Norbert Kartmann

Der Wetterauer CDU-Politiker Norbert Kartmann verlässt Ende des Jahres den hessischen Landtag. Niemand war länger Parlamentspräsident.

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Norbert Kartmann verabschiedet sich

hs
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Wenn der Plenarsaal im Tumult unterging, kamen die Sternstunden des Landtagspräsidenten Norbert Kartmann. "Das ist kein Karnevalsverein", schimpfte er dann und erteilte kollektiv dem ganzen Haus eine Rüge "für despektierliches Verhalten." Schon war Ruhe.

Ob Glückwünsche oder Fußball-Ergebnisse der Landtags-Elf, die Mitteilungen zu Beginn eines jeden Sitzungstages machte Norbert Kartmann auch schon mal zum Comedy-Stand-Up.

2003 wurde der CDU-Politiker Präsident des hessischen Landtags. Er blieb es 16 Jahre lang, länger als jeder andere. Ein harter Job im "härtesten Parlament Deutschlands", wie es lange hieß. Den Präsidenten-Posten gab der 73-Jährige bereits im Jahr 2019 ab. Zum Jahreswechsel legt er nun aus gesundheitlichen Gründen auch sein Direktmandat als Abgeordneter nieder, der frühere Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) gibt dafür sein Comeback im Landtag.

Kartmann: "Ich kann ja nicht rumbrüllen"

"Natürlich hatte ich auch mal Wut, aber ich kann ja nicht rumbrüllen", sagt Norbert Kartmann im Rückblick auf seine Zeit an der Spitze des Parlaments. Er sei nicht der Typ gewesen, der den starken Mann raushängen ließ – so beschreibt er seinen Führungsstil der Debatten.

"Man muss zuhören, wenn es wichtig ist, und auch weghören können, um eine Debatte laufen zu lassen" – das sind laut Kartmann die zwei Grundgesetze eines Sitzungspräsidenten. Und mit Humor sei mancher Streit im Landtag besser zu ertragen. Da half es, dass Kartmann gerne lacht, einmal war er auch Prinz an Fastnacht.

Im Klassenzimmer trainiert

Das Rüstzeug für den Führungsposten im Parlament holte sich Kartmann in seinem ursprünglichen Beruf: Als Haupt- und Realschullehrer musste er Schulklassen ruhig bekommen. Es gebe erstaunlich viele Parallelen.

Der CDU-Mann aus Butzbach in der Wetterau kam erstmals 1982 in den Landtag – zusammen mit den ebenfalls neuen Grünen. Die beiden Parteien schenkten sich nichts. "Den Grünen ging es darum, uns nervös zu machen", meint Kartmann.

Für den erbitterten Schlagabtausch am Rednerpult lieferte die hessische CDU ihren Gegnern zur Jahrtausendwende vor allem mit ihrer Spendenaffäre reichlich Material. In dieser Krisenzeit, in der sich das Klima im Parlament schwer vergiftete, stieg Kartmann zum Fraktionschef auf. Seine Aufgabe: die Fraktion zusammenzuhalten, die unter dem Skandal auseinanderzubrechen drohte. Er selbst sei all die Zeit völlig sauber geblieben, habe sich aber als neuer Fraktionschef tief einarbeiten müssen. "Ich wusste alles!"

Als die CDU lernte, Fehler einzugestehen

Ein unrühmlicher Höhepunkt der Krise wurde für die CDU-Landtagsfraktion eine denkwürdige Debatte im Herbst 2000: Ein Unions-Abgeordneter ätzte gegen den damals noch jungen Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir. "Geh‘ zurück nach Sana‘a", womit er auf die jemenitische Herkunft von dessen Vater anspielt.

Kartmann musste ran. "Ich war nervös", beschreibt er heute diese Szene, "aber am Rednerpult wurde ich ganz ruhig." Dort entschuldigte er sich bei Al-Wazir. Fehler einzugestehen, das war die CDU zu dieser Zeit gar nicht gewohnt.

Den eigentlichen, damals nicht zu ahnenden Wandel sollte Kartmann später auch noch mitgestalten: Seit 2013 regierte eine bundesweit als Modell geltende schwarz-grünen Koalition in Hessen.

Härtestes Parlament Deutschlands weichgespült

Aber erst einmal bekam Kartmann seinen Traumjob. 2003 wählten alle vier damaligen Landtagsfraktionen Kartmann zu ihrem Präsidenten: CDU, SPD, FDP und Grüne, ohne Gegenstimme. Diesen Tag beschrieb er später als den schönsten in seinem politischen Leben. "Ich hatte keine Feinde", sagt Kartmann.

Bedingt durch neue Koalitionen, aber auch durch Kartmanns Sitzungsleitung wurden die Debatten ruhiger. Proteste auf den Besuchertribünen ahndete er konsequent mit Hausverboten. Kritisiert wurde Kartmann aber auch - etwa weil er Petitionen anders als seine Vorgänger nicht mehr persönlich entgegen nehmen wollte. Dennoch wählten ihn die Abgeordneten noch vier Mal an die Spitze des Parlaments - so häufig, wie niemanden zuvor.

"Kein Abschiedsschmerz" bei Kartmann

Ein Schlaganfall warf Norbert Kartmann schließlich zurück. Er erholte sich nur schwer. Er ließ sich nicht mehr in das Präsidenten-Amt wählen, Nachfolger wurde der heutige Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Und Ende des Jahres gab der 73-Jährige vorzeitig sein Mandat als Abgeordneter ab. 35 Jahre lang gehörte er ununterbrochen dazu. "Ich habe keinen Abschiedsschmerz", betont der CDU-Politiker.

Landtagspräsidentin Astrid Wallmann verabschiedete Norbert Kartmann.

Das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ist nur eine der hohen Ehrungen, die Kartmann erhielt. "Für vieles, was unser Parlament heute ausmacht, haben Sie die Grundlagen gelegt", sagte die amtierende Landtagspräsidenten Astrid Wallmann (CDU) bei seiner offiziellen Verabschiedung und sprach vom Ende einer Ära. Verdienste habe er sich auch erworben bei den Partnerschaften des Landtags und der freundschaftlichen Beziehungen zu den östlichen Nachbarn.

Den Wahlkampf im Herbst des kommenden Jahres wird der 73-jährige daheim vor dem Fernseher verfolgen. Mit seiner Frau Annelie wohnt Kartmann auf einer Hofreite bei Butzbach. Seine drei Kinder und fünf Enkel sind ganz in der Nähe.

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