Union Saint-Gilloise

Union Saint-Gilloise ist dank zweier Mathe-Genies einer der größten Talente-Entdecker Europas. Da der Verein dennoch "oldschool" ist, verliebte sich selbst ein italienischer Popstar in den kommenden Gegner von Eintracht Frankfurt. Ein wilder Mix.

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Spurensuche vor Ort: Das macht Union St. Gilloise aus

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Eintracht Frankfurt trifft am Donnerstag (ab 18.45 Uhr live im Audiostream bei hr-iNFO) in den Playoffs der Conference League auf Royale Union Saint-Gilloise. Die Partie wird im Stadion des RSC Anderlecht ausgetragen.

Der Verein

Obwohl Royale Union Saint-Gilloise vielen deutschen Fans erst seit Kurzem ein Begriff ist, ist der Verein aus dem Brüsseler Stadtteil Saint-Gilles tatsächlich knapp zwei Jahre älter als Eintracht Frankfurt. Der Traditionsclub wurde am 1. November 1897 gegründet und entwickelte sich in Belgien schnell zu einer ganz großen Nummer. Bis 1935 sammelte Union Saint-Gilloise elf Meistertitel, danach ging es jedoch steil bergab. Nach dem ersten Abstieg 1965 stürzte USG zeitweise bis in die vierte belgische Liga ab und war über Jahrzehnte lang weg vom Fenster.

Aufgehalten wurde das Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit erst durch zwei zahlungskräftige Investoren. In der Saison 2012/13 stieg zunächst der deutsche Unternehmer und Multimillionär Jürgen Baatzsch bei Union Saint-Gilloise ein und drehte den Club einmal auf links. "Der Verein war in einem desolaten Zustand", fasste er im hr-heimspiel am Montagabend zusammen. Baatzsch setzte jedoch genau an den richtigen Stellen an und stellte den Verein auf ein stabiles Fundament. 2015 glückte die Rückkehr in die 2. Liga, 2018 begann dann der ganz große Aufstieg. Verantwortlich dafür: erneut ein potenter Geldgeber.

Der Star im Hintergrund

Baatzsch verkaufte den Club an Tony Bloom, einen durch Onlinepoker und systematische Sportwetten reich gewordenen Engländer. Bloom, dem aufgrund seiner eiskalten Berechnungen unterstellt wurde, Eidechsen-Blut zu haben, half USG jedoch nicht nur finanziell weiter, sondern revolutionierte auch die Kaderzusammenstellung. Gemeinsam mit Mathe-Genie Alex Muzio, den Bloom in seiner Datenanalysefirma "Starlizard" (Star-Eidechse) kennengelernt hatte, entwickelte er ein Analyse-Tool, um mit Hilfe von Algorithmen unentdeckte Talente aufzuspüren und zu verpflichten.

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Den prominentesten rohen Diamanten fanden Bloom und Muzio im Sommer 2020 in der 3. Liga beim SV Meppen. Sein Name: Deniz Undav. In seiner ersten Spielzeit erzielte der heutige Stuttgarter 17 Tore, Union Saint-Gilloise stieg in die erste Liga auf. In seiner zweiten Spielzeit erzielte der designierte neue Nationalspieler 25 Tore, Union Saint-Gilloise beendete die Saison sensationell auf Platz eins. Da es in Belgien jedoch Meisterschafts-Playoffs gibt und USG dort am Ende "nur" Zweiter wurde, blieb das ganz große Fußball-Märchen zwar aus. Dass das System von Bloom funktioniert, steht seitdem jedoch außer Frage.

Weitere Spieler, die in St. Gilles von unbekannten zu europaweit gefragten Kickern reiften, sind Leverkusens Victor Boniface oder auch der dänische Nationalspieler Casper Nielsen. Dass Undav nach seiner erfolgreichen Zeit bei den Unionistes für viel Geld zu Brighton & Hove Albion wechselte, zeigt aber auch die unromantische Seite dieses Geschäfts. Denn auch das Team aus Brighton gehört Bloom, der milliardenschweren Eidechse.

