Terminalgebäude am Kassel Airport (Calden) bei gutem Wetter

Millionengrab oder Wirtschaftsbooster für die Region? Der Flughafen in Kassel Airport ist auch nach zehn Jahren umstritten. Hier kommen ein Landwirt, zwei Unternehmen, ein Flughafen-Gegner und ein Bürgermeister zu Wort.

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Kassel Airport – ein Tag am Regionalflughafen

hs
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Zehn Jahre Kassel Airport - für die einen ist es ein Grund zu feiern, für die anderen nicht. Seit seiner Eröffnung schreibt der Flughafen rote Zahlen und von den prognostizierten 600.000 Passagieren im Jahr wurde nur ein Bruchteil erreicht.

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hr-Doku zum Thema

Die 45-minütige hr-Dokumentation "Abstürzen oder durchstarten? 10 Jahre Kassel Airport" ist am 3. April um 20.15 Uhr im hr-fernsehen zu sehen und vorab bereits in der ARD-Mediathek.

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Die Hoffnung liegt nun auf einem neuen Gewerbegebiet. Das soll Unternehmen in die Gegend locken und für Einnahmen sorgen, die wiederum die Gemeinde Calden (Kassel) entlasten könnten. Der Bau des neuen Flughafens hat rund 500 Hektar Ackerland verschlungen. Für Landwirte war das eine schwierige Entscheidung.

Wir haben einen Flughafen-Gegner, die Geschäftsführer von zwei Unternehmen, einen Landwirt und den Bürgermeister von Calden gefragt, wie sie zum Kassel Airport stehen.

Landwirt Neutze: "Wir hätten uns eine andere Lösung gewünscht"

Wo heute die Start- und Landebahn des Flughafens verläuft, war früher der Acker von Helmut Neutze. Sein Hof liegt in direkter Nachbarschaft zum Flughafen. Für den Bau hat er 17 Hektar Land abgegeben - eine Fläche, auf der rund 800 Tonnen Kartoffeln wachsen können.

Landwirt Helmut Neutze steht vor dem Kassel Airport

"Wir haben Flächen abgegeben, die mit die beste Bodenqualität in der Gemarkung aufwiesen. Dafür haben wir natürlich Ausgleichsflächen erhalten. Aber insgesamt hat sich für unseren Betrieb vieles verändert: Anfahrtswege, Zufahrtswege, die ganze Logistik. Das hat sich enorm verändert, weil es weiter weg ist. Es bedeutet mehr Aufwand.

Wir haben einen Teil der Landschaft verloren, mit Auswirkungen auf die Flora und Fauna hier. Es ist Lebensraum verloren gegangen. Wir haben Ackerflächen verloren, die dazu dienten, Nahrungsmittel zu produzieren. Das ist schon mit einem bitteren Beigeschmack.

Wir haben einen funktionierenden Flughafen in 70 Kilometern Entfernung. Da muss man sich die Frage stellen: Hätte es dieses Ausbaus bedurft? Nun sind zehn Jahre vergangen. Ob man das feiern muss? Der Flughafen ist da, wir müssen uns mit ihm arrangieren. Die Menschen, die hier Arbeit gefunden haben, sind sicherlich froh. Wir als Landwirte hätten uns eine andere Lösung gewünscht.

Ich kann nur appellieren, bei zukünftigen Infrastrukturprojekten mehr die Sinnhaftigkeit zu prüfen und wirklich sorgsam mit den Ressourcen, die wir zur Verfügung haben, umzugehen."

Airbus-Helicopters-Geschäftsführer Helfritz: "Für viele Kunden ist es ein idealer Standort"

Die Firma Airbus Helicopters ist spezialisiert auf die Wartung und Instandsetzung von Getrieben in Bundeswehr-Hubschraubern. Geschäftsführer Vark Helfritz erwartet auch in Zukunft eine stabile Auftragslage.

