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Wie soll die Bezahlkarte für Geflüchtete in Hessen funktionieren?

Eine Kundin nimmt in einem Berliner Supermarkt Waren vom Band an der Kasse, nachdem eine Kassiererin die Waren gescannt hat.  (dpa)

Die Bezahlkarte für Geflüchtete ist beschlossene Sache. Über die Details können die Bundesländer selbst entscheiden. Die schwarz-rote Koalition in Hessen hält sich bedeckt - im Gegensatz zur grünen Landtagsfraktion. Ihr Vorschlag könnte die eigenen Parteifreunde im Bund in Zugzwang bringen.

Es ist eine Diskussion, die schon seit der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1993 immer wieder aufgekommen ist: Sollten Schutzsuchende in Deutschland eher Bargeld oder Sachleistungen bekommen? Im Grunde scheint diese Frage mit der geplanten Bezahlkarte, die ab Sommer in ganz Deutschland kommen soll, abgehakt.

Doch der Teufel steckt im Detail. Und wenn es nach der oppositionellen Grünen-Fraktion im hessischen Landtag geht, ist die schwarz-rote Regierungskoalition nicht gerade detailverliebt.

"Wir müssen den Status des Sprücheklopfens beenden", konstatiert der Fraktionschef der Grünen, Mathias Wagner. Er fordert die Landesregierung auf, einen konkreten Vorschlag zur Umsetzung der Bezahlkarte in Hessen vorzulegen.

Bundesländer entscheiden über Karten-Funktionen

Anfang November einigten sich die Länderchefs gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf die "Einführung von bundeseinheitlichen Mindeststandards". 14 der 16 Bundesländer wollen gemeinsame Sache machen, nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern haben eigene Ausschreibungen geplant.

Über das Grundprinzip der Bezahlkarte sind sich alle einig: Geflüchtete sollen das Geld, das ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zusteht, nicht mehr überwiegend in bar ausgezahlt bekommen, sondern als Guthaben auf einer Karte. Mit ihr sollen sie in Geschäften ähnlich wie mit einer EC-Karte zahlen können.

Ob aber die Karte bundesweit, nur regional oder sogar auf bestimmte Geschäfte beschränkt einsetzbar sein wird, darüber können die Länder individuell entscheiden. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hatte in der Vergangenheit bereits angedeutet, dass eine eingeschränkte Nutzung denkbar sei.

Grünen fordern Bargeld-Anteil

Die Grünen haben andere Vorstellungen: So soll die Karte überall in Deutschland gültig sein, Beschränkungen auf bestimmte Geschäfte lehnen sie ab. Geld ins Ausland zu überweisen, soll aber nicht möglich sein. Zwar bezweifeln die Grünen, dass weniger Bargeld Menschen davon abhalten werde, aus ihrer Heimat nach Deutschland zu flüchten. Allerdings wolle man "dem Geschäftsmodell der Schlepper auch keinen Vorschub" leisten, bekräftigt die Fraktion.

In der Tat ist ein Argument der Befürworter der Bezahlkarte, dass durch sie nicht nur die Kommunen bürokratisch entlastet werden könnten, auch so genannte Pull-Faktoren könnte die Karte mindern. Komplett auf Bargeld zu verzichten, das geht allerdings auch nicht, wie die Grünen finden.

"Nicht jede Kleinigkeit kann überall mit Karte bezahlt werden", so Wagner. Deshalb müsse ein gewisser Betrag als Taschengeld in bar abgehoben werden können. Wie viel? Darüber müsse verhandelt werden. Damit ist der Vorschlag der Grünen in diesem Punkt weniger konkret als das, was Ministerpräsident Rhein zuletzt als denkbar in den Raum geworfen hatte, nämlich 100 bis 150 Euro.

Offen für bundesweiten Rahmen 

Zuletzt gab es innerhalb der Ampel-Regierung im Bund außerdem Streit darüber, ob für die Bezahlkarte das Asylbewerberleistungsgesetz an entscheidender Stelle geändert werden müsse. Aktuell ist dort geregelt, dass Geldleistungen Vorrang vor Sachleistungen haben. Um nach Einführung der Bezahlkarte mögliche Klagen zu verhindern, sind SPD und FDP für eine Gesetzesänderung, die Grünen dagegen. Sie finden, der rechtliche Rahmen reiche aus.

Die hessischen Grünen sehen das zwar ähnlich, zeigen sich aber gesprächsbereit: "Falls ein bundesweiter Rahmen dennoch als hilfreich angesehen wird, sind wir dafür offen", so Wagner. Heißt konkret: Im Gegensatz zur Bundestagsfraktion würde die Landtagsfraktion eine Gesetzesänderung hinnehmen, um die Einführung der Bezahlkarte nicht unnötig hinauszuzögern.

Ministerpräsident Rhein forderte zuletzt von Kanzler Scholz ein Machtwort, um die Grünen im Bund davon zu überzeugen, ihre Blockade-Haltung aufzugeben. Die Ansicht der hessischen Grünen könnte Rhein nun als Argument nutzen, um weiter Druck auszuüben.

Bislang keine Details aus der Landesregierung

Wahrscheinlich wird die Bezahlkarte schon beim nächsten Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Scholz am 6. März Thema sein. Bis dahin fordern die hessischen Grünen die Landesregierung auf, die eigene Position klarzuziehen.

Auf hr-Anfrage im zuständigen Sozialministerium hieß es dazu am Dienstag: "Detailfragen wie die der Ausgabe der Karten oder der Höhe der verfügbaren Bargeldsumme" auf Landesebene könnten erst nach Ende der Ausschreibung angestoßen werden.

Im Landtag stießen die Pläne zur Bezahlkarte bislang weitestgehend auf Zuspruch. FDP und AfD halten sie für sinnvoll. Ähnlich sieht es der Landkreistag. Der hessische Flüchtlingsrat glaubt wiederum, man verspreche sich zu viel davon. Die Menschen kämen nach Deutschland, weil sie vor Verfolgung und Krieg fliehen, nicht wegen der Sozialleistungen.

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