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Landtag beschließt Gesetz: mehr Quereinsteiger in Kitas

In einer Garderobe einer Kindertagesstätte hängen bunte Rucksäcke und Jacken.

Vielen Kitas in Hessen fehlen Erzieherinnen und Erzieher. Nun haben CDU und Grüne im Landtag beschlossen, dass mehr Menschen aus anderen Berufen eingestellt werden dürfen. Nicht nur aus der Opposition kommt heftige Kritik.

Kindergruppen werden geschlossen oder in neuen Einrichtungen gar nicht erst eröffnet, die Öffnungszeiten verkürzt: Die Folgen der Personalnot an Kitas stresst nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch Eltern, die keinen Platz für ihre Kleinen finden. Mit einem neuen Gesetz, das der Landtag am Donnerstagabend in Wiesbaden beschlossen hat, will die schwarz-grüne Regierungskoalition gegensteuern.

Die Ende Mai in den Landtag eingebrachte Regelung sieht vor allem vor, dass die Betreiber demnächst neben Erzieherinnen und Erziehern mehr Seitensteiger mit anderer Ausbildung und auch geringerer Qualifikation als bisher einstellen dürfen. Ihr Anteil darf von 15 auf maximal 25 Prozent der Belegschaft steigen. Nach zwei Jahren soll das Gesetz auf den Prüfstand.

Klose kündigt 100-Millionen-Programm an

Am Ende der Landtagsdebatte und zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl am 8. Oktober kündigte Sozialminister Kai Klose (Grüne) eine enge Begleitung der Neuregelung an. "Wir werden noch in diesem Jahr ein neues Landesprogramm 'Starke Teams, starke Kitas' mit einem Mittelvolumen von rund 100 Millionen Euro auflegen", sagte er. Damit werde die Arbeit der "multiprofessionellen Teams" gefördert, und die Erzieher würden entlastet.

"Es kommt nicht irgendwer in die Kitas", sagte Kathrin Anders von den Grünen, die den Personalmangel als bundesweites Problem beschrieb. Es gehe um Menschen, die bereits auf dem Feld von Bildung, Erziehung und Betreuung gearbeitet hätten. Sie bräuchten eine abgeschlossene Ausbildung und eine Genehmigung des Jugendamtes. Außerdem müssten sie 160 Unterrichtsstunden absolvieren und dürften keine Gruppe leiten.

Wie Anders bewerte auch Claudia Ravensburg von der CDU das Gesetz als beste Möglichkeiten, den Fachkräftemängel schnell zu bekämpfen. Sie betonte, dass nun auch nicht-pädagogische Fachkräfte wie Logopäden gewinnbringend mitwirken könnten. Das helfe nicht nur den Kindern: "Vor allem entlasten und unterstützen wir so auch das Erziehungspersonal", sagte sie.

Bündnis gegen Gesetz gegründet

Gegen die Neuregelung im Kinder- und Jugendhilfegesetz hatten sich Anfang der Woche ein "Bündnis für Fachkräfte in der frühkindlichen Bildung" gegründet. Ihm gehören neben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) auch Verdi, der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Kita-Fachkräfteverband an. Sie befürchten vor allem, dass die Qualität in Kitas sinkt. Das Stichwort lautet "Entprofessionalisierung".

In der Parlamentsdebatte wertete die gesamte Opposition die Neuregelung als Beleg für eine misslungene Kita-Politik der seit 2014 regierenden schwarz-grünen Koalition. Von einem "Offenbarungseid" sprach FDP-Fraktionschef René Rock. Die FDP brachte einen dringlichen Antrag ein, wonach Seiteneinsteiger 300 Qualifizierungsstunden absolvieren sollten und ihre Stellen bei der Personalausstattung nur als halbe Fachstellen gewertet werden sollten.

Rock äußerte die Befürchtung, das Gesetz schaffe für ärmere Kommunen sogar einen Anreiz, mit schlechter qualifiziertem und bezahltem Kita-Personal Geld zu sparen. Er forderte, die Landesregierung müsse mehr Geld in die so wichtige frühkindliche Bildung stecken und es bei den Kitas wie bei den Grundschulen halten. Dort seien die Gehälter schließlich auch auf die Besoldungsstufe A13 angehoben worden. Von den Grünen kam der Widerspruch: Anders als bei den staatlichen Schulen sei das Land für die Tarife an den Kitas nicht zuständig.

Kritik an Bezahlung und Arbeitsbedingungen

Von einem "massiven Angriff auf die Bildungsqualität in unseren Kindereinrichtungen", sprach Petra Heimer (Linke). Angesichts von Wahlversprechen der Koalitionsparteien zur Kinderbetreuung sei die Regelung zynisch. Qualifiziertes Personal könne man nur halten oder dazugewinnen, wenn sich die Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Wertschätzung verbesserten.

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Kritik an Quereinsteiger-Plänen für Kitas

hs 17.07.2023
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Dass Erzieherinnen und Erzieher schon jetzt wegen einer verfehlten Politik "verheizt" würden, kritisierte der AfD-Politiker Volker Richter. Der Krankenstand sei hoch, viele stiegen ganz aus. Laut Richter dürfte der Trend noch zunehmen, weil die Belastung für die Fachkräfte mit der Zahl der Quereinsteiger noch weiter anwachsen werde. Ein "Absenken des Niveaus" sei nicht die Lösung.

SPD irritiert von Rheins "Zukunftsmodell"

Etwas milder ging die ebenfalls oppositionelle SPD mit dem Gesetzentwurf um. Man stehe zwar wegen des Versagens von CDU und Grünen vor einem Scherbenhaufen, sagte die Abgeordnete Lisa Gnadl. Angesichts rund 27.000 fehlender Kita-Plätze und der Rechtsansprüche von Eltern und Kindern brauche man aber eine kurzfristige Lösung.

Da es um eine Notlösung gehe, sei es allerdings irritierend, dass Ministerpräsident Boris Rein (CDU) gerade in einem Interview von einem "Modell für die Zukunft" gesprochen habe. Langfristig müssten Erzieherinnen und Erzieher besser bezahlt und das Schulgeld für die Ausbildung übernommen oder komplett abgeschafft werden. Schon jetzt seien mehr Anstrengungen als geplant für die Qualifizierung der Quereinsteiger nötig.

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