Vark Helfritz Geschäftsführer Airbus Helicopters

"Wir betreiben hier nicht nur Getriebe-Instandhaltung, sondern auch Hubschrauberwartung. Hubschrauber fliegen hier an und ab, um gewartet zu werden. Kassel-Calden hat eine große Geschichte. Die Kompetenz, die sich hier seit Jahrzehnten entwickelt hat, ist nichts, was man kurzfristig aufbauen kann.

Das ist das Hauptmotiv für uns gewesen, uns hier größer zu engagieren. Für viele Kunden ist es ein idealer Standort, weil die Anflugszeiten für Hubschrauber von allen Standorten ähnlich ist. Also eine zentrale Erreichbarkeit, die sich positiv auswirkt."

Flughafen-Gegner Träger: "Das Schlimme ist, dass wir recht hatten"

Gegen den Neubau des Flughafens gab es massiven Widerstand von einem Bürgerforum. Es war gegründet worden, um die Initiativen gegen den Flughafen-Neubau zu bündeln. Einer, der sich dort von Anfang an engagierte, ist Axel Träger. Er saß mehr als zehn Jahre in der Gemeindevertretung von Calden, zunächst für die Grünen, später für das Bürgerforum. Dazu war er Ortsvorsteher im Ortsteil Ehrsten.

Flughafen-Gegner Axel Träger

"Auf die Proteste von damals blicke ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Auf der einen Seite könnte man sich zurücklehnen und sagen: Seht her, wir haben recht gehabt. Aber das Schlimme ist, dass wir recht hatten.

Der Flughafen frisst jedes Jahr 6 Millionen Euro. Das ist alles Geld des Steuerzahlers. Es gibt für diesen Flughafen keinen Markt. Das Passagieraufkommen, das prognostiziert wurde, ist utopisch und unmöglich zu erreichen.

Ich habe meine Zweifel, ob das neue Gewerbegebiet funktioniert. Es ist natürlich auch eine Frage der Initiative, die von der Gemeinde kommt, ob so was vernünftig vermarktet wird. Wir haben dieses Gewerbegebiet links und rechts der Verbindungsstraße zwischen Ehrsten und Calden seit 1971. Es ist mit der Arroganz, 'Wir wollen nur Flughafen-affine Betriebe dort haben', nie weiterentwickelt worden. Und das in einer Zeit, wo andere Kommunen ihre Gewerbegebiete zum Laufen gebracht haben.

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Da hat Calden so ziemlich alles verschlafen. Ob das jetzt funktioniert und ob die Träume wahr werden, dass große Unternehmen kommen, die an ganz anderen Stellen in der Republik oder in Europa ihren Stammsitz haben und dort auch ihre Steuern zahlen – da lasse ich mich überraschen.

Ich hoffe, dass der Airport Kassel in zehn Jahren als Verkehrslandeplatz zurückgestuft ist. Ich glaube es aber nicht. Denn dieses Eingeständnis wird auf der politischen Seite nicht passieren. Keiner wird zugeben, dass man hier einen Riesenbock geschossen hat. Es wird weiter die Monstranz vor sich hergetragen, wie toll das alles wird und wie toll die Perspektiven sind.

Piper-Geschäftsführer Weilbach: "Eine Chance für die Region, sich zu entwickeln"

Bei der Piper Deutschland AG, Generalvertretung für Privat- und Geschäftsflugzeuge des amerikanischen Herstellers, denkt man über Expansion nach. Etwa 100 Beschäftigte sind mit Arbeit ausgelastet und die Wartungshalle ist übervoll. Geschäftsführer Patrick Weilbach ist froh, dass sie damals vom alten an den neuen Flughafen umgezogen.

Patrick Weilbach Geschäftsführer Piper steht in Flugzeughalle

"Eine Straße kann auch kein Geld erwirtschaften. Deswegen ist es spannend, dass man bei einem anderen Infrastrukturprojekt wie einem Flughafen sagt: Der muss sich selbst tragen. Nein, Infrastruktur muss sich nicht selbst tragen. Infrastruktur ist dafür da, uns alle voranzubringen, uns Entwicklungsmöglichkeiten zu erschließen.

