Andrea Ypsilanti im September 2018 im Landtag. 20 Jahre lang war sie Abgeordnete.

Beinahe wäre sie 2008 Hessens erste Ministerpräsidentin geworden. Nun verlässt die frühere Vorsitzende der Hessen-SPD, Andrea Ypsilanti, ihre Partei. Anlass ist der EU-Kompromiss über den Umgang mit Asylsuchenden. Die SPD sprach von einer "Entfremdung".

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Ex-Hessen-SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti verlässt Partei

hs
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Jahrzehntelang war die SPD die politische Heimat von Andrea Ypsilanti, nun verlässt die 66-Jährige die Partei.

In ihrem Austrittsschreiben heißt es im Bezug auf den Asyl-Kompromiss der EU-Innenminister vom Donnerstag, ihr fehle die Hoffnung, dass die SPD ihren noch nicht eingelösten historischen Auftrag erfüllen will. Dabei gehe es darum, dass alle Menschen gleich sind - "auch jene, die aus Not und Verzweiflung versuchen, in Europa Sicherheit zu finden."

"Nicht dein Ernst"

Bei Twitter hatte Ypsilanti am Donnerstag den Asyl-Kompromiss kritisiert. Die Entscheidung sieht deutlich verschärfte Regelungen für Flüchtlinge vor. Für Deutschland war die Bundesinnenministerin und hessische SPD-Vorsitzende Nancy Faeser an den Verhandlungen beteiligt.

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"Nicht dein Ernst", kommentierte Ypsilanti samt Wut-Emoji einen Tweet Faesers, in dem diese die Entscheidung als "historischen Erfolg" beschrieb - "für neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten".

In Ypsilantis Austrittsschreiben ist weiter zu lesen, die von Faeser getragene Entscheidung lasse sie "ohnmächtig und sprachlos" zurück. Die neuen Regelungen würden "noch schlimmeres Elend zur Folge haben", und er werde von jenen politischen Kräften bejubelt, "gegen die zu kämpfen die Sozialdemokratie angetreten ist".

Parteilinke mit politischer Berg- und Talfahrt

Schon als Studentin war Ypsilanti den Sozialdemokraten beigetreten, war Landesvorsitzende der Jusos und Referatsleiterin unter dem damaligen hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD). 1999 wurde die Rüsselsheimerin erstmals in den Landtag gewählt und war ab 2003 SPD-Landesvorsitzende.

Bei der Landtagswahl 2008 wurde Ypsilanti Spitzenkandidatin der SPD und bescherte der Hessen-CDU unter Roland Koch eine schwere Wahlniederlage. Ypsilanti wollte eine knappe rot-rot-grüne Mehrheit bilden, obwohl sie eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei zuvor ausgeschlossen hatte.

Ein Wortbruch, dem eine historische Pressekonferenz folgte: Vier SPD-Abgeordnete kündigten an, Ypsilanti nicht zur Ministerpräsidentin zu wählen. Der Rest ist Geschichte: Bei der Neuwahl zwei Monate später jubelte wieder die CDU, Ypsilanti zog sich von führenden Ämtern zurück.

Bis 2018 blieb sie Landtagsabgeordnete und stets eine Stimme für linke Ansichten. Bis heute gehört sie zum Vorstand des Instituts für solidarische Moderne, das sich selbst als politisch linke Denkfabrik beschreibt.

SPD: "Entfremdung in den letzten Jahren"

Hessen-SPD-Generalsekretär Christoph Degen sagte am Montag in Wiesbaden, er bedauere Ypsilantis Parteiaustritt. Ihre Expertise in Migrationsfragen werde fehlen. Degen sprach von einer "Entfremdung in den letzten Jahren" zwischen Ypsilanti und der Partei.

Er könne sich an keine Begegnung mit Ypsilanti in den vergangenen Jahren erinnern. "Ihr Austritt war wohl ein schleichender Prozess", sagte Degen. Der Asyl-Kompromiss vergangene Woche sei "eher das i-Tüpfelchen" gewesen.

Faeser wird am Samstag Spitzenkandidatin

Am Samstag will sich die von Ypsilanti kritisierte Nancy Faeser bei einem Parteitag in Hanau offiziell zur SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Oktober wählen lassen. Nach Ypsilantis Kandidatur vor bald 15 Jahren sind das aber auch die einzigen Gemeinsamkeiten der beiden SPD-Frauen. Die Juristin Faeser schlug schon vor ihrem Amt als Bundesinnenministerin einen anderen politischen Kurs ein als die Diplom-Soziologin Ypsilanti.

Der Parteiaustritt von Ypsilanti kann Faeser nur ungelegen kommen, so wird er wohl beim Parteitag alle Aufmerksamkeit auf eine Frage lenken, die die SPD spaltet: Wie ist mit Geflüchteten umzugehen? Faesers Asyl-Kompromiss wird nicht nur von Ypsilanti kritisiert.

Drei Ex-Landtagsabgeordnete schreiben offenen Brief

Die drei früheren SPD-Landtagsabgeordneten Gerhard Merz, Ernst-Ewald Roth und Corrado Di Benedetto forderten von Faeser am Freitag in einem offenen Brief "aus tiefer Sorge", die geplanten Regelungen zu stoppen, "die wir als eine Gefährdung der Menschenrechte von Asylsuchenden und vor allem als zutiefst inhuman empfinden".

Auch aus Reihen der Jusos ist Kritik an den verschärften Regelungen zu hören. Möglicherweise möchte der Parteinachwuchs diese Kritik beim Parteitag direkt an Faeser richten.

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