Der Frankfurter Ex-Oberstaatsanwalt (2.v.l.) und der mitangeklagte Geschäftsmann (r.)  im Gerichtssaal

Der ehemalige Vorzeige-Ermittler der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt steht vor Gericht: Für Gutachten zum Thema Ärztebetrug soll er selbst die Hand aufgehalten haben. Leidtragende sind Ärzte und das Land Hessen.

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Prozessauftakt gegen Alexander B.

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Eine seltene Konstellation: ein Oberstaatsanwalt auf der Anklagebank - vor dem Landgericht Frankfurt hat am Freitag der Prozess gegen den Topjuristen Alexander B. begonnen. Er muss sich wegen gewerbsmäßiger Bestechlichkeit in 101 Fällen, schwerer Untreue und Steuerhinterziehung verantworten. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft. Zu Beginn der Hauptverhandlung wurde die 260 Seiten lange Anklageschrift verlesen.

B. galt als härtester Ermittler gegen Ärztebetrug in Deutschland. Nach seiner eigenen Verhaftung im Sommer 2020 kam heraus, dass er als Leiter der von ihm für die Bekämpfung von Betrug in der Medizin geschaffenen Zentralstelle bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt jahrelang selbst für Sachverständigengutachten geschmiert worden sein soll. Der Vorwurf der Untreue wurde am Freitag nachträglich als Verhandlungspunkt mit aufgenommen. Das Landgericht hatte zuvor die Staatsanwaltschaft mit Nachermittlungen dazu beauftragt.

Betrug von langer Hand geplant

Mitangeklagt ist ein Unternehmer aus dem Hochtaunuskreis, ein Freund von B. Dessen Firma soll von der hessischen Justiz insgesamt Aufträge in Höhe von insgesamt 12,5 Millionen Euro erhalten haben. B. soll zwischen 2015 und 2020 - dem Zeitraum, der noch nicht verjährt ist - rund 280.000 Euro Schmiergeld kassiert haben.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die beiden Angeklagten die Betrugsmasche von langer Hand planten. Demnach soll der Unternehmer bereits 2005 "unter Anleitung" des Beamten eine Firma gegründet haben, deren Zweck hauptsächlich darin bestand, Gutachten für die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft zu erstellen. Eine zweite Firma für IT-Forensik kam später hinzu.

Alexander B. galt als knallharter Ermittler

B. hatte in hunderten Fällen vermuteten Abrechnungsbetrugs von Ärzten ermittelt, er galt als knallhart. Zu spüren bekamen das Ärzte wie Peter Müller. Der hessische Arzt möchte anonym bleiben, sein Name wurde geändert. "Ich stand davor, alles zu verlieren. Nur durch die Unterstützung meiner Familie habe ich die Kraft behalten, das alles durchstehen zu können", sagt er heute.

Der damals niedergelassene Arzt war wegen des Verdachts falsch abgerechneter medizinischer Leistungen in das Visier der Generalstaatsanwaltschaft geraten. Um den komplizierten Abrechnungsbetrug nachzuweisen, beauftragte B. wie üblich externe Sachverständige mit Gutachten für die Ermittlungen.

Zehn Millionen Euro Schaden für das Land

Was Müller damals nicht wissen konnte: B. soll die Gutachteraufträge immer an die zwei Firmen seines Freundes vergeben und dafür Schmiergeld kassiert haben. Die meisten Ärzte akzeptierten den Strafbefehl aus Angst vor den hohen Gutachterkosten. Vermutlich aus diesem Grund fiel das Vorgehen von Alexander B. viele Jahre nicht auf. Nach Zahlung der Geldstrafe landeten die Unterlagen, die Auskunft über die Gutachterkosten geben konnten, im Archiv der Generalstaatsanwaltschaft und wurden vor Gericht nicht weiter kritisch überprüft.

Auf den Kosten für die eingestellten Ermittlungen blieb, wie in diesem Fall regelhaft, der Staat sitzen. Justizminister Roland Poseck (CDU) schätzt den Schaden für das Land Hessen nach eigenen Angaben auf zehn Millionen Euro. Für den Prozess gegen B. sind zunächst 22 Termine bis Ende März angesetzt, 26 Zeugen sind geladen.

Peter Müller weigerte sich, einen Strafbefehl zu akzeptieren. Sein Verfahren lief also weiter, und er wurde schließlich wegen Betrugs verurteilt. Die hohen Gutachterkosten musste er selbst bezahlen. Die Kosten und der Verlust der Zulassung, als Arzt eigenständig zu arbeiten, hätten ihn um seine Praxis und fast um seine Existenz gebracht, sagt er. Er hoffe nun, dass ihm der Prozess gegen B. helfe, menschlich über den Verlust hinweg zukommen.

Auch gegen zwei weitere Juristen wird ermittelt

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Korruptionsprozess gegen Oberstaatsanwalt beginnt in Frankfurt

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Bei den Ermittlungen gegen B. gerieten noch zwei weitere Juristen ins Visier der Staatsanwaltschaft Frankfurt. In einem Fall geht es um einen Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft. Er arbeitete lange eng mit B. zusammen und steht im Verdacht, Beihilfe zur Untreue begangen zu haben. Er wurde inzwischen vom Dienst suspendiert. Die Ermittlungen stünden kurz vor dem Abschluss, erklärt die Staatsanwaltschaft Frankfurt auf Anfrage.

Im zweiten Fall handelt es sich nach Angaben der Frankfurter Staatsanwaltschaft um einen Kollegen der eigenen Behörde, gegen den ebenfalls der Verdacht der Beihilfe zur Untreue besteht. Diesen Fall hat die Behörde wegen der Nähe zu ihrem eigenen Kollegen an die Staatsanwaltschaft Darmstadt abgegeben. Die dortigen Ermittlungen laufen noch.

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