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Was der Hanau-Ausschuss bislang offengelegt hat - und was nicht

Gedenken an die Opfer des rechtsextremistischen Anschlags in Hanau

Seit Ende 2021 versucht ein Untersuchungsausschuss im Landtag zu klären, ob Behörden beim Anschlag in Hanau versagt haben. Nun ist der Ausschuss auf der Zielgeraden. Was hat er bisher gebracht? Eine Zwischenbilanz.

Dreißigmal haben sie sich bisher getroffen, 67 Zeugen und zehn Sachverständige befragt, unzählige Akten gelesen. Sie haben sogar den Generalbundesanwalt verklagt, um zusätzliche Akten zu bekommen – und gewonnen. Die Abgeordneten haben sich ins Zeug gelegt, das kann man sicher feststellen, beim sogenannten "UNA 20 - Zwei", dem Hanau-Untersuchungsausschuss des Landtags. Die Erwartungen der Angehörigen der Opfer des Anschlags waren aber auch groß. Am 19. Februar sind es genau drei Jahre her, dass ein 43-jähriger Mann neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen.

"Wir wollen Aufklärung, damit wir mit dieser Sache abschließen können", sagte Çetin Gültekin, der seinen Bruder bei dem Anschlag verloren hat. Die Angehörigen wurden im Ausschuss ebenfalls gehört. Sie kamen als Zeugen, hatten aber selbst viele Fragen. Als eine der ersten kam Vaska Zladeva, eine Cousine des getöteten Kaloyan Velkov. Sie sagte:  "Ich hoffe, bald kommt alles raus." 

Die Landtagsabgeordneten wissen: Sie müssen liefern, auch um die verletzten Seelen zu heilen. Sie wissen auch: Leicht wird das nicht. Zehn Punkte umfasst der Auftrag des Ausschusses, besonders spannend drei davon: Notruf, Notausgang und der Umgang mit den Angehörigen. 

War der Umgang mit den Angehörigen angemessen? 

Die Angehörigen bekamen die Todesnachricht als Gruppe, die Namen der Toten wurden ihnen vorgelesen. Zunächst erfuhren sie nicht, wo die Leichname der Getöteten waren und dass diese obduziert wurden, obwohl sie dem zuvor nicht zugestimmt hatten.

Das habe sich angefühlt wie ein zweiter Mord, sagen einige Angehörige. Es brauche deswegen viel Fingerspitzengefühl, gerade bei den Sitzungen zu diesem Thema, so der Ausschussvorsitzende Marius Weiß (SPD): "Ich habe extra einen Sanitäter bestellt, falls einige Angehörige Schwierigkeiten haben, das alles zu verkraften", sagt er. "Die Sitzung zu diesem Thema ging sicher nicht nur den Angehörigen, sondern auch allen anderen ganz schön an die Nieren." 
 
Wie die Angehörigen vom Tod ihrer Lieben erfuhren, sei nicht optimal gewesen, geben auch Polizisten im Ausschuss zu. Vanessa Gronemann von den Grünen: "Es ist vor allem wichtig, dass sowohl die Polizei als auch alle anderen geschult werden im Umgang mit Geschädigten und Opfern. Sie müssen wissen, was diese Personen brauchen, damit man ihnen beistehen kann."
 
Die Polizei hat bereits reagiert: In Zukunft sollen in solchen Fällen beispielsweise psychologische Fachkräfte hinzugezogen und Beamte besser geschult werden. 

Starben Menschen, weil der Notruf nicht richtig funktionierte? 

Viele Anrufer kamen in der Tatnacht beim Notruf nicht durch, so auch Vili Viorel Păun, der mit seinem Auto den Täter verfolgte und schließlich erschossen wurde. Wäre er durchgekommen, würde er noch leben, sagt sein Vater. Denn der Notruf in Hanau war nicht nur unterbesetzt, sondern auch technisch veraltet.

Das gibt auch der Innenminister im Landtag zu. Die Polizei sei zwar schnell und innerhalb von Minuten am Tatort gewesen. Aber: "Es ist richtig, dass die Polizeistation in Hanau nur eine begrenzte Zahl von Notrufen entgegennehmen konnte", so Peter Beuth (CDU). "Ein notwendiger Modernisierungsschritt war schon angestoßen, aber aufgrund baulicher und technischer Voraussetzungen noch nicht vollendet worden." 
 
Inzwischen ist eine neue Anlage installiert. Kommen zu viele Notrufe an, werden diese nun umgeleitet statt abgewiesen. Aber hätte diese Technik Tote verhindern können? Eine Polizistin und ein Staatsanwalt bezweifeln das im Ausschuss, die Frage bleibt offen. Frustrierend für die Angehörigen.  

Starben Menschen, weil ein Notausgang verschlossen war? 

Das treibt viele Angehörige um. Hätten Opfer sich retten können? Ja, sagt die britische Rechercheagentur Forensic Architecture. Und die CDU kritisiert: Die Bauaufsicht in Hanau hätte mehr tun können, ja müssen, damit der Notausgang immer offen ist. Doch ein Behördenfehler? Hanaus Oberbürgermeister widerspricht als Zeuge im Ausschuss: "Das ist eine Notausgangstür, die hat offen zu sein!", sagt Claus Kaminsky (SPD). "Das ist zunächst einmal die absolute Verantwortung des Betreibers." 
 
Dieser aber spielt den Ball weiter: Die Tür sei nicht verschlossen gewesen, sie habe nur geklemmt. Am Ende lässt sich vermuten, aber nicht zweifelsfrei beweisen, dass die Tür verschlossen war.  

Untersuchungsausschuss hat nicht mehr viel Zeit

Die Ergebnisse sind aus Sicht der Angehörigen sicher mager. Und: Noch sind einige der zehn Fragen aus dem Auftrag des Ausschusses offen, beispielsweise ob es Versäumnisse beim Polizeieinsatz am Täterhaus gegeben hat und wenn ja, welche.

Inzwischen drängt die Zeit: Untersuchungsausschüsse sind an die Legislaturperiode gebunden - und im Oktober wird neu gewählt. 

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