Verein mit Hessens erster Anbau-Lizenz Wie der Gras-Verkauf in einem Cannabis-Club abläuft
Mannshohe Pflanzen, Overall und Schutzbrille und ein "Growmaster" mit grünem Daumen: Ein Fuldaer Cannabis-Club züchtet und verkauft nach langer Anlaufszeit nun Drogen aus eigenem Anbau. Ein Vor-Ort-Besuch.
Sebastian Hüter ist froh, dass er nichts Verbotenes mehr macht, wenn er Gras kauft. Cannabis ist seit etwas mehr als einem Jahr mit Einschränkungen freigegeben. Die Droge kann man in Cannabis-Clubs bekommen. Und als Mitglied einer Anbauvereinigung in Osthessen kauft der 33-Jährige mittlerweile ganz problemlos wie in einem Geschäft ein.
"Es ist eine große Freude und Erleichterung, nun legal an Gras zu kommen, ohne sich strafbar zu machen. Das Thema ist endlich entkriminalisiert worden." Er drehe sich zur Entspannung nach einem harten Arbeitstag mal einen Joint. "Andere trinken halt zwei Gläser Wein", sagt er beim Einkauf im Fuldaer Cannabis-Club Broccoli Buddies.
"Emotionaler Moment"
Die Anbauvereinigung Broccoli Buddies war der erste Verein in Hessen, der im Dezember 2024 nach langem Prozedere mit den Behörden eine Anbaugenehmigung bekam. Und mittlerweile ist der Verein aus Fulda auch einer der ersten, der das im Verein angebaute Cannabis an seine Mitglieder ausgibt.
An Ostern wurde die erste Ernte an Mitglieder verteilt. "Das war aufregend und ein sehr emotionaler Moment für uns", erinnert sich die Vereinsvorsitzende Elena Fischer. Die Anbauvereinigung hat derzeit rund 450 Mitglieder. Sie kommen aus einem Radius von 150 Kilometern und zahlen einen Mitgliedsbeitrag von zehn Euro pro Monat.
Mit Online-Termin zur Abgabestelle
Pro Monat kann ein Mitglied maximal 50 Gramm erwerben, 25 Gramm davon an einem Tag als Höchstmenge. Ein Gramm kostet in Fulda je nach Sorte zwischen 8,50 und 10 Euro. Kunden wie Sebastian Hüter machen online einen Termin aus, kommen zur Abgabestelle und zeigen ihren Mitgliedsausweis.
Elena Fischer nimmt die Bestellung entgegen, nimmt das Gras aus einem großen Glas, wiegt es auf einer Feinwaage und gibt es dem Kunden in einem Behälter verpackt. Wer was kauft, wird digital im Computersystem erfasst. Die Rechnung kann man sich dann auch digital per Mail schicken lassen.
Hüter sagt zu seinen ersten Erfahrungen als Club-Mitglied: "Die Qualität ist mittlerweile recht gut, Geschmack und Wirkung passen für mich." Die Broccoli Buddies haben derzeit drei Sorten in der Blüte. Zwei Namen erinnern an Cocktails: Honey Cream und Lemon Shining Silver Haze. Was angebaut wird, darüber dürfen die Vereinsmitglieder mitbestimmen.
Die Sorten unterscheiden sich nach ihrer Wirkung. Es gibt (Indica-)Sorten, die eine beruhigende Wirkung haben und sich zum Chillen und Runterkommen eignen. Andere (Sativa-)Sorten wirken eher anregend und stimmungsaufhellend, wie "Growmaster" Florian Keidel berichtet. "Wenn man Spaß haben und lachen oder kreativ sein möchte."
Heizungsbauer als "Growmaster"
"Growmaster" Keidel ist im Verein der Chef-Gärtner für die empfindlichen Pflanzen. Er habe einige Jahre Erfahrungen mit Hanfpflanzen gesammelt. "Mittlerweile habe ich einen sehr grünen Daumen."
Keidel ist ehrenamtlich für den Verein tätig. Beruflich ist er Heizungsbauer. Doch auch diese Expertise ist nützlich. "Beim Anbau geht es auch um viel Technik. Da ist es praktisch, dass wir Mitglieder aus mehreren Handwerksberufen im Verein haben, etwa Schreiner und Elektriker", erklärt der 38-Jährige.
