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Ex-AWO-Chefin entlastet Peter Feldmann

Ex-AWO-Chefin Richter auf dem Weg zur Zeugenaussage.

Im Korruptionsprozess gegen den abgewählten Frankfurter OB Peter Feldmann sagte jetzt die Ex-Geschäftsführerin der AWO Wiesbaden aus. Als eine der zentralen Figuren in der AWO-Affäre zeichnete sie ein wenig schmeichelhaftes Bild des Angeklagten - und entlastete ihn zugleich.

Manchmal reichen drei Buchstaben, um die Selbstwahrnehmung eines Menschen zusammenzufassen. "Wenn Sie sagen 'wir', dann meinen Sie..." Die Vertreterin der Frankfurter Staatsanwaltschaft überlässt es der Zeugin, den Satz zu vervollständigen. Hannelore Richter denkt ein kurzen Moment nach. Dann antwortet sie mit forscher Selbstverständlichkeit: "Ich".

Der Dialog fasst prägnant zusammen, was die mehrstündige Aussage der ehemaligen Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Wiesbaden schon verdeutlicht hat: Hannelore Richter hatte in ihrem Kreisverband in fast allen Belangen das letzte Wort. Sei es dass es um Anstellungen, Anschaffungen oder die Höhe von Vergütungen ging. Eine dieser Entscheidungen beschäftigt seit mehr als einem Monat die Wirtschaftsstrafkammer des Frankfurter Landgerichts: Die Anstellung der späteren Ehefrau des abgewählten Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann als Leiterin einer deutsch-türkischen Kindertagesstätte im Jahre 2015.

Eine Zeugin will aussagen

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Anstellung der damaligen Lebensgefährtin Feldmanns seitens der AWO nicht ohne Hintergedanken erfolgte. Es habe eine "stillschweigende Unrechtsvereinbarung" gegeben, wonach Feldmann im Gegenzug die Belange der AWO wohlwollend berücksichtigen werde. Auch sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AWO für Feldmann 2018 Wahlkampfsspenden eingeworben haben.

Die Vorwürfe gegen Feldmann sind derweil nur ein Bruchteil der sogenannten AWO-Affäre, die sich um Betrug und Untreue in Millionenhöhe dreht. Im Mittelpunkt des Skandals stehen Hannelore Richter und ihr Ehemann Jürgen, die als Geschäftsführer der AWO-Kreisverbände Wiesbaden und Frankfurt zahlreiche Gefolgsleute mit einträchtigen Posten versorgt und auch selbst mitkassiert haben sollen.

Hannelore Richter ist bereits wegen Betrugs in Millionenhöhe angeklagt. Weitere Ermittlungsverfahren unter anderem im Zusammenhang mit der vermeintlichen Vorteilsgewährung an Feldmann sind noch anhängig. Richter stünde in diesem Prozess damit eigentlich ein vollumfängliches Zeugnisverweigerungsrecht zu. Doch darauf verzichtet sie: "Dann wäre ich heute nicht gekommen. Ich will aussagen."

Lange Bekanntschaft

Was folgt ist ein vierstündiger Auftritt, wie man ihn vor Gericht nicht jeden Tag erlebt. Gerade in Strafprozessen treten die meisten Zeuginnen und Zeugen zurückhaltend bis eingeschüchtert auf, selbst wenn nicht gegen sie ermittelt wird. Richter hingegen, die ihr Auftreten selbst als "burschikos" beschreibt, trägt ihre teils weit ausschweifenden und detailreichen Einlassungen mit fester Stimme vor, vervollständigt Sätze des Vorsitzenden Richters und beantwortet manche Frage, noch bevor sie zu Ende gestellt wurde.

Breiten Raum nimmt dabei an diesem Mittwoch ihr Verhältnis zu Peter Feldmann ein. Dass dieses nicht von gegenseitiger Sympathie geprägt gewesen ist, daran lässt Richter wenig Zweifel. Kennengelernt habe man sich bereits 1975 in der Sozialistischen Jugend Deutschlands - die Falken. Eine Freundschaft sei daraus aber nie entstanden. Nachdem sie und ihr Mann jahrelang von Feldmann nichts gehört hätten, habe dieser sich 2008 an sie gewandt, weil er eine neue Arbeitsstelle suchte.

In der anschließenden Anstellung Feldmanns bei der AWO-eigenen Johanna-Kirchner-Stiftung sehen sowohl Kritiker als auch Ermittler den Beginn einer auf gegenseitiger Begünstigung beruhenden Beziehung zwischen der AWO-Führung und dem späteren OB. Richter betont jedoch, dass sie alles andere als zufrieden mit Feldmanns Arbeit gewesen sei. Als Leiter eines Altersheims habe er sich nicht bewährt und sei vor allem durch Unpünktlichkeit aufgefallen, so Richter. Nach zwei Jahren sei er dann auf die neugeschaffene Stelle eines Belegungsmanagers gesetzt worden. Auch hier sei er nicht besonders erfolgreich gewesen, betont Richter.

