Nächste "Challenge" in Heidenheim Die Eintracht spürt den Fluch der guten Taten
Tabellarisch ist die Eintracht schon ein Spitzenteam. Auf der Durchreise zwischen Midtjylland und Heidenheim bekommt das auch der Trainer zu spüren. Doch während sich um ihn herum die Ansprüche verschieben, bleibt Toppmöller einfach Toppmöller.
Es hat sich was getan bei der Eintracht. Die Ungewissheit und auch die Zweifel waren nicht unerheblich vor der Saison. Dino Toppmöller wirkte noch im Sommer wie ein Trainer auf Bewährung. Nun steht die Adventszeit vor der Tür und hätte man die Monate dazwischen in einem Funkloch verbracht, an Toppmöller wäre der aktuelle Tabellenplatz seines Teams nicht abzulesen.
Mit beinahe stoischer Freundlichkeit beantwortet er auch vor dem Auswärtsspiel beim 1. FC Heidenheim am Sonntag (17.30 Uhr) alles, was die Presse von ihm wissen will. Doch die Fragen haben sich geändert. Dass Hugo Ekitiké seinem Hang zum Hackentrick einmal zu viel nachgegeben hat, "hat uns nicht vom Hocker gerissen", antwortet Toppmöller. Dass die Führungsspieler selbst "nicht 100 Prozent zufrieden" gewesen seien, weil man so ein Spiel "früher zumachen" müsse, gefiel ihm deutlich besser.
Die Eintracht ist ein Spitzenteam – oder?
Das alles wohlgemerkt nach einem 2:1-Auswärtssieg beim dänischen Meister FC Midtjylland. Wettbewerbsübergreifend der siebte Sieg aus den vergangenen acht Spielen. Die Eintracht ist nach elf Spieltagen Tabellenzweiter in der Bundesliga und nach allen bislang zur Verfügung stehenden Indizien ein Spitzenteam. Eine Zwangsläufigkeit für diese Entwicklung ließ sich aus Kader und Vorgeschichte nicht ablesen.
Erfolge, die tröpfchenweise ins Selbstverständnis der Mannschaft eingesickert sind. An das Team werden allmählich aber auch andere Maßstäbe herangetragen. Sportvorstand Markus Krösche moserte nach dem Auftritt in Midtjylland: "Klar haben wir gewonnen, aber im Großen und Ganzen finde ich, dass wir das nicht so gut gemacht haben." Vor allem die Chancenverwertung missfiel ihm.
Gleichzeitig diagnostiziert Toppmöller insbesondere seinen Führungsspielern eine ausgeprägte "Gier". Er selbst müsse als Trainer natürlich immer wieder "den Finger in die Wunde legen" und sagen, was gut gelaufen ist und wo sich das Team noch verbessern kann. Das funktioniere aber umso besser, wenn die Wortführer "diese intrinsische Motivation mitbringen" und auch in der Kabine das Wort ergreifen. Deshalb verspricht er: Die Eintracht wird auch in Heidenheim mit einem "Top-Mindset" auflaufen.
Heidenheim wird "eine gute Challenge"
Dabei waren die vergangenen Tage wieder besonders strapaziös. Toppmöller selbst erschien zur Pressekonferenz am Donnerstag mit rund 20 Minuten Verspätung – es ging direkt vom Flieger ans Pult. "Das Thema Müdigkeit will ich aber nicht groß thematisieren", sagt Toppmöller. "Am Ende ist es so, dass Siege tatsächlich helfen." Heidenheim ergehe es außerdem nicht viel anders. Die spielten ebenfalls am Donnerstag in der Conference League gegen den FC Chelsea.
Trotz einer 0:2-Niederlage nicht weniger als das bislang größte Spiel überhaupt für den FCH. Der Dorfverein aus dem Schwäbischen hat im deutschen Profifußball die wahrscheinlich unwahrscheinlichste Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre geschrieben. "Bis jetzt war es für keine Mannschaft leicht, in Heidenheim zu spielen", warnt Toppmöller deshalb. "Der Respekt ist riesengroß. Nicht nur bei mir, sondern in ganz Fußballdeutschland. Wer den Weg des Vereins gesehen hat, das ist absolut beeindruckend." Fazit: "Das wird eine gute Challenge für uns."
Toppmöller hat Verständnis für Krösches Kritik
Die es zu gewinnen gilt, das wird auch klar ohne dass Toppmöller es ausspricht. Ein interessanter Zufall: Beim Portal Transfermarkt werden der Kaderwert von Midtjylland (63 Millionen Euro) und Heidenheim (63,3 Millionen) nahezu gleich gehandelt. Nachdem in Dänemark ein knapper Sieg schon Gegenstand interner Stilkritik wurde, werden sich die Hessen auf der Ostalb nicht mit weniger als drei Punkten zufriedengeben.
Toppmöller verstand Krösches leise Kritik deshalb als durchaus zielführend und leistet Interpretationshilfe: "Es geht ja nicht nur darum, was er sagt, sondern auch, warum er etwas sagt. Er will, dass wir weiter scharf bleiben, dass wir uns nicht ausruhen, dass wir uns nicht von irgendwas blenden lassen."
In der Kategorie "Irgendwas" sicher mitgemeint war, dass die SGE mit dem saisonübergreifend nun 18. Europa-League-Spiel ohne Niederlage einen Rekord des FC Chelsea eingestellt hat. Jenes FC Chelsea, der ja am gleichen Abend mit 2:0 in Heidenheim gewann. Den Londonern noch ein bisschen weiter nachzueifern, wäre also fürs Erste kein schlechter Plan. Auch wenn das vielleicht schlecht für das Erwartungsmanagement wäre.