Timmo Hardung mit dicker Winterjacke von Eintracht Frankfurt

Seine Karriere als Fußball-Manager begann beim Zocken am PC und mit einem freiwilligen sozialen Jahr, heute arbeitet Timmo Hardung als Sportdirektor bei Eintracht Frankfurt. Dass es dazu kam, bezeichnet er selbst als "glückliche Fügung".

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Neuzugänge unterm Weihnachtsbaum – Hardung exklusiv

heimspiel_18.12.23
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Seit Juli 2023 arbeitete Timmo Hardung als Sportdirektor bei Eintracht Frankfurt. Neben Sportvorstand Markus Krösche ist er dabei unter anderem für die Zusammenstellung des Kaders zuständig. Gerade die Sommertransferphase - rund um den Wechsel von Randal Kolo Muani - war für Hardung eine sehr stressige.

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hessenschau.de: Timmo Hardung, ich habe früher als Kind und Jugendlicher unheimlich gerne Fußball-Manager auf dem PC gespielt. Sie auch?

Hardung: (Lacht.) Tatsächlich, ja. Ganz früher Anstoß, später dann den Fußballmanager von EA Sports.

hessenschau.de: Jetzt sind Sie tatsächlich Sportdirektor. Wie unterscheidet sich der Job des Fußballmanagers vom Spiel von früher?

Hardung: Der Unterschied ist natürlich extrem groß und eigentlich nicht miteinander zu vergleichen. Ein Beispiel: Im Manager-Spiel gibt es bei der Bewertung von Spielern klare Zahlen und Werte. Ein Spieler hat eine Stärke und eine klare Summe, die er kostet. Das geht in der Realität nicht so einfach. Da muss man sich eine Bewertung des Spielers erarbeiten. Fußballerisch kriegt man das mittlerweile gut hin. Wie schnell jemand ist, wie man seine Schusstechnik bewertet – solche Dinge wissen wir. Aber die menschliche Komponente ist nicht zu unterschätzen.

hessenschau.de: Inwiefern?

Hardung: Fußballer sind in erster Linie Menschen, mit menschlichen Problemen und Herausforderungen, die die Leistungsfähigkeit beeinflussen können. Das ist sehr schwer von außen einzuschätzen und teilweise nicht abzusehen. Es kann durchaus sein, dass ein Spieler sportlich zu uns passt, menschlich einen tollen Charakter hat, aus einem guten Elternhaus kommt, gefestigt ist. Dann aber – das nur als Beispiel – Heimweh bekommt, wenn er bei uns ist. Das kann dazu führen, dass die letzten Prozent seiner Leistungsfähigkeit fehlen. Deshalb stellen wir den Spieler, unter anderem mit einer App, sehr regelmäßig ganz einfache Fragen: Wie geht’s dir? Wie fühlst du dich? Hast du Muskelkater? Fühlst du dich bereit für das Training?

hessenschau.de: Mir hat beim Fußballmanager am meisten Spaß gemacht, eine Mannschaft aufzubauen. Sind die Dinge, die Ihnen früher im Managerspiel am meisten Spaß gemacht haben, auch die, die Ihnen heute am meisten Spaß machen?

Hardung: Am meisten Spaß hat mir schon damals gemacht, positive Ergebnisse einzufahren und erfolgreich zu sein. Ich bin ein Wettkampftyp, wollte früher beim Fußballmanager alles tun, um zu gewinnen und will das auch heute noch. Als Sportdirektor mag ich es auch, den Wettkampfgedanken in einer Gruppe zu leben. Ich habe ein großes Team zu führen, mit vielen Menschen, die für ihre Aufgabe brennen. Das macht großen Spaß. Und wenn Sie die Transfers ansprechen: selbstverständlich sind Zu- und Abgänge auch im echten Leben sehr interessant. Aber da gehören viel mehr Parteien dazu als im Computerspiel und Transfers sind entsprechend weniger einfach abzuwickeln. Man kann nicht einfach klicken, wie im Spiel, und dann ist der Spieler da (Lacht.).

hessenschau.de: Wie läuft denn so ein Transfer in echt ab?

Hardung: Wir definieren ein Spielerprofil, welches wir benötigen. Kurz gesagt: Innenverteidiger, Linksfuß, guter Zweikämpfer – und am Ende wird es Willian Pacho. Dazwischen liegen allerdings viele Schritte und einiges an zeitlichem Invest. Wir sind im ständigen Austausch mit unserer Scoutingabteilung, die uns Vorschläge bereitet. Da gibt es dann die ersten Einschränkungen: Die zu erwartende Ablöse, unser Gehaltsgefüge, aber auch die Perspektive des Spielers. Ich muss spüren, woher das Feuer des Spielers kommt. Wenn wir konkrete Spieler im Blick haben, dann greifen wir zum Telefon und gehen mit den Beratern in den Austausch.

hessenschau.de: Sie sind mit 34 Jahren Sportdirektor bei Eintracht Frankfurt. Über Ihren Werdegang haben Sie mal gesagt: "Vieles war Fügung". Wie haben Sie das gemeint?

Hardung: Wenn ich meinen Weg reflektiere, sehe ich, dass einiges glückliche Fügung war. Ich hatte großes Glück mit den Kollegen und Vorgesetzten, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Man kann in der Hinsicht auch Pech haben, dann läuft es vielleicht anders. Ich habe mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Fußballbereich angefangen, das war die erste glückliche Fügung.

hessenschau.de: Wie meinen Sie das?

