Nach Überlastungsanzeigen  Lehrerinnen fühlen sich von Staatlichem Schulamt eingeschüchtert

Zwei Drittel der Wiesbadener Grundschulen stellten gemeinsam eine Überlastungsanzeige. Das Schulamt hat zwar mit Gesprächsangeboten reagiert. Doch die Personalräte der Schulen trauen der Sache nicht.

Lehrerin an digitalem Whiteboard macht Matheaufgaben vor Kindern, die sich melden
Zahlreiche Lehrkräfte fühlen sich am Limit Bild © dpa / picture alliance, Symbolbild

Katja Giesler, Grundschullehrerin und Personalrätin an der Geschwister-Scholl-Schule in Wiesbaden, ist frustriert. In der vergangenen Woche stellte sie gemeinsam mit Vertreterinnen von 40 weiteren Grundschulen eine Überlastungsanzeige. Das Schulamt hat nun Schulleitungen und Personalräte zu einzelnen Gesprächen eingeladen. Für Personalrätin Giesler kein Grund zur Freude.

Sie spricht gegenüber dem hr von Einschüchterung: "Meiner Meinung nach soll versucht werden, Angst zu schüren und Einschüchterung zu verbreiten. So dass man sich dem nicht gewachsen fühlt als einzelner Personalrat." 

Videobeitrag

Streit über Überlastungsanzeigen der Grundschulen

hs_130625
Bild © hessenschau.de
Ende des Videobeitrags

Personalräte fürchten "heißen Stuhl" 

Nach hr-Informationen schrieb das Staatliche Schulamt Wiesbaden die unterzeichnenden Schulen einzeln an und wollte wissen, wie die Überlastungsanzeige zustande gekommen sei und wer genau sie unterschrieben habe.

Für die Antworten setzte das Amt eine Frist von drei Stunden. Bis zum Freitagvormittag hätten 13 Schulleitungen angegeben, von der Überlastungsanzeige nichts gewusst zu haben, teilte die dem Land unterstehende Behörde dem hr mit.  

Weitere Informationen

Was ist eine Überlastungsanzeige?

Beamtinnen und Beamte dürfen nicht streiken. Wenn aber die Arbeitsbedingungen ihre Gesundheit belasten oder die Qualität des Unterrichts leidet, können sie eine Überlastungs- oder Gefährdungsanzeige stellen.
Diese kann, wie im aktuellen Fall, auch von mehreren Personen gemeinsam eingereicht werden. Und: In einer Überlastungsanzeige dürfen sie dann dem Arbeitgeber Vorschläge zur Lösung der Probleme machen.

Ende der weiteren Informationen

Bei Katja Giesler, die die Sammelanzeige angestoßen hat, meldeten sich nach eigener Auskunft bereits viele Personalräte, um ihre Sorgen auszudrücken. Sie befürchten, im Schulamt "auf einen heißen Stuhl gesetzt zu werden", berichtet Katja Giesler. Das Problem werde klein geredet, nur einzelnen Schulen zugeschrieben.  

Runder Tisch erwünscht

Die Gesamtpersonalrätin für die Wiesbadener Schulen, Manon Tuckfeld, deutet die Reaktion des Amtes als "administrative Härte": "Was man jetzt erreichen will, ist, dass man diesen massiven Block der 41 Schulen, die sich gemeinsam aufgemacht haben, ihre Überlastung anzuzeigen, irgendwie zerbröseln will."

Das Schulamt habe so reagiert, wie sie befürchtet hätten, sagt Tuckfeld. Ihre Hoffnung sei eine andere gewesen: ein runder Tisch mit Vertretern des Schulamts, des Kultusministeriums und aller Schulleitungen und Personalräte. So könnten gemeinsam konkrete Lösungen gefunden werden, die die Grundschulen entlasten. 

Strukturelle Probleme  

41 der insgesamt 66 Grundschulen im Schulamtsbezirk Wiesbaden Rheingau-Taunus-Kreis unterschrieben die Überlastungsanzeige und gaben sie vergangene Woche beim Staatlichen Schulamt in Wiesbaden und im Kultusministerium ab. Die Schulen begründeten das damit, dass die angezeigten Missstände sich nicht individuell klären ließen, sondern strukturell bedingt und als sinnvoll nur politisch anzugehen seien. Konkrete Lösungsvorschläge lieferten sie gleich mit. 

 Konkret kritisieren die Schulen unter anderem:

  • Einen erheblichen Mangel an qualifizierten Lehrkräften. Dafür gebe es mehr Vertretungskräfte ohne pädagogische Ausbildung, die nur begrenzt einsetzbar seien.
  • Eine stetige Zunahme an Verwaltungsaufgaben, gleichzeitig aber immer mehr Schülerinnen und Schüler mit psychischen Belastungen oder Förderbedarf. 
  • Ein zu hohes Arbeitspensum. 
  • Zu große Klassen. 

Schulamt und Ministerium verteidigen Vorgehen 

Auf Anfrage des hr reagiert das Schulamt Wiesbaden schriftlich: "Da die Anzeige nicht individuell auf eine Schule bezogen ist, müssen wir, um entlastende Maßnahmen vornehmen zu können, den Bedarfsstand der einzelnen Schulen erheben."

Man wolle die Probleme durchaus gemeinsam angehen, so das Schulamt weiter: "Wir haben angefangen, die Schulleiterinnen und Schulleiter sowie die Vorsitzenden der örtlichen Personalräte zu Bilanzierungsgesprächen einzuladen." 

Auch das Kultusministerium wollte nur ein schriftliches Statement abgeben. Auch hier sieht man sich auf Kooperationskurs: "Es ist gut und wichtig, dass das Staatliche Schulamt in Wiesbaden mit seiner Zuständigkeit jetzt vor den Ferien mit den betreffenden Schulen in einen engen Austausch kommt, um passende Maßnahmen vor Ort abzustimmen. Das entspricht auch ganz dem Zweck einer Überlastungsanzeige."

Stadtelternbeirätin appelliert an Politik 

Die Stadtelternbeirätin Angela Weck zeigt sich auf Anfrage des hr enttäuscht von der Reaktion des Schulamtes: "Die Suche nach konkreten Lösungen, das fehlt mir komplett."

Weck findet aber auch, dass Gesprächsangebote grundsätzlich zu befürworten seien, obwohl dem Schulamt sicherlich selbst wenig Spielraum bleibe, etwa für personelle Verstärkung an den Grundschulen. Hier sei vielmehr die Politik gefragt. 

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de