Christian Geselle spricht in ein Mikrofon und hebt die Hände dabei.

Seit Wochen liegt Kassels Oberbürgermeister Geselle mit seiner Partei im Clinch. Nun sagt er sich von der SPD los, will 2023 als unabhängiger Kandidat zur Wiederwahl antreten - und hofft trotzdem auf breite Unterstützung der Sozialdemokraten.

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Kassels Oberbürgermeister sagt sich von SPD los

hs
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Der politische Streit in Kassel geht in seine nächste Runde, die nun immerhin etwas Klarheit mit sich bringt: Christian Geselle (SPD), der Oberbürgermeister der documenta-Stadt, will sich wieder zur Wahl stellen und für eine zweite Amtszeit kandidieren. Die kommende OB-Wahl in Kassel findet voraussichtlich im März 2023 statt.

Geselle teilte seine Kandidatur in einem offenen Brief am Mittwoch mit. "Ich gehe davon aus, dass ich hierfür eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung und auch aus der SPD erfahren werde", schreibt Geselle darin.

Der Zusatz "und auch aus der SPD" ist dabei bemerkenswert. Denn in einem internen Brief, der dem hr vorliegt und den Geselle an seine Partei-Genossinnen und Genossen geschrieben hat, schreibt er: "Nach reiflicher Überlegung" sei er zu dem Entschluss gekommen, "für die Wahl als unabhängiger Kandidat anzutreten". Mit der Kasseler SPD, deren Fraktionsvorsitz er 2013 übernommen hatte und für die er seit knapp fünfeinhalb Jahren die Geschicke von Nordhessens einziger Großstadt leitet, liegt Geselle seit Wochen im Clinch.

Geselle will sich aus Auseinandersetzungen raushalten

Erst war Anfang Juni die Koalition im Stadtparlament zwischen den Grünen und der SPD geplatzt. Dann fühlte sich Geselle von seinen eigenen Parteimitgliedern hintergangen. In einem öffentlichen Brief forderte er personelle Konsequenzen in der Kasseler SPD. Der Parteivorsitzende und die Co-Fraktionsvorsitzende seien ihm "hinterrücks" während seiner Urlaubsabwesenheit in den Rücken gefallen, schrieb Geselle ebenfalls in einem offenen Brief. Solange es keine persönlichen Konsequenzen gäbe, sei er nicht bereit, als Kandidat der Kasseler SPD für eine Wiederwahl als Oberbürgermeister zur Verfügung zu stehen. Ein parteiinterner Vermittlungsversuch im September scheiterte.

Geselle kündigte daraufhin die Zusammenarbeit mit seiner eigenen Parteiführung auf. Die SPD wirft ihm vor, ohne Begründung einem Vermittlungstermin ferngeblieben zu sein. Geselle hingegen sagte, es sei bekannt gewesen, dass er aufgrund anderer dienstlicher Verpflichtungen verhindert gewesen sei. Wegen der innerparteilichen Konflikte sind bereits SPD-Mitglieder von ihren Positionen zurückgetreten.

"Für das Ringen um unterschiedliche Positionen und die Profilierung innerhalb politischer Parteien und der Stadtverordnetenversammlung habe ich Verständnis", schreibt Geselle nun in seinem nächsten offenen Brief. Als Oberbürgermeister müsse er, über die Partei hinaus, aber die gesamte Stadt im Blick haben - "deshalb halte ich es für richtig, mich aus parteipolitischen Auseinandersetzungen herauszuhalten."

SPD reagiert mit Bedauern

"Ich finde es schade, wenn sich Amtsträger von der eigenen Partei abwenden und vergessen, dass sie nur wegen und mit der Partei ins Amt gekommen sind", sagte Ron Hechelmann, Vorsitzender der Kasseler SPD, auf hr-Anfrage.

"Die Hand war ausgestreckt. Die einzige Bedingung war, dass er demokratische Beschlüsse akzeptiert" - das heißt: keine Koalitionsverhandlungen mit der CDU und dass er die Rücktrittsforderungen gegen Parteimitglieder zurücknimmt.

Parteiordnungsverfahren möglich

Sollte Geselle im kommenden Jahr dann wirklich als Unabhängiger gegen einen Parteikollegen aus der SPD antreten, gibt es die Möglichkeit eines Parteiordnungsverfahrens, in dem Strafen bis hin zum Parteiausschluss verhängt werden können. Das Verfahren müsste von einem Genossen oder einer Genossin beantragt werden - das wiederum geht aber erst, wenn die Wahlunterlagen auch eingereicht sind.

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