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Energieanbieter mit Preisbremsen überfordert

Eine Frau steckt den Stecker eines Staubsaugers in die Steckdose.

Um die Bürger vor explodierenden Energiepreisen zu schützen, ist der Staat auf die Bremse getreten. Genauer gesagt hat er vor etwa einem halben Jahr verschiedene Preisbremsen eingeführt. In der Praxis sorgen die aber auch in Hessen für viel Ärger.

Seit 1. März dieses Jahres müssen Energieversorger für Strom, Gas und Fernwärme Preisbremsen berücksichtigen - auch rückwirkend für die Monate Januar und Februar. Dabei deckelt der Staat für 80 Prozent des bisherigen Energieverbrauchs eines Kunden die Preise. Beim Strom müssen Verbraucher dadurch maximal 40 Cent pro Kilowattstunde zahlen, beim Gas 12 Cent und bei der Fernwärme 9,5 Cent.   

Über diese Preisbremsen hatte sich Sigurd Voß aus Frankfurt eigentlich gefreut, doch deren Umsetzung ist für den 68-Jährigen ein einziges Ärgernis. Im März bekam er von seinem Stromanbieter Maingau Energie ein entsprechendes Schreiben zugeschickt, das war allerdings aus seiner Sicht fehlerhaft. "Ich kann nachweisen, dass der Stromanbieter bei mir falsche Angaben gemacht und die Strompreisbremse zu meinen Ungunsten berechnet hat“, so der Frankfurter.

Bei Berechnungen liegt die Tücke im Detail

Konkret hatte ihm der Energieversorger mitgeteilt, dass Voß durch die Preisbremse aufs Jahr gesehen rund 200 Euro sparen würde. Aus Sicht des Rentners müssten es etwa 80 Euro mehr sein. Er verweist auf den jährlichen Stromverbrauch, auf dessen Basis die Stromanbieter die Preisbremse berechnen.

Seinen Verbrauch schätzt Maingau Energie auf knapp 2.000 Kilowattstunden (kWh) im Jahr, doch sind es über 700 kWh mehr. Das kann Sigurd Voß anhand seiner letzten Jahresabrechnung belegen. Wie der Stromanbieter trotzdem auf den niedrigeren Wert kommt, dazu will Maingau Energie auf hr-Anfrage keine Auskunft geben. Natürlich halte man sich aber selbstverständlich an die gesetzlichen Vorgaben und ermittle die Entlastungen für die Kunden entsprechend diesen Vorgaben.

"Ein regelrechtes Ping-Pong-Spiel"

Mehrmals hat der Frankfurter Stromkunde den Anbieter deshalb kontaktiert und gebeten, diesen Fehler zu korrigieren. Im August hat er gegen die Berechnung Widerspruch eingelegt. In einer Antwortmail darauf verweist Maingau Energie auf den örtlichen Netzbetreiber, die Netzdienste Rhein-Main. Sie hätten dem Anbieter einen niedrigeren Wert übermittelt.

Als Voß dort nachfragt, sieht der Netzbetreiber wiederum den Stromanbieter in der Pflicht. Es sei dessen Aufgabe, sich an den Netzbetreiber zu wenden, sollte sich beim jährlichen Verbrauch etwas ändern. "Keiner fühlt sich zuständig und wird in der Sache tätig", sagt der 68-Jährige. "Das ist ein regelrechtes Ping-Pong-Spiel, Verbraucher werden allein gelassen." Auf Nachfrage beteuert Maingau Energie, das Anliegen des Kunden noch einmal zu prüfen.

Über 350 Beschwerden allein in Hessen

Durch die diversen Preisbremsen haben auch hessische Verbraucherschützer alle Hände voll zu tun. Über 350 Beschwerden haben sie dazu bereits bearbeitet. Es gab nicht nur fehlerhafte Berechnungen, teilweise ließen sich die Energieversorger mit der Umsetzung der Preisbremsen auch Zeit. "Selbst Grundversorger wie die Mainova haben gebraucht, bis sie diese Entlastungen an die Kunden weitergegeben haben", meint der Vorstand der Verbraucherzentrale, Philipp Wendt. Probleme gebe es ebenfalls mit Energiediscountern wie Voxenergie.

Setzen die Anbieter die Preisbremsen nicht korrekt um, kann das laut Verbraucherzentrale für eine Familie schlimmstenfalls einen Unterschied von mehreren hundert Euro im Jahr machen. Um den eigenen Fall selbst zu berechnen, können Verbraucher spezielle Preisbremsen-Rechner im Internet nutzen. Dafür brauchen sie nur ihren letzten Jahresverbrauch und ihren aktuellen Energiepreis.

Viele Energieunternehmen völlig überfordert

Benjamin Weigl, Energieexperte bei Finanztip, kennt sogar Fälle, da sind Kunden noch gar nicht in den Genuss der Preisbremsen gekommen: "Dann sollten sich Betroffene an ihren Anbieter wenden und eine Verbraucherbeschwerde einreichen", meint Weigl. Auch dazu gebe es entsprechende Musterbriefe im Internet. Der Anbieter habe dann vier Wochen Zeit, um auf die Beschwerde zu reagieren und die Preisbremse letztlich doch noch umzusetzen.

Offensichtlich hätten es viele Unternehmen nicht geschafft, die Preisbremsen in ihr IT-System zu integrieren, ist der Energieexperte überzeugt: "Manche Versorger haben mittlerweile sogar aufgegeben." Sie würden die Preisbremsen gar nicht mehr berechnen, entweder pauschale Rabatte gewähren oder eben gar keine mehr. Dabei sei das alles nicht im Sinne der Bundesregierung.   

Ein Anbieterwechsel in vielen Fällen sinnvoll

Stellen sich Energieanbieter stur, haben Verbraucher Finanztip zufolge weitere Anlaufstellen: So stellt das Bundeswirtschaftsministerium eine Telefonhotline bereit (0800-78 88 900). Dort können sich Verbraucher zu den Preisbremsen kostenfrei informieren. In Streitfällen können sie sich außerdem an die Schlichtungsstelle Energie wenden. Diese Möglichkeit will auch der Frankfurter Sigurd Voß nutzen: "Bei 80 Euro mehr oder weniger im Jahr würden viele diesen Aufwand nicht betreiben, aber mir geht es ums Prinzip."

Letztlich seien Verbraucher aber auf die Preisbremsen gar nicht mehr so dringend angewiesen, betont Philipp Wendt von der Verbraucherzentrale Hessen. Denn viele Energieanbieter lägen mit ihren Preisen bereits unterhalb der Preisbremsen. Deshalb sollten Verbraucher auch über einen Anbieterwechsel nachdenken, meint Wendt. "Das kann sich vor allem lohnen, wenn sie bisher noch in der Grundversorgung sind."

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