Union Saint-Gilloise

Das Stadion

Dass Union Saint-Gilloise trotz des modernen Scoutingsystems im Herzen weiter ein bodenständiger und ehrlicher Fußballclub ist, erkennt man vor allem am Stadion. Das Stade Joseph Marien, das zwischen einem Arbeiter-Wohnviertel und einem Wald am Brüsseler Stadtrand liegt, ist trotz einer Renovierung und der Aufrüstung mit Sitzplätzen ein echtes Schmuckstück. Außen Backstein, innen rauer Charme. "Hier riecht es nach Gras, Hamburgern und Fritten", beschrieb Ex-USG-Coach Felipe Mazzù das besondere Flair.

Die Nostalgie hat allerdings auch einen Haken: Da das Stadion den strengen UEFA-Regularien nicht genügt, muss Union Saint-Gilloise im europäischen Wettbewerb in die Spielstätte des Stadtrivalen RSC Anderlecht ausweichen.

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Mannschaft und Trainer

Bei so viel spannender Vergangenheit fällt es fast schon schwer, den Bogen in die Gegenwart zu spannen. Doch auch diese hält tatsächlich noch Bemerkenswertes parat. Union Saint-Gilloise, das seit dem Aufstieg im Sommer 2021 die reguläre Saison einmal als Erster und einmal als Zweiter abschloss, ist aktuell das Maß der Dinge in der Jupiler League. Nach 25 Spieltagen beträgt der Abstand auf den Tabellenzweiten Anderlecht bereits acht Punkte. Der zwölfte Meistertitel ist fest eingeplant.

Der gefährlichste Spieler im Team ist der algerische Stürmer Mohamed Amoura, der in 27 Einsätzen 19 Treffer erzielte. Aber auch den ehemaligen Wiesbadener Gustaf Nilsson (zehn Tore) und den spanischen Mittelfeld-Regisseur Cameron Puertas sollte die Eintracht auf dem Zettel haben. Mit Henok Teklab, der bei Preußen Münster in die Fänge der Eidechse geriet, gehört auch ein gebürtiger Frankfurter zum Kader.

Ein weiterer Deutscher steht zudem an der Seitenlinie: Trainer Alexander Blessin war acht Jahre lange in der Jugend von RB Leipzig tätig, ehe er über den KV Oostende und nach einem kurzen Abstecher nach Genua bei Royale Union Saint-Gilloise landete und dort die Nachfolge von Karel Geraerts antrat. Dieser kämpft inzwischen bei Schalke 04 gegen den Absturz in die 3. Liga.

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Eintracht Frankfurt in den Europapokal-Playoffs: So tickt Gegner Saint Gilloise

Im Hintergrund Fans mit Pyro, im Vordergrund Eintracht-Trainer Toppmöller (links), zeigt auf Wappen RUSG, dazu der Cup.
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Und sonst so?

Die wohl beste Story rund um diesen bunten Club stammt jedoch erneut aus vergangenen Tagen: Zu den Fans von Union Saint-Gilloise zählt mit dem Italiener Stefano Righi nämlich auch ein echter Popstar. Righi, der 1983 mit seiner Band den Ohrwurm-Welthit "Vamos a la Playa" landete, besuchte während eines Brüssel-Aufenthaltes im Jahr 2014 auf Rat eines Freundes ein Spiel von USG und verlor prompt sein Herz an den damals noch sehr kleinen belgischen Club. "Ich habe mich in diesen Old-School-Fußball sofort verliebt", schwärmte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. "Da ist der Geist eines Fußballs der Vergangenheit, der Jubel, den es im heutigen Fußball nicht mehr gibt."

Sein Song, der sonst eher am Ballermann beheimatet ist, wird auch heute noch regelmäßig bei Heimspielen gespielt. Ein bisschen Strand-Feeling am Stadtrand von Brüssel. Bei Royale Union Saint-Gilloise wird viel geboten.

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