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Bericht sieht Schuld bei Fahrdienstleitern

Eine Lok liegt neben den Gleisen auf einem Feld, Feuerwehr und Polizei stehen daneben.

Eine Reihe falscher Entscheidungen trägt Schuld am fatalen Güterzugunglück im Mai 2022 bei Münster-Altheim. Das ist das Ergebnis eines aktuellen Untersuchungsberichts. Ein Lokführer war gestorben, als zwei Bahnen kollidierten.

Mit hoher Geschwindigkeit fährt ein Güterzug in den frühen Morgenstunden des 19. Mai 2022 auf einen zweiten, stehenden Güterzug auf. Die Lok und einige Wagen springen aus den Schienen, werden bis auf ein angrenzendes Feld geschleudert. Der Zugführer des auffahrenden Zuges wird so schwer verletzt, dass er noch an der Unfallstelle stirbt. Der Zugführer im zweiten Güterzug erleidet einen Schock.

Knapp zwei Jahre später steht fest: Verantwortlich für den verheerenden Güterzugunfall bei Münster-Altheim (Darmstadt-Dieburg) waren sowohl technische Fehler im System als auch Fehlentscheidungen der Fahrdienstleiter. Das ist das Ergebnis eines nun erschienenen, 63-seitigen Untersuchungsberichts der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung aus dem Dezember. "Die Kollision war auf eine Ereigniskette zurückzuführen, die ihren Ursprung [im Stellwerk] Babenhausen hatte", heißt es darin.

An Warnungen gewöhnt

Der auffahrende Güterzug kam aus der Richtung Babenhausen. Dort waren laut dem Bericht die Regeln im Umgang mit der Technik im Stellwerk lückenhaft. So wurde die Zugnummer eines Güterzuges in der Meldeanlage in Babenhausen automatisch durch eine andere überschrieben, dadurch fuhr der vorausfahrende Zug als für die Fahrdienstleister nicht erkennbarer Geisterzug.

Dadurch verortete der Fahrdienstleiter in Dieburg den später aufgefahrenen Güterzug vor Darmstadt‐Kranichstein statt bei Münster-Altheim. In mehreren Gesprächen mit dem Zugführer ließ er sich nicht vom richtigen Standort des Güterzuges überzeugen.

Auch habe der Fahrdienstleiter eine Warnmeldung nicht beachtet. Möglicherweise, weil die Störungsmeldungen im dortigen Stellwerk so häufig auftraten, dass sich ein Gewöhnungseffekt eingestellt habe. Zu diesen Ergebnissen kommt der Untersuchungsbericht.

Bericht sieht Willen zur Aufarbeitung und Prävention

Die Bahn will sich dazu auf Anfrage des hr nicht äußern, da das strafrechtliche Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Das Elektronische Stellwerk in Dieburg sei aber mit modernster Technik ausgerüstet und entspreche allen Vorschriften, hieß es in einer kurzen schriftlichen Stellungnahme am Freitag. Auch die Gewerkschaft EVG sagt nichts zu den Arbeitsbedingungen in den Stellwerken Babenhausen und Dieburg.

Seit dem Unfall wurde dem Bericht zufolge einiges getan, um solche Unglücke in Zukunft zu verhindern. Einige Arbeitsabläufe seien geändert worden. Noch werde geprüft, ob die Software für die Meldeanlage in Babenhausen angepasst werden kann, um die falsche Überschreibungen von Zugnummern zu verhindern.

Es habe Schulungen gegeben und inzwischen sollen verbesserte Regeln für die Planung von solchen Meldeanlagen gelten, schreibt die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung. Auch dazu äußert sich die Bahn auf Anfrage nicht.

Staatsanwalt prüft Anklage

Außerdem prüft die Staatsanwaltschaft Darmstadt immer noch, ob einer der menschlichen Fehler so gravierend gewesen sein könnte, dass wegen Fahrlässigkeit Anklage erhoben werden muss.

Da es sich um ein technisch komplexes Unfallgeschehen handele, sei noch nicht absehbar, wann es zu einer Entscheidung komme, teilte Oberstaatsanwalt Jens Neubauer auf hr-Nachfrage mit.

Kräne bergen Teile des verunglückten Güterzugs bei Münster-Altheim.

Nach dem Unfall war die betroffene Bahnstrecke im Sommer 2022 mehrere Wochen gesperrt worden. Die auf den Gleisen verbliebenen Fahrzeuge wurden mit zwei Kränen geborgen und zerlegt. Über 1.000 Meter Schiene und Oberleitung mussten nach Einschätzungen von Experten erneuert werden. Die Höhe des Schadens wird auf rund zwei Millionen Euro geschätzt.

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