Video-Tutorials des Frauennotrufs Frankfurt Anleitung für den Umgang mit Vergewaltigungsopfern

Seit Jahren will der Frauennotruf Frankfurt die Soforthilfe für Opfer von sexueller Gewalt verbessern. Ein neuer Ansatz richtet sich direkt an das Personal in Krankenhäusern und Praxen.

Frau in medizinischem Kittel mit Proben und Dokumenten an einem Schreibtisch
Ausschnitt aus einem der Video-Tutorials, in denen unter anderem gezeigt wird, welche Proben an welche Stellen geschickt werden müssen. Bild © Frauennotruf Frankfurt

Es ist auf den ersten Blick eine ganz gewöhnliche Szene, wie sie sich täglich hundertfach im Eingangsbereich von Kliniken und Krankenhäusern abspielt. Ein Video zeigt, wie sich eine Patientin am Empfangstresen anmeldet.

Doch dann wird klar: Es handelt sich in dem Video um eine Situation, auf die auch erprobtes Krankenhauspersonal nicht immer vorbereitet ist: Die Frau sucht Hilfe nach einer Vergewaltigung.

Das Video ist Teil einer neunteiligen Tutorial-Reihe, das die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt umgesetzt hat. Schon seit Jahrzehnten arbeitet das Team unter anderem aus Psychologinnen und Medizinerinnen daran, die Soforthilfe nach Vergewaltigungen in Frankfurt, Hessen und ganz Deutschland zu verbessern.

Vertraulichkeit im Fokus

"Wir wollen, dass gelehrt wird, dass die Vertraulichkeit der Patientin beachtet wird", nennt Angela Wagner ein Beispiel für das, was die Videos veranschaulichen sollen. Sie ist stellvertretende Geschäftsführerin des Frauennotrufs Frankfurt.

"Dass sehr vorsichtig mit ihnen gesprochen wird, traumasensibel, und dass das Wort Vergewaltigung vermieden wird - gerade, wenn Umstehende zuhören können", sei in dieser Situation besonders wichtig.

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"Nicht flächendeckend selbstverständlich"

Ist das für ausgebildetes medizinisches Personal nicht ohnehin eine Selbstverständlichkeit? "Es gibt sicherlich Kolleginnen und Kollegen, die das hervorragend machen", sagt Unfallchirurgin Jasmina Sterz vom Frankfurter Interdisziplinären Simulationstraining, wo die Videos gedreht wurden. "Aber es ist noch nicht flächendeckend selbstverständlich, dass wir das im Studium lernen."

Außerdem: "Selbst wenn ich das im Studium mal gelernt habe - ob ich das dann nachts um drei noch herauszaubern kann, das sei mal dahingestellt." Deshalb richteten sich die Videos sowohl an Studierende als auch an fertig ausgebildete Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern und in niedergelassenen Praxen.

Von der Erstversorgung bis zur Nachsorge

"Es ist ganz zentral, dass nicht nur ärztliches Personal geschult wird, sondern das gesamte Team", fügt Rechtsmedizinerin Lilly Graß vom Frauennotruf hinzu. "Es gilt, von der Türschwelle beim Eingang bis zur Türschwelle beim Ausgang einen traumasensiblen Kontakt zu gestalten."

Zwei Frauen auf zwei Seiten eines Tresens in einer Gesprächssituation in einer Arztpraxis.
Ausschnitt aus einem der Video-Tutorials, in denen unter anderem gezeigt wird, wie Anamnesegespräche mit Frauen nach einer Vergewaltigung ablaufen sollten. Bild © Frauennotruf Frankfurt

Gezeigt werde in den neun Videos deshalb "der Komplettbogen", sagt Graß. Der richtige Erstkontakt, dann die Fotodokumentation und Spurensicherung durch Ärztinnen und Ärzte, der richtige Versand der gesicherten Proben an zuständige Stellen und schließlich die Nachsorge. Auch spezielle Versorgungsansätze für männliche Betroffene oder trans* Personen seien Thema eines der Videos.

Versorgung auch ohne Anzeige möglich

Laut dem Frauennotruf Frankfurt bleiben viele Betroffene von Vergewaltigungen medizinisch unversorgt - weil sie unmittelbar nach der Tat nicht entscheiden können, ob sie diese zur Anzeige bringen wollen. Oftmals gebe es die Befürchtung, dass ihnen diese Entscheidung abgenommen wird, wenn sie sich in Behandlung begeben.

Deshalb verfolgt das Modellkonzept den Ansatz, dass Betroffenen der Zugang zur medizinischen Versorgung so niedrigschwellig wie möglich gestaltet werden soll. Eine Spuren- und Befundsicherung könne auf Wunsch auch erfolgen, ohne dass eine Anzeige erstattet wird.

Beteiligte Kliniken in ganz Hessen

Allein in Frankfurt haben sich sieben Kliniken dem Soforthilfe-Modellprojekt des Frankfurter Frauennotrufs angeschlossen. In 14 weiteren hessischen Kreisen oder Städten gibt es ebenfalls Kliniken, die nach diesem Modell verfahren, genau wie an einzelnen weiteren Häusern in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen.

Hier könnten Frauen nach einer Vergewaltigung sicher gehen, dass das sensibel auf ihre Notsituation eingegangen werde, sagt Wagner. Das Personal werde hier durch regelmäßige Fortbildungen - und künftig auch durch die neuen Videos - geschult.

Weitere Informationen

Hilfe bei Gewalt gegen Frauen

Bei akuter Gefährdung: Polizeinotruf 110

Die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt ist unter 069 70 94 94 zu erreichen.

Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist unter der bundeseinheitlichen Telefonnummer 08000 116 016 rund um die Uhr, kostenfrei, anonym, barrierefrei erreichbar - auch online. Der Anruf und die Nummer erscheinen nicht auf der Telefonabrechnung. Die Beratung erfolgt vertraulich und auf Wunsch anonym. Eine Beratung ist in 18 Fremdsprachen möglich.

Die Beraterinnen leisten psychosoziale Erstberatung sowie Krisenintervention und vermitteln auf Wunsch an Unterstützungseinrichtungen vor Ort weiter, etwa an eine Frauenberatungsstelle oder ein Frauenhaus in der Nähe. Auch Menschen aus dem sozialen Umfeld der Gewaltbetroffenen können sich an das Hilfetelefon wenden.

Weitere Informationen zu Hilfsangeboten bei häuslicher Gewalt finden sich auf der Seite des Hessischen Sozialministeriums.

Ende der weiteren Informationen

Redaktion: Pia Stenner

Quelle: hessenschau.de mit Informationen von Luisa Schneider