Nahes Foto des Tablettenspenders

Millionen Menschen nehmen täglich eine ganze Reihe von Medikamenten ein. Da kann man schnell durcheinander kommen oder etwas vergessen - mit schweren Folgen. Damit das nicht passiert, hat ein Pfungstädter Unternehmen einen intelligenten Tablettenspender entwickelt.

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Start-up aus Pfungstadt erfindet Tablettenspender

hs
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Wer regelmäßig verschiedene Medikamente einnehmen muss, kennt das Problem - man steht davor und fragt sich: Habe ich meine Tablette heute schon genommen? Veträgt sich das Medikament, das ich vom Urologen bekommen habe mit dem, das mir die Hausärztin verschrieben hat? Was passiert, wenn ich die Einnahme einmal vergesse? Vor allem ältere Menschen können da schnell mal den Überblick verlieren.

Tablettenspender gibt akustisch und optisch Bescheid

Ein in Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg) entwickeltes Gerät soll Abhilfe schaffen. Der intelligente Tablettenspender "maja sana" meldet sich durch akustische und optische Signale zu Wort, wenn die Einnahme fällig ist. Auf Knopfdruck wirft er dann das richtige Medikament aus. Wird dieses trotzdem nicht genommen, benachrichtigt das Gerät automatisch eine betreuende Person per SMS oder App darüber.

"Rund die Hälfte der Medikamente werden falsch oder gar nicht eingenommen", sagt Gerd Meyer-Philippi, Geschäftsführer des Unternehmens Compware Medical, das unter anderem medizinische Dosiersysteme herstellt. Für Betroffene kann eine solche Falscheinnahme schwere gesundheitliche Folgen haben. Laut Meyer-Philippi entstünden den Krankenkassen durch die Fehlmedikation außerdem jährlich Mehrkosten im Milliardenbereich.

Zusammen mit seinem Sohn Dennis und einem Geschäftspartner hat er deshalb die Compware-Tochter tantum sana gegründet, die den digitalen Tablettenspender entwickelt. Zwei Millionen Euro und fünf Jahre habe die Entwicklung bislang in Anspruch genommen. Gefördert wird das Projekt laut Meyer-Philippi vom Bundeswirtschaftsministerium.

Apotheke als zentrale Schnittstelle

Das Ganze funktioniert so: Sämtliche Rezepte aller Ärzte für einen Patienten landen beim selben Apotheker. "Der hat die pharmakologische Kompetenz", erklärt Meyer-Philippi. Der Apotheker oder die Apothekerin erstellt dann unter Berücksichtigung der Erkrankung und möglicher Wechselwirkungen von Medikamenten einen Medikationsplan für einen bestimmten Zeitraum.

Der Plan landet über eine Cloud in dem Gerät, gleichzeitig werden die Tabletten in einem Blisterzentrum in der richtigen Reihenfolge in sogenannte Schlauchblister gepackt und an die Apotheke oder den Patienten direkt geschickt. "Das Einlegen der Blister in das Gerät können auch ältere Menschen problemlos erledigen", beteuert Meyer-Philippi.

Über Barcodes erkennt der Spender, ob die richtigen Tabletten für die richtige Person eingelegt wurden. Das Gerät schneidet bei Bedarf den Blisterabschnitt mit der betreffenden Tablette ab und stellt sie bereit. Der Abruf wird vom Patienten selbst ausgelöst, ansonsten erfolgt die bereits erwähnte Alarmierung.

"Entlasten die Pflegenden"

Das System soll die Medikation zuverlässiger und sicherer machen. "Wir entlasten außerdem weite Teile der pflegenden Menschen und leisten so einen Riesenbeitrag im Bereich Pflege", sagt Meyer-Philippi. Schließlich könne nicht immer jemand nebendran stehen und die Einnahme überwachen.

Das Ausleihen des digitalen Spenders über die Apotheken soll laut Meyer-Philippi 39 Euro pro Monat kosten, inklusive Mehrwertsteuer. Der Unternehmer ist zuversichtlich, dass die Krankenkassen diese Kosten über den Heil- und Hilfsmittelkatalog übernehmen werden. "Wir sind mit den Kassen im Gespräch", sagt der Entwickler. Alle Nachweise über die Funktionsfähigkeit des Gerätes lägen vor.

Apothekerverband zurückhaltend

Den Apotheken ist die Tablettenproblematik grundsätzlich bekannt. "In Deutschland nehmen rund sieben Millionen Menschen fünf oder mehr verschiedene Medikamente pro Tag ein", berichtet Holger Seyfarth, Vorstandschef des Hessischen Apothekerverbandes. "Man schätzt, dass 250.000 Krankenhauseinweisungen im Jahr auf eine Fehlmedikation zurückzuführen sind." Ein Markt sei also da.

Seyfarth bleibt dennoch skeptisch, ob das Gerät ein kommerzieller Erfolg werden kann. "Die Frage ist ja, wie viele Menschen das am Ende auch nutzen." Die Krankenkassen hätten derzeit ein Defizit von 17 Milliarden Euro. "Die werden sich das vor einer Kostenübernahme ganz genau anschauen." Letztlich werde es darauf ankommen, welche Kosten sich wirklich einsparen lassen.

Probleme mit defekten Bauteilen

Noch ist das Zukunftsmusik. Derzeit sind von dem Spender erst rund 60 Prototypen im Einsatz. Probleme mit einer Charge defekter Bauteile haben die Serienproduktion ausgebremst. "Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst starten werden", sagt Meyer-Philippi.

Auch das Umweltproblem hat der Unternehmer auf dem Schirm. Denn die in großen Mengen anfallenden Blister können derzeit wegen gesetzlicher Vorgaben nur aus Kunststoff hergestellt werden und sind nicht recycelbar. "Die Industrie forscht aber bereits an einer Papierlösung."

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