Gras aus Anbau-Boxen
Die Abgabestelle und Anbauhalle befinden sich südlich von Fulda in einer ehemaligen Lagerhalle, die der Verein angemietet hat. In der Halle auf dem 450 Quadratmeter großen Gelände stehen boxenartigen Zelte, in denen die Pflanzen angebaut und getrocknet werden. Die Boxen sind 18 Quadratmeter groß und 2,25 Meter hoch.
Um eine Box zu betreten, öffnet Keidel einen Reißverschluss und steigt – mit Overall und Schutzbrille ausgestattet – hinein. Dort checkt er das Wachstum der zum Teil mannshohen Pflanzen. Für Licht und Wärme sorgen LED-Lampen. Frische Luft kommt durch eine Belüftungsanlage.
Sechsstellige Investitionen
Die Anbauhalle so auszustatten, hat einiges gekostet. Eine Summe möchte die Vereinsvorsitzende Fischer nicht nennen. Nur soviel: Die Investition liege im sechsstelligen Euro-Bereich, finanziert durch Mitgliedsbeiträge, Privatmittel und Förderer.
Dass die Fuldaer zu einer Genehmigung gekommen sind, bereits angebaut und geerntet haben, ist alles andere als selbstverständlich. Denn nach großer Euphorie in der Szene zur Teil-Legalisierung und der Möglichkeit, Clubs zu gründen und Cannabis anzubauen, kehrte schnell Ernüchterung ein.
Fuldaer Club kann Kritik an Behörden nicht teilen
Viele Clubs machten die Erfahrung, dass sie immens große Auflagen auf dem Weg zur Anbaugenehmigung zu erfüllen haben, zum Beispiel mit Blick auf Sicherheitsmaßnahmen, Suchtprävention und Dokumentationen. Immer wieder hieß es: Die bürokratischen Hürden der Behörden seien zu hoch.
Fischer sagt, sie habe gute Erfahrungen gemacht mit der Genehmigungsbehörde beim Regierungspräsidium (RP) Darmstadt. "Uns wurde bei der Beantwortung unserer Fragen immer geholfen. Es gab keinen Grund, unzufrieden zu sein."
Alles andere als glücklich ist hingegen die hessische Landesregierung, die das Cannabis-Gesetz akzeptieren muss. Innenminister Roman Poseck (CDU) machte keinen Hehl daraus, dass er überhaupt kein Fan des Cannabis-Anbaus ist.
Keine Angst vor Abschaffung des Cannabis-Gesetzes
Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte sogar schon an, die Teil-Legalisierung von Cannabis künftig rückgängig machen zu wollen. Zu Chancen, Erfolgsaussichten und Hindernissen haben sich bereits Rechtsexperten geäußert. Einer von ihnen sagte: Es könne jederzeit eine "politische Neubewertung" vorgenommen werden.
Elena Fischer sieht keine akute Bedrohung für den Club. "Wir haben keine Angst davor, dass das Cannabis-Gesetz gekippt werden könnte. Es wäre auch falsch, das Rad zurückzudrehen. Es ist wichtig, den Schwarzmarkt auf den Straßen auszutrocknen und sauberes Gras in Umlauf zu bringen." Die Qualität ihrer Produkte werde durch Labor-Untersuchungen überwacht, betonte Fischer.
Fischer könne sich lediglich vorstellen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Cannabis-Anbau möglicherweise verschärft werden. Sollte es dennoch zu einem Verbot kommen, würden sich die Fuldaer Anbauvereinigung einer Sammelklage anschließen, so Fischer.
Erst neun Vereine haben Anbaugenehmigung
Wegen der unsicheren Aussichten schreckten einige Vereine auch davor zurück, ihre Vereinsaktivitäten und den Anbau voranzutreiben. 38 Anträge zum Anbau sind bislang beim zuständigen RP Darmstadt eingegangen. Erst neun Vereine davon haben hessenweit eine Anbaugenehmigung erhalten, wie eine Übersicht zeigt.