Wir haben Stärken als Nordhessen. Wir schaffen vielleicht keine 600.000 Passagiere, aber wir schaffen andere Business-Felder, die diesen Flughafen zu einer Erfolgsstory machen werden.

Er gibt nämlich der Region die Chance, sich zu entwickeln. Auch einen Gegenpol gegen die Urbanisierung zu setzen. Wenn wir strukturschwache Regionen nicht entwickeln, dann ziehen die Leute weiter von hier weg.

Beim Flughafen hat in der Region das politische Übereinkunft gefehlt, zu sagen, wir nehmen das Geld in die Hand, wir entwickeln den Flughafen und dann müssen wir auch für infrastrukturelle Bedingungen sorgen, die einem Flughafen gerecht werden. Das wären ein Autobahnanschluss und ein Schienenanschluss.

Dann würde man alle Mobilitätsformen zusammenführen. Hier hat man versucht, aufgrund von Rücksichtnahme, Themen nicht so hart anzugehen, wie man hätte sollen, um es noch mehr zum Erfolg zu machen. Nichtsdestotrotz hat sich der Flughafen trotz dieser Widrigkeiten sehr gut entwickelt."

Bürgermeister Mackewitz: "Wir leben jetzt mit dem, was da ist"

In der Anfangszeit kostete der Flughafen die Gemeinde Calden als Mitgesellschafterin rund 1,1 Millionen Euro im Jahr. Eine große Belastung, lag der Haushalt bei ungefähr 16 Millionen Euro. Durch die Abgabe von drei Prozent der Anteile und eine finanzielle Unterstützung vom Land konnte Bürgermeister Maik Mackewitz (parteilos) die jährliche Belastung auf 400.000 bis 450.000 Euro senken. Dennoch bleibt ein Defizit und der Bürgermeister hofft, dass das neu entstehende Gewerbegebiet die Gemeinde entlasten könnte.

Maik Mackewitz sitzt auf einem Stuhl in seinem Büro. Im Hintergrund unscharf der Schreibtisch.

"Ich bin selbst in der Gemeinde groß geworden und auch mit dem alten Flugplatz. Bevor der Flughafen eröffnet wurde und auch in der Anfangszeit waren die Prognosen ja sehr optimistisch. Es zeigte sich dann aber relativ schnell, dass sich das so nicht realisieren wird. Ich habe dann die ersten Negativwellen zu spüren bekommen. Sowohl im Wahlkampf als auch zu Beginn meiner Amtszeit, weil man dann mit den realen Zahlen umgehen musste, die das für die Gemeinde Calden als Mitgesellschafter bedeutete.

Diese 270 Millionen oder 280 Millionen, die einer seinerzeit ausgegeben wurden - das habe ich so vorgefunden. Ich habe nur die Gegenfrage, ob es uns jetzt besser ginge, wenn diese 280 Millionen hier nicht ausgegeben worden wären. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dann wesentlich besser aussehen würde. Ich würde eher sagen wesentlich schlechter.

Und von daher bin ich als ein Bewohner Caldens und dieser nordhessischen Region froh, dass das Geld hier gelandet ist. Der Flughafen bring gute Rahmenbedingungen für das neue Gewerbegebiet.

Den Tiefpunkt haben wir vielleicht überwunden im Jahr 2022, als wirklich alles darniederlag. Die Hoffnung wäre, dass nach der Krise die Menschen wieder bereit sind, Geld auszugeben, auch für Reisen. Das hätte auch Auswirkungen auf uns hier in Calden. Wir hoffen natürlich, dass die stationierten Flugzeuge hier bleiben."

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Der Flughafen im Fernsehen

In der Comedy-Serie 'Check Check' von Klaas Heufer-Umlauf dient der Kassel Airport als Kulisse. Auch die Serie 'Germany's Next Topmodel by Heidi Klum' drehte eine Folge der zwölften Staffel auf dem Flughafen in Calden. Für die angehenden Models wurde damals das Kofferband zum Laufsteg umfunktioniert.

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