Frankfurt mit Können und Glück Der Eintracht-Lauf wird langsam unheimlich

Dass Eintracht Frankfurt in dieser Saison in einer Gala-Form ist, war schon vor dem dramatischen Sieg beim VfB Stuttgart bekannt. Da jetzt auch noch Dusel dazukommt, sind die Hessen endgültig ein Kandidat für die Königsklasse.

Jubel bei Eintracht Frankfurt
Die Eintracht jubelt und jubelt und jubelt. Bild © Imago Images
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Im Hintergrund sieht man ein Fussballstadion, davor links das Logo vom VfB Stuttgart und rechts das Logo der Eintracht Frankfurt
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Die Reaktionen in der Nachspielzeit fassten den ebenso dramatischen wie spektakulären 3:2-Erfolg von Eintracht Frankfurt am Sonntag in Stuttgart perfekt zusammen. Auf der einen Seite: Frust, Enttäuschung und Wut über das eigene Unvermögen und den vom VAR einkassierten Last-Minute-Ausgleich. Auf Frankfurter Seite: grenzenloser und auch ein wenig ungläubiger Jubel über den nächsten furiosen Sieg.

"Das ganze Spiel war ein Wechselbad der Gefühle", konstatierte Trainer Dino Toppmöller und sagte dann fast schon beiläufig den entscheidenden Satz des Abends: "Wir haben es uns verdient, dass das Tor vom VfB am Ende nicht zählt." Die Eintracht kann in dieser Spielzeit nicht nur herausragenden Fußball spielen, in der größten Not helfen jetzt auch noch Glück und der Video-Schiedsrichter mit. Was soll dieses Team noch aufhalten? Es wird langsam unheimlich.

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Der VfB drückt, die Eintracht trifft

Zur ganzen Wahrheit dieses Abends gehört nämlich dazu, dass der Sieg trotz der zwischenzeitlichen 3:0-Führung keineswegs ungefährdet war. Die Eintracht kam gegen den VfB nur sehr, sehr schwer in die Partie und hatte zunächst gleich mehrfach Glück, nicht in Rückstand zu geraten. Nach dem Herauszaubern des vermeintlich sicheren Drei-Tore-Abstands begann noch einmal das große Zittern. Der VfB erarbeitete sich ein Torschuss-Verhältnis von 22:8, laut der Expected-Goals-Werte (3,52:1,66) hätten die Schwaben mit zwei Toren Vorsprung gewinnen müssen. Das Entscheidende: Sie taten es nicht.

"Die Effizienz der Eintracht und unsere fehlende Effizienz haben heute den Unterschied gemacht", analysierte VfB-Coach Sebastian Hoeneß passend. Bezeichnend für die Partie: Ermedin Demirovic, der den verletzten Deniz Undav vertrat, köpfte in der ersten Hälfte zunächst an die Latte (18.), scheiterte dann vom Elfmeterpunkt am starken Frankfurter Keeper Kevin Trapp (22.) und traf auch nach dem Seitenwechsel noch einmal Aluminium (69.). "Wenn’s gut läuft, mache ich einen Hattrick", so Demirovic. Erneut entscheidend: Machte er aber nicht.

Dass Chris Führich in der siebten Minute der Nachspielzeit ganz knapp im Abseits stand und der grenzenlose Jubel im Stadion vom VAR jäh gestoppt wurde, passte zu diesem Abend. Die entscheidenden Szenen endeten alle im Sinne der Eintracht.

Der Eintracht reicht eine Teilzeit-Gala

Den Frankfurtern reichte beim VfB letztlich eine sehr starke halbe Stunde, um das Spiel in die richtige Richtung zu lenken. Hugo Ekitiké traf nach einer Ecke per Kopf (45.), Nathaniel Brown traf per Abstauber nach sensationeller Vorarbeit des eingewechselten Ansgar Knauff (55.), Omar Marmoush sorgte erneut für das Highlight der Partie und versenkte im dritten Spiel in Folge einen Freistoß in Weltklasse-Manier direkt (62.).

"Die Eintracht hat einfach einen Lauf, die brauchen aktuell nicht viel", erkannte VfB-Coach Hoeneß an. Die Hessen festigten Platz drei mit einer Teilzeit-Gala. Verrückte Zeiten in Frankfurt.

Die Eintracht greift oben an

Doch was bedeutet dieser Erfolg beim letztjährigen Überraschungs-Team und Champions-League-Teilnehmer VfB Stuttgart für die weitere Saison der Eintracht?

Die Hessen, und daran gibt es nach zehn Spieltagen nichts mehr zu rütteln, haben einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Auch in der vergangenen Saison gab es zeitweise – vor allem in der Anfangsphase – durchaus ansehnliche Spiele. Die allen voran von Sportvorstand Markus Krösche immer wieder geforderte Konstanz in den Auftritten und die Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor sind aber neu. Selbst bei schwächeren Spielen wie gegen Riga, in Berlin oder über weite Strecken auch in Stuttgart reicht die individuelle Qualität am Ende einfach aus. Ein Quantensprung.

Da zudem der breite Kader für einen großen Konkurrenzkampf und gleichzeitig die nötigen Pausen sorgt, ist die im vergangenen Jahr hier und da abhandengekommene Gier fast immer spürbar. "Ich bin sehr zufrieden mit der Mentalität, wir entwickeln uns in eine prächtige Richtung", lobte Toppmöller zu Recht. Die Eintracht ist auf einem sehr guten Weg. So kann und muss es weitergehen.

Champions League - warum nicht?

Eine Neuausrichtung der Ziele und eine Kampfansage in Richtung Tabellenspitze gab und gibt es zwar weiter nicht. In dieser Form, mit diesem erzwungenen Spielglück und dieser Qualität kann das aber nur noch eine Frage der Zeit sein. Die Eintracht ist ein Kandidat für die Champions League.