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Immer mehr hessische Amateur-Fußballvereine stellen den Spielbetrieb ein. Hobbyfotograf Thorsten Braun hält die verlassenen Plätze fotografisch fest. Und will so eine Erinnerungsplattform schaffen.

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Thorsten Braun: "Der Amateurfußball stirbt weg"

Thorsten Braun Fußballplatz
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Der Amateursport ist in der Krise, viele Vereine haben mit Problemen zu kämpfen. Auch im Fußball. Der Hobbyfotograf Thorsten Braun fährt durch Hessen und fotografiert verlassene Fußballplätze - und setzt ihnen so ein Denkmal.

Thorsten Braun, Sie fotografieren verlassene hessische Fußballplätze und präsentieren die Fotos auf dem Instagramkanal @lost.footballgrounds. Wie kam es dazu?

Fußball ist meine Leidenschaft und ich komme selbst aus dem Amateurfußball. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich schöne Fußballgelände gesehen habe. Für mich ist es genauso toll, auf einem schönen Dorfplatz zu stehen wie in einem großen Stadion. Das ist für mich als Fußballfan kein Unterschied. Aber der Amateurfußball stirbt weg und ich sehe kaum eine Perspektive, dass er sich nachhaltig erholt. Wer soll denn diese ganzen Sportanlagen reaktivieren? Wo sind die die Fußballer und Fußballerinnen, die das wieder bespielen würden? So kam ich auf die Idee, die verlorenen Plätze zu fotografieren, um den guten Jahrzehnten des Amateurfußballs eine Erinnerungsplattform zu geben.

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Sie sind im hessischen Amateurfußball verwurzelt?

Durch meinen Werdegang bin ich in Hessen etwas herumgekommen. In Rudingshain, einem Schottener Ortsteil, bin ich aufgewachsen, Der erste Ground, den ich gepostet habe, ist der Sportpatz des SV 1946 Rixfeld. Da bin ich in meiner Kindheit als Fan des VFR 1966 Rudingshain hingefahren, mit selbstgemachten Bannern und Trompete. Mit der Jugend haben wir auch selbst oft in Rixfeld gespielt. Bei den Senioren habe ich es als ganz passabler Torjäger bis in die Landesliga geschafft, was damals die vierte Liga war. Später war ich lizenzierter Spielertrainer, schließlich beim SV Blau-Weiß Schotten 1909 im Vorstand und viele Jahre im Präsidium in einer Führungsposition.

Was erzählen Ihre Bilder über den hessischen Amateurfußball?

Es geht mir darum, ein bisschen Wehmut zu transportieren, aber ich möchte auch schöne Erinnerungen wecken bei den Leuten, die auf diesen Plätzen tolle Spiele erlebt und schöne Tage verbracht haben. Früher war der Sportverein das Zentrum des Soziallebens auf dem Land. Aber immer mehr dieser Vereine verschwinden. Und damit auch das Zwischenmenschliche.

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Woran liegt das?

Meiner Meinung nach gibt es drei Kernprobleme. Erstens die fehlende Quantität im Nachwuchs. Wir haben geburtenschwache Jahrgänge, die Kinder haben auch viel mehr Freizeitangebote als früher und es treibt sie auch immer weniger nach draußen. Zweitens sind die finanziellen Herausforderungen für die Vereine enorm. Die Vereinsheime auf den Fotos sind vierzig, fünfzig Jahre alt. So ein Gebäude instand zu halten – Dämmung, Fenster, Dach, Elektronik, Heizung, und, und, und – kostet enorm viel Geld. Da gibt es zwar Förderungen, aber auch nicht für alles. Und mal ein paar Jahre sparen geht nicht, weil dann gleich das Finanzamt kommt und zu viel Körperschaftssteuer abzieht.

Und drittens?

Es ist sehr schwierig, wirklich dauerhaft verlässlich qualifizierte Ehrenamtler zu finden. Damit steht und fällt aber die Perspektive des Vereins, weil du nur von Mitgliedsbeiträgen nicht leben kannst, sondern in Sachen Förderung, Sponsoring oder sonstigen Veranstaltungen kreativ sein musst. Und das machen die Ehrenamtler.

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Könnte man das Vereinssterben aufhalten? Oder sind die Lost Grounds für immer verloren?

Von denen, die ich bislang fotografiert habe, sind 90 Prozent für immer verloren, würde ich schätzen. Heute ist ja Weihnachten, wenn ich einen Wunsch hätte, wäre das: Bundesliga samstags um 15:30 Uhr. Dadurch, dass die Spieltage so aufgestückelt wurden, steht der Amateurfußball jedes Wochenende in Konkurrenz zum Profifußball. Wenn das Wetter dann nicht so dolle ist, bleiben die Leute eben zuhause und gucken Zweite Liga oder irgendetwas anderes.

Wie finden Sie die Lost Grounds überhaupt?

Die bisherigen Plätze kenne ich alle noch aus meiner aktiven Zeit. Aber demnächst fotografiere ich auch welche, von denen ich aus Gesprächen erfahren habe. Dann recherchiere ich im Internet, ob der Verein noch einen Spielbetrieb hat, und falls nicht, fahre ich hin. Manchmal ist es aber auch so, dass der Verein zwar keine Herrenmannschaft mehr stellen kann, dafür aber noch Jugendmannschaften oder Alte Herren. Das versuche ich, vorher herauszufinden.

Was finden Sie vor, wenn Sie an einem Lost Ground sind?

Verrammelte Vereinsheime. Morsche Bänke. Kaputte Balustraden. Alte Tore. Und vor allem: Eine bedrückende Stille. Wenn man an all diese Emotionen und Glücksgefühle denkt, die es auf diesen Fußballplätzen gegeben hat. All die Feiern in den Vereinsheimen nach den Spielen. Das macht mich traurig. Ich will aber keinesfalls nur Traurigkeit oder Wehmut transportieren, sondern auch die besondere Atmosphäre dieser Orte. Die vielleicht ja Menschen dazu animiert, diese Orte wieder zu nutzen. Tatsächlich werden auch manche der Grounds mittlerweile anderweitig genutzt. Auf dem Platz der Spvgg. 1951 HAS Heblos trainiert jetzt ein Bogenschützen-Verein, und der ehemalige Platz von des SV Stumpertenrod ist nun ein Campingplatz.

Gab es einen Ground, der Sie überrascht hat?

Es gibt einen Platz, der wie von jetzt auf gleich verlassen wirkte. Die Tore waren nicht komplett abgebaut, das Garagentor stand offen. Das ist aber eher die Ausnahme.

Und haben Sie einen Lieblingsground?

Der Platz des SV 1946 Rixfeld, von dem ich eingangs sprach. Der "Fuchsköppel", er liegt auf knapp 500 Metern Höhe, die Temperaturen dort konnten eisig sein. Er ist schon seit bestimmt zwanzig Jahren nicht mehr in Betrieb. Aber damals war er legendär. Er besticht durch eine besondere Lage und Atmosphäre.

Das Gespräch führte Stephan Reich.