Tote mit Down-Syndrom in Lauterbach Google-Übersetzer liefert belastende Beweise in Mordprozess
Im Mordprozess um eine getötete Frau war erstmals die angeklagte Vermieterin selbst zu hören. In stundenlangen Videoaufzeichnungen weist sie alles von sich. Erstaunlich ist, wie ihr die Ermittler auf die Spur kamen.
Seit Wochen verhandelt das Landgericht Gießen über den gewaltsamen Tod einer Frau mit Down-Syndrom. Am Montag waren in der Hauptverhandlung erstmals die Worte der angeklagten Frau zu hören.
Die 44 Jahre alte Frührentnerin aus Lauterbach (Vogelsberg) bezeichnete die Vorwürfe in einer Videovernehmung unter anderem als "Schwachsinnsscheiße" und wies jede Verantwortung für den Tod ihrer Mieterin zurück.
Konfrontiert mit der zerteilten Leiche in ihrem Keller, sagte sie demnach: "Das ist aber schön, ich kann Ihnen dazu nichts sagen." Es interessiere sie "einen Scheißdreck".
Anklage: Wochenlanges Martyrium
Die Frau steht seit Anfang Mai gemeinsam mit ihrem 58 Jahre alten Lebensgefährten vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden vor, ihre Mieterin wochenlang misshandelt, gedemütigt, isoliert und letztlich mit einer Überdosis Tabletten getötet zu haben.
Der Vorwurf lautet auf gemeinschaftlichen Mord durch Unterlassen sowie auf gefährliche Körperverletzung. Beide beteuern ihre Unschuld.
Frau schob Schuld auf andere
An einem früheren Verhandlungstag war schon die Videoaufzeichnung der polizeilichen Vernehmung des mitangeklagten Mannes im Gerichtssaal gezeigt worden. Er stritt darin den Mord ab, gab aber die Zerteilung der Leiche zu.
Am Montag folgten mehr als drei Stunden Videomaterial von den Vernehmungen der Frau. Sie hatte sich erstmals Anfang Juli 2024 geäußert, kurz nach dem Fund von Leichenteilen in einer Tonne im Keller des gemeinsam bewohnten Hauses in Lauterbach-Wernges. Ein weiteres Mal sagte sie im August aus.
Laut den Aufzeichnungen stritt die Frau vehement ab, irgendetwas mit dem Tod ihrer Mieterin zu tun zu haben. Stattdessen bemitleidete sie sich selbst, schob Schuld auf andere und erklärte mehrfach, die Vorwürfe gegen sie seien völliger Blödsinn.
Widersprüche in Aussagen der Angeklagten
Gleichzeitig verstrickte sie sich allerdings in mehreren offensichtlichen Lügen und Widersprüchen. Zunächst behauptete sie, das Opfer sei zu einem angeblichen neuen Freund nach Fulda gezogen und später mit diesem sogar noch mal auf den Hof zurückgekehrt.
Die Frau führte in der Vernehmung sogar vor, wie ihre Mieterin mit einem von ihr so bezeichneten "Watschellauf" das Haus verlassen habe. Das habe sie mit eigenen Augen gesehen. Tatsächlich lag zu diesem Zeitpunkt das Opfer längst tot im Keller, den neuen Freund gab es nicht.
In einer späteren Vernehmung änderte die Angeklagte ihre Darstellung. Nun räumte sie ein, die Mieterin sei doch bereits Ende Januar verstorben, habe die Tabletten aber selbst geschluckt. Die Schuld daran, dass kein Notarzt gerufen wurde, schob sie auf ihren Lebensgefährten, der sie bedroht habe.
"Sie muss weg"
Ihr eigenes Verhältnis zu ihrer Mieterin beschrieb die Angeklagte als fürsorglich. Sie sei für die Getötete "wie eine Schwester" gewesen.
Die Ermittler präsentierten vor Gericht jedoch Beweise, die diesen Schilderungen klar widersprechen. Zeugenaussagen und umfassende Handyauswertungen legen nahe, dass die Angeklagte ihre Mieterin vor deren Tod massiv körperlich und verbal misshandelte.
In den Handydaten fanden sich unter anderem Beleidigungen, in denen die Frau das Opfer als "Missgeburt" bezeichnete und davon sprach: "Sie muss weg." Zudem findet sich dort die Ankündigung: Sie werde ihr Tabletten geben, um ihre Ruhe zu haben.
Mehr als 23 Gigabyte an Daten gesichert
Was im Gerichtssaal durchaus für Überraschung sorgte: Besonders Daten aus dem Google Translator belasten die Vermieterin. Sie hatte die Übersetzungs-App intensiv genutzt, um mit einem rumänischen Mieter zu kommunizieren, der ebenfalls im Haus wohnte.
Die Ermittler konnten nicht nur auf die übersetzten Inhalte zugreifen, sondern auch auf über 17.000 originale Spracheingaben, die Google offenbar monatelang in der Cloud gespeichert hatte. Die übersetzten Aussagen konnten dadurch eindeutig der Stimme der Angeklagten zugeordnet werden.
In der Vernehmung hatte sie noch behauptet, ihr Lebensgefährte habe ihr Handy benutzt, die Worte seien nicht von ihr. Die Sprachaufnahmen belegten laut einer Polizistin, die am Montag aussagte, das Gegenteil. Insgesamt sichteten die Ermittler mehr als 23 Gigabyte an Daten aus ihrem Handy.
Verteidiger: Angeklagte in Vernehmungen gestresst
Die Verteidiger beider Angeklagten wiesen im Prozess darauf hin, ihre Mandanten seien bei ihren jeweiligen Vernehmungen in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen.
Die Anwältin der Angeklagten beantragte zudem, einen Teil der Vernehmungsvideos als Beweismittel auszuschließen. Sie begründete das damit, dass ihre Mandantin darin geäußert habe, sich psychisch nicht in der Lage für eine Aussage zu fühlen. Die Entscheidung des Gerichts dazu steht noch aus.
Der Prozess wird fortgesetzt. Aufgrund der umfangreichen Beweisführung wird er voraussichtlich noch Monate dauern.