Ärger ums Selbstpflücken Bauern führen Mindestpreise gegen Erdbeer-Schnorrer ein
Erdbeeren frisch selbst pflücken ist beliebt. Doch manche Kunden werden immer dreister. Sie schlagen sich beim Pflücken den Bauch voll und bezahlen am Ende nur ein halbes Körbchen. Einigen Erdbeerbauern reicht es jetzt - sie führen Mindestpreise ein.
Ein Erdbeerfeld am Rande Frankfurts: lange Reihen mit Erdbeerpflanzen, dazwischen liegt Stroh auf dem Boden, hier und da knien Menschen mit Eimern und Körben - so weit alles wie immer. Doch seit diesem Jahr gilt hier: Jeder muss mindestens ein Kilo Erdbeeren pflücken und bezahlen.
Der Hof des Feldbesitzers, das Schelmenhäuser Hofgut, liegt zwei Kilometer entfernt. Seit 40 Jahren können Erdbeerliebhaber auf bestimmten Feldern des Hofs ihre Früchte selbst pflücken. Doch seit einigen Jahren beobachtet Bauer Andreas Damm, "dass einige Leute immer dreister werden", wie er sagt.
"Leute schlagen sich den Bauch voll"
"Die kommen, sind eine Stunde da, zu dritt, zu viert, und kommen dann mit drei oder vier Erdbeeren wieder raus", berichtet er. "Dann haben sie sich - auf gut Deutsch gesagt - den Bauch vollgeschlagen und behaupten aber, es wäre nichts da." Deswegen habe er eine Mindestpflückmenge eingeführt, von der er Kinder aber ausgenommen hat.
Irgendwann lohne sich der Aufwand mit den Erdbeerfeldern ansonsten nicht mehr, sagt Damm frustriert. "Wir haben einiges probiert: Zwei Personen, die ein Pflückgefäß mit hinein nehmen müssen, das hat nicht funktioniert, also mussten wir jetzt einen Schritt weitergehen."
Zäune werden aufgeschnitten
Das Problem, dass beim Selbstpflücken Erdbeeren zunehmend nicht bezahlt werden, ist nicht ganz neu, heißt es dazu vom Hessischen Landesverband für Erwerbsobstbau. Seit drei bis vier Jahren nehme es aber zu. Immer öfter werde es als Familien-Event angesehen, das zur kostenlosen Unterhaltung diene.
Er habe auch schon versucht, die Felder mit Zäunen zu schützen, berichtet Bauer Damm. Die würden aber regelmäßig durchbrochen oder durchschnitten, erzählt er. "Ich wurde schon angerufen, dass Leute mit Kopflampen auf den Feldern sind und Erdbeeren pflücken." Ähnliches sei auch auf seinen Spargelfeldern passiert.
Der nächste Schritten wären zum Beispiel Überwachungskameras - das will Bauer Damm aber nicht, der Aufwand wäre viel zu groß, sagt er. Ähnliches ist auf hr-Anfrage auch von anderen Bauern zu hören - an vielen Verkaufsständen stehen inzwischen ebenfalls Schilder, die auf eine Mindestpflückmenge hinweisen.
"Es nützt dem Bauern ja nichts"
Zurück auf das nahegelege Erdbeerfeld zum Selberpflücken. Kathinka Schulze ist mit ihren vier Söhnen zum Pflücken gekommen, den jüngsten trägt sie auf dem Arm. In jeder Hand hat er eine Erdbeere, das Gesicht ist rot verschmiert. Die drei anderen Söhne sammeln Erdbeeren.
Für Kathinka Schulze ist die Mindestpflückmenge kein Problem: "Ich kann das verstehen", sagt sie. "Wenn man kommt und sehr viel probiert und wenig kauft, dann nützt das dem Bauern ja nichts. Wir haben genug Eimer dabei, kaufen genug und machen dann Marmelade und Kuchen."
"Würde als Unternehmerin genauso handeln"
Eine junge Frau mit einem Korb mit Erdbeeren in der Hand erzählt, dass ihr Freund und sie schon lange auf diesen Tag gewartet haben: "Wir haben seit einer Woche täglich auf der Onlineseite geschaut, wann sie öffnen. Und jetzt hatten wir Glück und sind am ersten Tag gleich hergefahren."
Wenn sie nicht mehr selbst pflücken könnten, wäre es für sie ein Verlust, betont sie. Deshalb habe sie auch Verständnis für die Neuerung. "Wenn ich eine Unternehmerin wäre, würde ich genauso handeln", sagt sie. "Ein Kilo finde ich allerdings ein bisschen zu viel, 750 Gramm wären mir lieber, aber was soll's."
Beim Wiegen zeigt sich aber: Trotz der Bedenken haben die beiden zusammen deutlich mehr als zwei Kilo gepflückt für Kuchen, Marmelade und mehr.