Engagement für Vielfalt im Verein "Fabian Salars Erbe - für Toleranz und Zivilcourage e.V."

Tausende Menschen demonstrieren gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft. Im Alltag setzen sich Organisationen für gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen Rechtsextremismus ein. Zwei Beispiele aus Hessen.

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Wie sich zwei Vereine für Demokratie und Vielfalt engagieren

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Gemeinsam gegen rechts – dafür gehen auch in Hessen viele tausend Menschen auf die Straße. Am Samstag fanden Kundgebungen und Demos unter anderem in Frankfurt und in Kassel statt. Auch in anderen Teilen Deutschlands wurde bereits gegen rechts demonstriert: Zehntausende kamen in den vergangenen Tagen zum Beispiel zu Protesten in Hamburg, Leipzig und Köln.

Anlass der Demos: die Veröffentlichung der Correctiv-Recherche zu einem geheimen Treffen Rechtsextremer. Demnach trafen sich im November vergangenen Jahres Neonazis, hochrangige AfD-Politiker und Unternehmer bei Potsdam im Geheimen, um die Vertreibung von Millionen Menschen zu planen.

Engagement für Vielfalt 

Das Entsetzen nach den Enthüllungen war groß. Auf Social-Media-Kanälen wie Instagram, Facebook oder X kam bei Nutzerinnen und Nutzern die Frage auf: Wie kann ich mich, abgesehen von Demos, gegen rechts einsetzen?

Für Daniel Mullis vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt steht bürgerliches Engagement an erster Stelle. Denn das sei wichtig für eine vielfältige Gesellschaft, sagt er. Mullis beschäftigt sich schon länger wissenschaftlich mit dem Erstarken der Rechten.  

Daniel Mullis

In den Gemeinden würden Tag für Tag die Fragen nach sozialer Teilhabe, Integration und Pluralität ausgetragen, so Mullis. Bürgerschaftliches Engagement habe hier einen direkten, positiven Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein besseres Miteinander.

Über den Tellerrand 

Lily Lipovac engagiert sich in der Organisation "Über den Tellerrand Frankfurt", sie hat dort einen Kreativ-Workshop angeboten. Vor einigen Jahren kam sie aus Kroatien nach Deutschland, wie sie erzählt. "Deswegen konnte ich mich gut in die Menschen hineinversetzen, die hier herkommen und vielleicht nach Angeboten suchen, um sich miteinander zu beschäftigen, die Sprache zu lernen und ein bisschen besser anzukommen in Deutschland."

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops kommen aus verschiedenen Ländern – manche sind schon länger, manche noch nicht so lange in Deutschland. In dem Kurs erstellen sie unter anderem sogenannte "Vision Boards" mit ihren persönlichen Plänen für die Zukunft.  

Lily Lipovac

Anderen Menschen und Kulturen begegnen und durch gemeinsames Kochen, Sprachcafés oder andere Aktivitäten den sozialen Zusammenhalt stärken – das will der Verein erreichen. Er wurde 2013 gegründet, mit dem Ziel, Menschen mit Fluchterfahrung soziale Teilhabe zu bieten. Mittlerweile gibt es in 40 Städten solche Angebote zur Begegnung, unter anderem in Frankfurt. 

Die aktuelle Lage rund um die AfD und rechte Stimmen finde sie sehr beunruhigend, sagt Workshop-Teilnehmerin Alona, die aus der Ukraine nach Hessen kam. Dabei zu sein, gebe ihr ein Gefühl von Zusammenhalt.

Auch Teilnehmerin Rahel ist begeistert von dem Konzept. Dadurch, dass man gemeinsam koche oder oder etwas Kreatives mache, habe man direkt einen Draht zu den anderen. "Es ist egal, welche Sprache man spricht, irgendwie verständigt man sich immer", meint sie.

Organisatorin Lily Lipovac freut sich, ihre positiven Erfahrungen teilen. "Man kann sehr gut leben mit zwei Heimaten im Herzen."

Die Teilnehmerinnen des Kreativseminars erstellen "Vision Boards".

"Courage, leicht gemacht"

Sich kreativ engagieren geht zum Beispiel auch bei dem gemeinnützigen Verein "Fabian Salars Erbe - für Toleranz und Zivilcourage" in Südhessen. Das Ziel: Events und Aktionen organisieren, für mehr friedliches, tolerantes und soziales Engagement. Für Salome Saremi-Strogusch ist der Verein an der Bergstraße eine Herzensangelegenheit. 

Der Grund für die Vereinsgründung war der tragische Tod ihres Bruders, Fabian Salar Saremi. Der 29-Jährige setzte sich Ende September 2008 für eine Frau ein, die abends von mehreren Männern bedrängt wurde. Die Männer verprügelten ihn, ließen ihn bewusstlos auf der Straße liegen – schließlich überrollte ihn ein Auto. Er starb.

Migrantische Themen sollen gehört werden

"Wir versuchen, Menschen und Organisieren zusammenzubringen, zu sensibilisieren und zu empowern, damit migrantische Themen gehört werden", erzählt Salome Saremi-Strogusch. Der Schwerpunkt sei die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Ein Projekt etwa: das Antidiskriminierungsnetzwerk, gefördert vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration. Dadurch seien sie gut vernetzt, aber es gebe bei den Themen wie Rassismus und Antisemitismus große Widerstände.  

Nach den Landtagswahlen im vergangenen Jahr sei das Büro beschmiert und beklebt worden, es habe viele Hassnachrichten gegeben. Umso schöner sei jede Unterstützung ihrer Arbeit und ein Funken Hoffnung.

Salome Saremi-Strogusch

Demonstrieren gehen reiche nicht aus, meint Saremi-Strogusch, die die Correctiv-Recherche nicht überrascht hat. Finanzielle Fördertöpfe für politische Bildung dürften besonders jetzt nicht gekürzt werden. Es könne nicht allein die Aufgabe der Zivilbevölkerung sein, sich für demokratische Werte einzusetzen.  

Wie stark ist unsere Gesellschaft von rechten Strukturen durchzogen? 

Der Wahlerfolg der AfD zeige das Erstarken rechter Strukturen in unserer Gesellschaft, so Daniel Mullis vom Leibniz-Institut. Bei der vergangenen Landtagswahl wurde die AfD zweitstärkste Kraft in Hessen. Besonders in der Wetterau, dem Lahn-Dill-Kreis und dem Schwalm-Eder-Kreis wählten viele die Rechtspopulisten. 

Es sei kein reines Partei-Problem, sondern ein gesellschaftliches. Die Krisenerfahrungen der letzten Jahre hätten viele grundlegend verunsichert. Mullis kritisiert, dass auch Parteien der konservativen Mitte bei Themen wie Gendern, Migration und Armut politisierten und damit eine Polarisierung der Gesellschaft vorantrieben. 

Auch politische Antworten sind gefragt

Ein Gefühl der Machtlosigkeit, Resignation und Enttäuschung angesichts eines Erstarkens der Rechten sei verständlich, so Mullis. In den vergangenen Jahren seien die Ängste der rechtsstehenden, "besorgten Bürger" eher in den politischen Resonanzraum gedrungen als die Gegenstimmen, die um eine pluralistische und demokratische Gesellschaft besorgt waren. 

Es gebe eine Ungleichheit in der Reaktion auf Protest: Viele fühlten sich in ihrer Sorge um eine offene Gesellschaft nicht gehört. Ein Engagement der Zivilgesellschaft sei wichtig, aber angesichts der aktuellen Situation nicht ausreichend. Um für Menschenrechte und eine bunte Gesellschaft einzutreten, brauche es politische Antworten. 

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