organisierte Kurierfahrten, er stellte das Lager. Bei einem 30-Kilo-Deal aus Hamburg flog das Geschäft auf. Zum Prozess-Auftakt lieferten die beiden Osthessen Erklärungen - nicht alle wirkten glaubhaft.
Mit Geständnissen hat am Landgericht Fulda ein Prozess wegen Drogenhandels in größerem Stil begonnen. Die erst 21 Jahre alte Angeklagte aus Eiterfeld (Fulda) und ihr mitangeklagter Halbbruder räumten die Vorwürfe zum Verhandlungsauftakt am Montag weitgehend ein. "Ich will reinen Tisch machen", kündigte sie an.
Laut Anklage beteiligte sich die 21-Jährige als Mitglied einer Bande am Handel mit Kokain in nicht geringer Menge. Allein bei einer Fahrt, die sie zur Beschaffung organisiert haben soll, wurden 30 Kilogramm von einer Fahrerin von Hamburg nach Fulda gebracht. Diese Menge allein hat einen Straßenverkaufswert von knapp zwei Millionen Euro.
Der jungen Frau werden insgesamt 16 Taten in der Zeit von Ende September bis Ende Oktober 2024 vorgeworfen.
Bettkasten als Drogenlager genutzt
Neben ihr auf der Anklagebank sitzt ihr 40 Jahre alter Halbbruder. In seiner Wohnung in Hünfeld (Fulda) wurden die Drogen und Waffen deponiert.
Der Bettkasten in der Wohnung diente als Lager, aus dem Kokain-Pakete kiloweise raus und rein wanderten. Der Mann ist deswegen in 13 Fällen zur Beihilfe angeklagt.
Telefone überwacht
Die Polizei bekam Kenntnis von den Aktivitäten der Angeklagten, überwachte die Telefone der Verdächtigen und observierte sie.
Den Ermittlern bekannte Mitglieder der Bande waren noch drei Personen, die Kurierfahrten erledigten. Die beiden Frauen und der Mann lieferten die Drogen mit dem Auto in andere Städte aus.
Aufträge kamen per Messenger
Die 21-jährige Angeklagte soll für die Logistik und Organisation verantwortlich gewesen sein. Sie und die Fahrer bekamen ihre Aufträge von einem Kontakt per Messenger, wie die Angeklagte berichtete. Die Hintermänner der Bande habe sie nicht gekannt.
Nachdem die Kokain-Deals im Winter 2024 aufflogen, zeigte sie sich nun vor Gericht gesprächig und bemüht, die einzelnen, ihr vorgeworfenen Taten zu rekonstruieren. Doch nicht alle Äußerungen wirkten logisch.
Keine Geldsorgen, aber auch kein Reichtum
Laut Staatsanwaltschaft erschloss sich die Angeklagte, die als Tankstellen-Angestellte in Künzell (Fulda) arbeitete, durch den Kokain-Handel eine Einnahmequelle.
Die Frau betonte jedoch, sie habe keine finanziellen Sorgen gehabt. Sie habe mit dem Drogenhandel auch nicht das große Geld gemacht. Sie will nur kleinere Geldbeträge und Gefälligkeiten dafür erhalten haben.
Die Angeklagte fuhr aber eine auffällige Luxuskarosse. Den Wagen will sie zusammen mit ihrer Mutter finanziert haben. Die junge Frau lebte bis zur Festnahme bei ihren Eltern.
Angeklagte: Opfer von Gewalt und Drohungen
Wenn Geld nicht der Anreiz war, was war es dann? Sie habe keine Wahl gehabt und sich beteiligen müssen, behauptete sie. Sie sei unter Druck gesetzt und geschlagen worden.
Zudem sei ihr gedroht worden, dass ihren Eltern oder ihren Pferden etwas zustoßen könnte, wenn sie nicht mitspiele: "Ich hatte Angst vor den Menschen." Wer die Personen sind, die sie fürchtet, blieb offen.
Wie genau die Angeklagte den Weg in den Kokain-Handel fand, wurde ebenfalls nicht deutlich. Sie habe jemanden kennengelernt, der sie mit einem Handy für die Kommunikation ausgestattet und instruiert habe, so ihre Aussage.
Kurierfahrten in ganz Deutschland
Die Deals liefen häufig nach einem ähnlichen Schema ab, wie die Angeklagte beschrieb. Demnach erhielt sie von einem Messenger-Kontakt, den sie nicht persönlich gekannt habe, einen Auftrag für eine Auslieferung. Danach fuhr sie zu ihrem Bruder und holte Kokainpakete aus dem Bettkasten.
Anschließend traf sie sie sich mit ihrer Freundin, die sich als Kurierfahrerin anwerben ließ, auf einem Parkplatz. Die Fahrerin machte sich dann auf den Weg zur Zieladresse. Unter anderem ging es nach Gießen, Bad Hersfeld, Karlsruhe, Pforzheim oder Nürnberg. Zuweilen wurde auch mal Ware geholt, zum Beispiel aus Offenbach.
Einkaufstour aus Hamburg aufgeflogen
Bei der letzten großen Einkaufstour nach Hamburg wurde die Fahrerin aber von der Polizei festgenommen - mit 30 Kilogramm Kokain im Gepäck.
Die Angeklagte wurde daraufhin gewarnt und ließ das Drogenlager beim Halbbruder räumen. Das Kokain, zwei Schusswaffen und schusssichere Westen wurden daraufhin einem Komplizen in einem Waldstück bei Nüsttal (Fulda) übergeben, um sie verschwinden zu lassen.
Beim Räumen des Lagers half der Halbbruder. Ihm war dafür, dass er seine Wohnung als Umschlagplatz für Kokain zur Verfügung stellte, Geld versprochen worden. Von 1.000 Euro im Monat war die Rede. Wie viel Geld tatsächlich floss, blieb unklar.
Mit dem "Scheiß" eigentlich nichts zu tun
Der Mann stellte es in seiner geständigen Einlassung so dar, als habe er seiner verzweifelten Halbschwester nur helfen wollen. Der Lagerplatz fürs Kokain habe auch nur kurzzeitig zur Verfügung stehen sollen.
Er habe mit dem "Scheiß" eigentlich nichts zu tun haben wollen und sich auch fast gar nicht darum gekümmert, was alles zu welcher Zeit alles in seinem Bettkasten deponiert wurde, so seine Aussage.
Teils hohe Haftstrafen möglich
Der Mann muss sich auf eine Strafe von mindestens zwei Jahren einstellen. Seine Halbschwester, die als Rädchen im System für die Logistik zumindest mitverantwortlich war, muss im Falle einer Verurteilung mit mindestens fünf Jahren rechnen. Sollte bei ihr noch Jugendstrafrecht angewendet werden, sieht der Strafrahmen sechs Monaten bis zehn Jahre Gefängnis vor.
Der Prozess wird am 10. Juni fortgesetzt. Dann sollen unter anderen zwei Fahrerinnen und Komplizinnen als Zeuginnen aussagen, die sich in abgetrennten Verfahren verantworten müssen. Im Juli stehen dann noch vier weitere Prozesstage an.