Die Lilien am Boden.

Von der besten Defensive zur schlechtesten - was ist mit der Hintermannschaft von Darmstadt 98 passiert? Ein Blick auf die Gegentore und die Daten offenbart die Mängelliste der Lilien.

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Highlights: Darmstadt 98 - Borussia Mönchengladbach

Im Hintergrund sieht man ein Fussballstadion, davor links das Logo von SV Darmstadt 98 und rechts das Logo von Borussia Mönchengladbach
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Nach vier Spielen in der Bundesliga wartet der SV Darmstadt weiter auf den ersten Sieg. Schlimmer noch: Die Zahlen des Aufsteigers sind alarmierend. Stiegen die 98er noch mit der besten Abwehr der Liga auf (0,97 Gegentore pro Spiel), stehen sie nun in der Beletage mit der schlechtesten Hintermannschaft da (3,25 Gegentore pro Spiel). Dabei lieferte Schlussmann Marcel Schuhen noch starke Paraden ab, um Schlimmeres zu verhindern. Stellt sich die Frage: Lässt sich dieser Negativtrend allein mit der gehobenen Qualität in der Ersten Liga erklären? Wohl nicht nur.

Zwar mussten die Lilien gleich gegen Champions-League-Teilnehmer Union Berlin sowie die Überflieger-Truppe aus Leverkusen ran und spielten gegen Gladbach lange in Unterzahl, aber dennoch begründet das alleine nicht eine solche Flut an Gegentreffern. "Wir dürfen auch in Unterzahl keine drei Tore fangen, müssen schauen, dass wir es dann in der Defensive besser hinkriegen", sagte beispielsweise Tim Skarke nach dem 3:3 gegen Mönchengladbach. "Wir müssen uns mehr wehren und respektloser sein", forderte Trainer Torsten Lieberknecht, nachdem sich seine Mannschaft in Leverkusen hatte abschießen lassen.

1. Immer wieder personelle Wechsel

Der Trainer muss ein handfestes Problem beklagen: Immer wieder brechen ihm Korsettstangen aus der Defensive weg. Jüngst fiel Christoph Zimmermann, der Stabilisator in der vergangenen Saison, mit Rückenproblemen aus. Nun fehlt Matej Maglica nach seiner Roten Karten gesperrt. In vier Spielen musste Lieberknecht bereits vier verschiedene Aufstellungen in der Verteidigung bemühen, darunter befanden sich mit Maglica und Christoph Klarer zwei Neuzugänge.

Eine Stärke in der Aufstiegssaison war aber gerade die Abgestimmtheit der "hinteren Drei", während der Serie im Frühjahr meist Clemens Riedel, Jannik Müller und eben Zimmermann. Letzterer schwärmte damals: "Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu meinen Neben- und Hinterleuten. Aber dieses Verständnis und diese Emotionalität hier sind schon einzigartig." In der Bundesliga konnten die Lilien diesen Trumpf bislang nur sehr selten ausspielen.

2. Fehlende Abstimmung

In Leverkusen sah die Anfangsphase zwar nach diesem bekannten Bollwerk aus, dann aber zeigten die Spieler immer wieder mit dem Finger auf den Nebenmann. Den Lilien fehlte die klare Zuteilung; beim zweiten Gegentreffer verteidigten sie mit acht, beim dritten gar mit fünf Mann im eigenen Strafraum. Viele Köche verderben den Brei, ergo: Bei vielen Spielern vor dem eigenen Tor verlässt sich der eine auf den anderen. Leverkusens Victor Boniface beispielsweise schob sich zwischen Innen- und Außenverteidiger der Lilien, von denen keiner sich hundertprozentig verantwortlich fühlte. Die 98er "übergeben" ihre Gegenspieler nicht gut.

Lieberknecht räumte unlängst ein, dass er lieber auf personelle Kontinuität setzen würde, aber eben nicht nur die Verletzungen, sondern auch die Leistungen diesen Plan verhinderten. Fast ausnahmslos allen Defensivleuten unterliefen haarsträubende Fehler (Zimmermann in Homburg, Maglica in Frankfurt, Isherwood in Leverkusen) - der Aufsteiger zahlt hinten bislang Lehrgeld.

3. Schlecht in den Zweikämpfen und in der Luft

Doch auffällig ist: Gerade bei den Kerntugenden der Lilien fallen sie nun deutlich ab. In puncto Zweikampfstärke belegen die Darmstädter ligaweit den letzten Rang, in der Luft den vorletzten. Nur 302 Duelle konnten sie für sich entscheiden, der Spitzenreiter in dieser Disziplin, Werder Bremen, kommt auf 415. Symptomatisch dafür geriet der Rückstand gegen Union Berlin, als gleich drei 50:50-Duelle an die Köpenicker gingen, bevor Robin Gosens traf. Danach folgten gleich drei Kopfballtore der Unioner. Auch das 2:3 der Gladbacher fiel nach zwei verlorenen Kopfballduellen. Diese Mängel lassen nicht nur Fragen nach der Qualität, sondern nach der Konzentration aufkommen.

Die vormaligen Darmstädter "Zweikampfmonster" belegen auch bei der abgespulten Laufdistanz Platz 18. Der 1. FC Heidenheim, Mitaufsteiger aus der Zweiten Liga, führt dieses Ranking hingegen an. Schlusslicht sind die Darmstädter auch bei den "Intensiven Läufen" und Sprints. Nun lässt sich einschränken, dass derlei Statistiken irreführend sein können, schließlich geht es auch um das Timing bei den Sprints. In der ersten Halbzeit am vergangenen Sonntag überranten die Lilien schließlich die Gladbacher und gewannen Kopfballduelle en masse. "Wir müssen positiv bleiben. Die erste Halbzeit hat gezeigt, dass wir Bundesliga können", sagt auch Skarke.  

Reifeprüfung in Stuttgart

Eine besondere Note hält die Statistik für das kommende Spiel am Freitag (20.30 Uhr) parat: Denn die schwächste Defensive reist ausgerechnet zur besten Offensive; der VfB Stuttgart erzielte bisher von allen Teams die meisten Tore (14) und stellt mit Serhou Guirassy den besten Torschützen (acht). Wenn also die Defensive der Lilien ihre Erstligareife unter Beweis stellen will, dann bietet die Partie in Schwaben den passenden Anlass.