Sanierungsstau Der Pleitegeier schwimmt in manchen Freibädern mit

Fast zwei Fünftel aller Freibäder in Deutschland gelten als dringend sanierungsbedürftig. Auch in Hessen müssten zahlreiche Anlagen dringend auf Vordermann gebracht werden. Es gibt da nur ein großes Problem.

Ein Becken eines Freibads mit türkisblauem Wasser und zwei Startblöcken mit roter Absprungflächen im Vordergrund. Im Hintergrund sind Bäume und Büsche zu sehen.
Das Schwimmbad Maaraue in Mainz-Kostheim. Bild © picture-alliance / Fredrik von Erichsen | Fredrik von Erichsen

Temperaturen über 30 Grad, schwüle Luft und lange Warteschlangen an den Kassen. Das vergangene Wochenende war ein erster Stresstest für die hessischen Freibäder. Sie sind neben Seen und Flussbadestellen die ersten Anlaufstellen für all jene, die im Sommer draußen Abkühlung suchen oder in den Ferien nicht ans Meer fahren können.

Doch zahlreiche Freibäder sind in die Jahre gekommen. Deutschlandweit sind laut einer Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) gut 38 Prozent der Freibäder sanierungsbedürftig. Das bedeutet: In den nächsten fünf Jahren müssen drängende Renovierungs- oder Neubauarbeiten geschehen, sonst drohen massive Einschränkungen des Betriebs.

Bereits zu Jahresbeginn warnte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) vor der Schließung hunderter öffentlicher Bäder, sollten es keine umfassenden Sanierungen geben. Drei Beispiele aus Hessen verdeutlichen die Herausforderungen, vor denen die Betreiber stehen.

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Freibad Maaraue in Wiesbaden: Alte Becken, leckende Rohre

Plätscherndes Wasser - eigentlich sollte das in einem Freibad niemanden beunruhigen. Doch im Freibad Maaraue im Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kostheim plätschert das kühle Nass nicht nur in die Becken, sondern leider auch aus den Rohren im Technikkeller. "Die Rohre sind undicht. Die Pumpen sind so alt, dass sie einfach fällig sind", sagt Badleiter Fabrizio Scotognella.

Die Maaraue ist eigentlich ein Highlight unter den hessischen Freibädern. Eine 50.000 Quadratmeter große Liegefläche, ein Schwimmer- und ein Nichtschwimmerbecken, eine Sprungbucht und ein sehr großer Planschbereich für die kleinen Badegäste.

Doch das Bad ist alt. 1965 wurde es eröffnet, die beiden großen Becken haben also schon 60 Jahre auf dem Buckel. Beide sind undicht, hinzu kommen Haarrisse in den Rohren der Wasseraufbereitung. "Mein Fazit ist definitiv, dass man hier einmal kernsanieren muss", sagt Fabrizio Scotognella.

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Wir alle kämpfen um dieselben Fördermittel. Zitat von Thomas Baum, Wiesbadener Bäderbetriebe
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Das soll 2026 passieren. Fünf bis sechs Millionen Euro werde die Sanierung kosten, schätzt der Leiter der Wiesbadener Bäderbetriebe, Thomas Baum. Baum setzt dabei auf eine Förderung durch das Schwimmbad-Investitions- und Modernisierungsprogramm (SWIM plus) des Landes Hessen.

Für die Jahre 2024 und 2025 sind dafür insgesamt 25 Millionen Euro im Landeshaushalt eingestellt. "Wir müssen abwarten, ob wir mitbedacht werden", räumt Baum ein. Schließlich gebe es in Hessen zahlreiche Freibäder, die sich in einer ähnlichen Situation befänden. "Und wir alle kämpfen natürlich um diese Fördermittel", so Baum.

Freibad Kirchhain: Hoffen auf Sondervermögen des Bundes

Eine große grüne Liegewiese in einem Freibad. Im Hintergrund ist ein langgezogenes Schwimmerbecken mit türkisblauem Wasser zu sehen.
Idyllischer Anblick: Das Freibad in Kirchhain. Bild © hr

Auch in Kirchhain im Kreis Marburg-Biedenkopf hofft man auf eine Förderung aus dem Landesprogramm. Das Freibad macht zwar einen idyllischen Eindruck: viel Grün, Schatten spendende Bäume und ein großes Becken zum Bahnenziehen oder Planschen.

