Zwei Männer in Anzügen beim Handschlag. Ihre Hände sind rot eingefärbt, einer hat ein Sektglas in der Hand. Ein Koffer mit blutigen Geldscheinen steht vor ihnen

Gute Quartalszahlen: Wintershall Dea hat durch die hohen Energiepreise kräftig verdient. Umweltverbände kritisieren die Russland-Geschäfte des Kasseler Öl- und Gaskonzerns und sprechen von "blutigen Profiten".

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Gaskonzern Wintershall-Dea mit Gewinn

hessenschau vom 25.10.2022
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In den letzten Wochen landeten in vielen Kasseler Briefkästen Flyer mit einer guten Nachricht: "Hol Dir Dein Gas-Geld!" wurde darauf geworben, neben dem Logo des Gaskonzerns Wintershall Dea. Kasseler Bürger und Bürgerinnen sollten an den Übergewinnen beteiligt werden, der Konzern habe weltweit Gewinne verbucht und sei deswegen in Gönnerlaune. 7.500 Euro für jeden wurden versprochen, Anträge dafür sollen am kommenden Samstag verteilt werden, hieß es.

Die schlechte Nachricht: Der Flyer ist eine Fälschung, Klimaaktivisten haben ihn entworfen und verteilt. Anlass für diese Aktion war die Präsentation der Quartalszahlen von Wintershall Dea am Dienstag. Der Konzern mit Sitz in Kassel steht wegen seiner Russland-Geschäfte in der Kritik.

Bohrplattformen in See mit Headline auf gefälschtem Flyer 'Hol Dir Dein Gas-Geld'

Wintershall Dea ist Krisengewinner

Wintershall Dea ist ein Krisengewinner: Im dritten Quartal legte der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Explorationskosten auf knapp 2,6 Milliarden Euro zu, wie der Konzern am Dienstag in Kassel mitteilte. Das ist ein Plus von 162 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021. Der bereinigte Nettogewinn stieg um 264 Prozent auf 851 Millionen Euro im Vergleich zum dritten Quartal des vergangenen Jahres.

Und das obwohl die tägliche Produktion an Öl und Gas nur um vier Prozent gestiegen ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das heißt, der Konzern verkauft etwas mehr, macht aber ein Riesengeschäft durch die Energiekrise und hohe Preise. BASF hält gut 70 Prozent an Wintershall Dea. Der Rest gehört LetterOne, einer Beteiligungsgesellschaft, in der der russische Oligarch Michail Fridman seine Dea-Anteile gebündelt hat. Bei Russland-bezogenen Aktivitäten habe man Milliardenabschreibungen, erklärte der Konzern dem hr.

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Wintershall präsentiert Quartalszahlen

Ein Firmenschild mit dem blau-weißen Logo von Winterhall Dea steht vor dem Bürogebäude der Firma.
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Die Kasseler könnten von den Gewinnen des Konzerns nur über die höheren Unternehmenssteuern profitieren, die Wintershall Dea zahlen muss, hieß es vom Konzern am Dienstag. Jede Hoffnung auf tausende Euro Übergewinne für Kasseler Bürgerinnen und Bürger wurde enttäuscht: "Das ist Fake", sagte der Vorstandsvorsitzende Mario Mehren bei der Präsention der Quartalszahlen zu den Flyern, "bitte schicken Sie keine Anträge".

"Größer, weiter, schneller"

Juliane Schneider von "Klimagerechtigkeit Kassel" findet die Idee auf den Flyern richtig: "Viele Menschen trauen sich nicht, die Heizung anzumachen", sagt sie mit Blick auf den Winter. Eine Übergewinnsteuer sei der erste logische Schritt, mittelfristig müsste über eine sozialverträgliche Vergesellschaftung von Konzernen wie Wintershall Dea diskutiert werden.

Das Russlandgeschäft von Wintershall Dea während eines Angriffskriegs und die hohen Profite durch die gestiegenen Energiepreise seien skrupellos und ein Skandal. Wenn es eine Übergewinnsteuer für den Konzern gäbe, könnten Erwachsenen in Kassel sogar rund 11.000 Euro ausgezahlt werden, hat Schneider ausgerechnet - und jedem Kind die Hälfte davon.

Am Ende helfe nur der Ausstieg aus fossilen Energien - was Wintershall Dea am Dienstag präsentierte, sei aber das Gegenteil: "Größer, weiter, schneller" ohne klimagerechtes Umdenken, kritisiert Schneider.

Umweltorganisationen: 320 Millionen Euro Steuer an Russland

Die Umweltorganisation Urgewald und die Deutsche Umwelthilfe protestierten am Dienstag vor der Berliner Adresse von Wintershall Dea: Verkleidet als Konzernmitarbeiter in Anzügen tranken sie Sekt, die Hände mit Kunstblut beschmiert, ebenso wie die zahlreichen Geldscheine im schwarzen Aktenkoffer. Man wolle so auf die "blutigen Profite" von Wintershall Dea in Russland aufmerksam machen.

Wintershall habe seit Januar 320 Millionen Euro Steuern an den russischen Staat gezahlt, erklärt Sonja Meister von der Organisation Urgewald, die den Konzern schon seit Jahren beobachtet. Trotz des Angriffkriegs gegen die Ukraine arbeite Wintershall Dea mit dem russischen Staatskonzern Gazprom zusammen und habe damit rund 1,3 Milliarden Euro Profite beim bereinigten Nettoergebnis erzielt, kritisierte die Organisation nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen.

"Finanzierung von Putins Machtapparat"

"Wintershall hat noch Anfang des Jahres versucht, sich mit der Versorgungssicherheit rauszureden", sagt Meister. Das Argument sei hinfällig seit die Nordstream Pipelines angegriffen wurden und das Gas nicht mehr fließt. Wintershall ist an der Nord Stream AG beteiligt und hatte dadurch Wertminderungen von 175 Millionen Euro. "Wintershall muss sich von den Russlandgeschäften trennen", fordert Meister, "das Unternehmen trägt mit einem Großteil seiner Geschäfte zur Finanzierung von Putins Machtapparat bei".

Deswegen fordert Urgewald auch Unterstützung aus der Politik. Die Gewinne aus dem Russlandgeschäft müssten für den Wiederaufbau der Ukraine gespendet werden. Wintershall Dea sei auch aus Umweltgründen problematisch - ein Konzern, der auf fossile Ressourcen und Gasförderung in der norwegischen und russischen Arktis setze und Fracking in Argentinien und Russland betreibe, sagt Meister. Es bräuchte eine Energiewende und ein Umdenken.

Wintershall: "Kein back to business"

Die Konzernchefs von Wintershall Dea hatten bei der Präsentation der Quartalszahlen wiederholt betont, wie schlimm die Situation für die Ukraine sei. "Es gibt kein 'back to business as usual' mit Russland", sagte der Vorstandsvorsitzende Mehren am Dienstag.

Derzeit baut Wintershall Dea das Geschäft außerhalb Russlands aus - noch besitzt der Konzern allerdings Gemeinschaftsunternehmen mit Gazprom. Mehren betonte auch, man könne nicht die Bohrstätten aufgeben und die russischen Mitarbeiter im Stich lassen.

Sicher ist, am Samstag werden vor dem Kongress Palais in Kassel keine Anträge für Gas-Geld von Wintershall Dea ausgegeben. Falls doch jemand mit der Hoffnung auf einen Zuschuss erscheint, wollen Klimaaktivisten vor Ort sein und über die Profite des Gaskonzerns diskutieren.

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