"Du Würstchen wirst niemals Oberbürgermeister"

Richter betonte, dass die Stelle des Belegungsmanagers nicht - wie in Medienberichten teilweise kolportiert - ausschließlich für Feldmann geschaffen worden sei. Auch wenn sie nach seinem Wahlsieg nicht neu besetzt worden sei. Bezeichnend für ihr Verhältnis sei ihre Reaktion gewesen, als Feldmann ihr und weiteren Mitarbeitern mitteilte, dass er als Oberbürgermeisterkandidat der SPD antreten wolle. "Du Würstchen wirst niemals Oberbürgermeister", will Richter ihm entgegnet haben.

Es ist alles andere als ein schmeichelhaftes Bild, dass Richter von Feldmann zeichnet. "Wir waren immer Genossen, aber privat waren wir nie Leute, die sich besonders gemocht hätten." Feldmann sei zwar ein engagierter Sozialpolitiker, er weigere sich aber in persönlichen Beziehungen Verbindlichkeiten einzugehen. Eines jedoch sei er nicht: korrupt. "Er würde nicht mal eine Büroklammer mitnehmen aus Angst, dass man ihm das vorwerfen kann", sagte Richter. "Gut, er hat halt nach ganz anderen Dingen gegriffen."

Richter spielt mit dem Satz auf das Liebesleben Feldmanns an, das von ständig wechselnden Beziehungen geprägt gewesen sei. Als sie 2014 die damalige Lebensgefährtin Feldmanns Zübeyde T. kennengelernt habe, sei sie nicht auf die dee gekommen, dass er diese eines Tages ehelichen würde. Daher sei es auch falsch davon auszugehen, dass sie versucht habe, über die Anstellung T.s auf Feldmann Einfluss zu nehmen.

Anstellung der Ehefrau kein Gefallen für Feldmann

Vielmehr habe sie Zübeyde T. eingestellt, weil sie bei einem gemeinsamen Mittagessen 2014 von ihrem Auftreten und ihrer Eloquenz begeistert gewesen sei. Hinzu hätten ihre Sprachkenntnisse und ihr kultureller Hintergrund sie als ideale Kandidatin für die Leitung der deutsch-türkischen Kita "Dostluk" erscheinen lassen. Ihre Anstellung habe sie daher selbst veranlasst, betont Richter.

Die überaus hohe Vergütung für Zübeyde T. rechtfertigte Richter mit der besonderen Bedeutung der Kita als "Leuchtturmprojekt", ein Modell, das auch in andere Städte exportiert werden sollte. Im Bewerbungsgespräch habe sie T. ein Festgehalt von 4.300 bis 4.500 Euro zugesagt. Auch die Bereitstellung eines Dienstwagens sei angesichts der zahlreichen Termine, die T. hätte wahrnehmen sollen, "absolut angemessen" gewesen.

Dass Zübeyde T. zusätzlich noch einen Mini-Job bei der AWO Wiesbaden hatte, den sie vergütet bekam, ohne dafür zu arbeiten, sei ein Fehler gewesen, betonte Richter. Sie habe schlicht vergessen, den Vertrag zu beenden, nachdem eine ursprünglich geplante Tätigkeit nicht zustande gekommen sei.

Das Bild einer Alleinherrschaft

Richters Erklärungen zielen darauf ab, sich und Feldmann zu entlasten. Letzteren nur nebenbei. Das Bild, dass sie dabei quasi im Vorbeigehen von der AWO im Rhein-Main-Gebiet zeichnet, ist das einer Alleinherrschaft ihrerseits. Richter, so viel ergibt sich aus ihren Erzählungen, konnte Stellen quasi nach Belieben schaffen, Minijobs verteilen und Gehälter nach eigenem Gutdünken anpassen. Ob sie damit gegen geltendes Recht verstoßen hat, müssen die Gerichte klären.

Für den Prozess gegen den geschassten Frankfurter Oberbürgermeister sind aber vor allem zwei Dinge von Belang: die Schilderung des Beziehungsgeflechts zwischen Feldmann, Zübeyde T. und den Richters deckt sich weitgehend mit dem, was der Angeklagte und weitere Zeugen geschildert haben. Und Richter betonte, dass Feldmann ihres Wissens nach nie zugunsten ihres Sozialverbands in die Stadtpolitik eingegriffen habe. Feldmann habe der "AWO nicht das Schwarze unter den Fingernägeln" gegeben.

Es waren nicht die letzten Ausführungen der ehemaligen AWO-Chefin vor dem Frankfurter Landgericht. Am 30. November soll sie weiter vernommen werden. Einen ersten juristischen Erfolg können sie und ihr Ehemann jedenfalls schon feiern. Am Mittwochmittag entschied das Frankfurter Arbeitsgericht, dass das Ehepaar seinem ehemaligen Arbeitergeber keinen Schadensersatz zahlen muss. Die AWO hatte auf Erstattung von 1,8 Millionen Euro geklagt.

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