Auch hier hat jedoch der Zahn der Zeit an der Anlage genagt, wie Kirchhains Bürgermeister Olaf Hausmann (SPD) erläutert: "Unser Freibad ist 1958 gebaut worden, das heißt, es geht auf die 70 Jahre zu. Und damit weiß man auch, dass hier ein relativ hoher Sanierungsbedarf besteht."

Auf rund sieben bis siebeneinhalb Millionen Euro beziffert Hausmann die dafür veranschlagten Kosten. Zu viel für die knapp 16.000 Einwohner zählende Kommune.

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Die nötige Sanierung ist über den normalen Haushalt der Stadt nicht abzuwickeln. Zitat von Olaf Hausmann, Bürgermeister von Kirchhain
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Auch das Förderprogramm SWIM plus helfe nur bedingt, sagt Hausmann. Der mögliche Förderbetrag sei auf eine Million Euro pro Schwimmbad gedeckelt. Übrig blieben in jedem Fall mehr als sechs Millionen Euro. "Das ist schwierig und eigentlich über den normalen Haushalt nicht abzuwickeln."

Hausmann setzt deshalb auf eine weitere Förderung durch den Bund. Vielleicht, so die Hoffnung, kommt ja etwas von dem Infrastruktur-Sondervermögen der Bundesregierung bei den Kommunen an. Von einer "Bundesmilliarde" für Sportstätten ist die Rede.

Panoramabad Großalmerode: Wiederaufbau eines Totalschadens

Ein Becken in einem stillgelegten Freibad. Das Wasser sieht dunkel aus. Auf der Liegewiese um das Becken wachsen Büsche. Am Becken steht eine kleine Rutsche.
Seit Corona baden hier nur noch Frösche: Blick auf das Freibad in Großalmerode. Bild © hr

Seit bald sechs Jahren ist das Freibad von Großalmerode im Werra-Meißner-Kreis geschlossen. Geschwommen wird darin dennoch. In einem der ursprünglich zwei Becken haben Frösche gelaicht, Große, dicke Kaulquappen wuseln durch das Wasser. Noch ein paar Wochen, dann werden die Tiere ihre Metamorphose abgeschlossen haben.

2020 wurde das Freibad im Zuge der Corona-Bekämpfung geschlossen - und nicht wieder geöffnet. Dabei gehört die Anlage von 1977 noch zu den jüngeren unter den hessischen Sanierungsfällen.

2028 sollen auch Menschen hier wieder Bahnen ziehen können. So beschloss es die Stadtverordnetenversammlung Mitte Mai.

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Wir werden das neue Bad auf jeden Fall nachhaltiger gestalten. Zitat von Volkan Basel, Förderverein Panoramabad Großalmerode
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Knapp fünf Millionen Euro soll die Wiederherrichtung des "Totalschadens", wie Volkan Basel es nennt, kosten. "Wir haben vor, das Ganze moderner zu machen und auf jeden Fall nachhaltiger zu gestalten und an die heutigen Anforderungen anzupassen", sagt der Vertreter des Fördervereins Panoramabad.

Es soll sich einiges tun: Aus den bislang zwei Becken, die sich auf unterschiedlichen Höhenebenen befinden, soll ein einziges gemeinsames Becken für Schwimmer und Nichtschwimmer werden. Gefiltert und wiederaufbereitet werden soll das Wasser über ein ökologisches Filtersystem, ganz ohne Chemie.

Eine Million Euro wird das Land über das Förderprogramm SWIM plus beisteuern, weitere 770.000 Euro kommen vom Bund. Den Rest müssen die Großalmeroder Steuerzahler selbst aufbringen. Dafür wird die Grundsteuer B um 100 Prozentpunkte erhöht.

Redaktion: Danijel Majić

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de/Frank Angermund/Ariane Wick; dpa/afx