Hardung: Ich meine damit, dass wenn alles nach Plan gelaufen wäre, ich heute wahrscheinlich nicht hier sitzen würde. Nach der Schule war meine Idee, in der Wirtschaft zu arbeiten. Ein duales Studium war meine favorisierte Lösung, aber dann hat mir die Bundeswehr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich gehörte zum letzten Jahrgang, der gemustert wurde. Zum Bund wollte ich aber nicht unbedingt, also habe ich mich nach Alternativen umgesehen. Eine davon war ein Freiwilliges Soziales Jahr im Sport. Also habe ich mehrere Vereine in der Nähe meiner Heimat Heidelberg angeschrieben, zwei Hockeyklubs, einen Basketballverein, zwei Rugbyvereine und die TSG Hoffenheim. Das war eher aus Jux, ich war mir sicher, dass sie einen ihrer Nachwuchsspieler nehmen würden. Aber in dem Jahr wollten sie die Stelle extern bewerben und luden mich zum Vorstellungstermin ein.

hessenschau.de: Vom Freiwilligen Sozialen Jahr zum Sportdirektor ist es dennoch noch ein langer Weg.

Hardung: Ich war zunächst in der Organisation und Administration an der Schnittstelle von Breitensport und Nachwuchs tätig. Ich habe beispielsweise als Co-Trainer der Bambinis gearbeitet oder in den Schulen sogenannte Ballschulen geleitet, in denen die Kinder der Region mit diversen Ballsportarten in Berührung kommen sollten. Außerdem habe ich in der Organisation geholfen, habe Umzüge von Spielern organisiert, bei der Logistik von Fahrtransporten im NLZ geholfen, und vieles mehr. Das waren nicht die ruhmreichsten Aufgaben, aber irgendwo muss man anfangen. Und ich habe Gas gegeben.

hessenschau.de: Inwiefern?

Hardung: Wenn mein Arbeitstag bis 17 Uhr ging, bin ich mindestens bis 18:30 Uhr geblieben. So habe ich beispielsweise bei der TSG Hoffenheim Julian Nagelsmann kennengerlernt beziehungsweise das erste Mal mit ihm zusammengearbeitet. Ich habe gefragt, ob ich nach Feierabend noch bei der U17 mithelfen kann. Das hatte mit meinem Job erstmal nichts zu tun, aber es hat gezeigt, dass ich investieren und lernen will. Unter anderem dadurch konnte ich mit guten Leuten zusammenarbeiten, wie beispielsweise Julian, mit dem ich später dann nach Leipzig wechselte. Nach meinem sozialen Jahr bei der TSG wurde ich Werkstudent und Assistent von Bernhard Peters, der damals Direktor für Sport und Nachwuchsförderung war. Das war sehr prägend, ich hatte spannende Aufgaben, habe mitbekommen, wie er arbeitet und wie er Probleme angeht und löst.

hessenschau.de: Peters wollte Sie mit zum HSV nehmen, richtig?

Hardung: Ja, aber das hat nicht gepasst. Ich habe damals noch in meiner Heimat gewohnt, war 23 Jahre alt und habe für ein kleines Gehalt gearbeitet. Der HSV wollte mir verständlicherweise auch nicht mehr zahlen, es kannte mich ja noch niemand dort. So war es mir insgesamt zu riskant, nach Hamburg umzuziehen. Außerdem wollte Hoffenheim, dass ich bleibe. Was die richtige Entscheidung war, denn bei der TSG wurde ich dank fleißiger und gewissenhafter Arbeit zwei Jahre später zum Teammanager Profifußball. Fußball war schon immer meine große Leidenschaft. Damit mein Geld zu verdienen, war aber lange ein Hirngespinst. Mein Vater sagte mir früher: Junge, mit Fußball wirst du kein Geld verdienen. Er meinte zwar, dass ich kein Profispieler werde, entschuldigt hat er sich mittlerweile aber trotzdem (Lacht.).

hessenschau.de: Jetzt sind Sie seit dem Sommer Sportdirektor der Eintracht. Was war bislang ihr stressigster Tag?

Hardung: Das Ende des Sommertransferfensters war schon stressig, nicht nur der letzte Tag mit dem Transfer von Randal Kolo Muani, wo wir nochmal viele Gespräche und Verhandlungsrunden mit PSG, mit dem Berater, mit dem Spieler geführt haben. Sondern auch die Tage davor. Markus Krösche und ich saßen täglich bis tief in die Nacht zusammen und am nächsten Morgen ging es weiter. Aber ich will mich nicht beschweren, das gehört eben dazu. Dafür war das Wochenende nach dem Transferschluss das entspannteste des ganzen Jahres. Die Transferphase war durch, es war Länderspielpause. Da haben Markus und ich mal nicht telefoniert, das ist schon außergewöhnlich.

hessenschau.de: Und wie sieht ein normaler Tag aus?

Hardung: Den gibt es so nicht. Die Tage sind immer unterschiedlich, meist geprägt von Terminen im ProfiCamp oder außer Haus, außerdem viele Mitarbeitergespräche, weil wir ein großes Team haben, das ich mitnehmen möchte und in dem es viele verschiedene Projekte gibt. Der normalste Tag der Woche ist wahrscheinlich der Spieltag, an diesem gibt es klare Strukturen und Abläufe. Ansonsten lege ich mir an Spieltagen noch Termine, um die Tage optimal zu nutzen.

hessenschau.de: Abschließend: Welches Feature vom Fußballmanager hätten Sie gerne in Ihrem Alltag?

Hardung: Dass bei Interviews drei Antwortmöglichkeiten vorgegeben sind und man nur auf eine davon klicken braucht (Lacht.). Spaß beiseite: Klare, festgelegte Preise für Spieler würden die Transfers schon einfacher machen. Im Fußballmanager gab es früher nur drei Verhandlungsrunden. Wenn man den Spieler wirklich haben wollte, dann hat man ihn auch bekommen. Das ist in der Realität ein bisschen komplizierter, macht es aber auch spannender.