Kombination aus zwei Fotos nebeneinander: links ein Handgelenk mit einem Tatoo, rechts ein Unterarm mit einem ähnlichen Tatoo.

Organspende - ja, nein, vielleicht? Um sich als potenzielle Spender kenntlich zu machen, lassen sich immer mehr Menschen ein bestimmtes Symbol tätowieren. Die Kampagne nimmt rasant Fahrt auf. Doch wie wirksam ist ein solches Tattoo?

Audiobeitrag

Audio

Warten, bangen, aufatmen: Zwei Patienten berichten von ihren Erfahrungen mit der Organspende

Operationssaal
Ende des Audiobeitrags

Zwei Halbkreise und ein ganzer Kreis oder zwei Buchstaben, ein O und ein D – das geometrische Symbol ist klar und minimalistisch gestaltet und mit nichts zu verwechseln, was man schon kennt. Die Rede ist vom Design des Organspende-Tattoos, für das der Verein Junge Helden seit März eine große Kampagne fährt.

Zahl der Organspenden seit Jahren niedrig

Die Idee dahinter: mehr Menschen für das Thema Organspende zu sensibilisieren und potenzielle Organspender auf den ersten Blick kenntlich zu machen. Der in Mainz ansässige Verein Junge Helden betreibt seit 20 Jahren Aufklärungsarbeit zum Thema Organspende und wirbt für den altbekannten Organspendeausweis. "Doch die Zahlen der Organspenden bleiben konstant schlecht, seit wir mit unserer Arbeit begonnen haben", sagt Anna Barbara Sum, Mitbegründerin der Jungen Helden.

In Hessen gab es nach Angaben der Landesärztekammer 51 Organspender im Jahr 2022, das sind acht Spender pro eine Million Einwohner. Rund 600 Menschen warten nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) aktuell auf ein Spenderorgan, das ihr Leben retten soll.

Nach Angaben der Jungen Helden stehen 84 Prozent der Deutschen dem Thema Organspende positiv gegenüber. Und dennoch: Die Zahlen potenzieller Spender bleiben seit Jahren niedrig und sind seit der Corona-Pandemie nochmal gesunken. Zu wenige Menschen füllen einen Organspendeausweis aus oder hinterlegen ihre Bereitschaft formal, etwa in einer Patientenverfügung.

Tattoo macht potentielle Organspender sichtbar

Doch was tun? "Wir wollten mit dem Organspende-Tattoo jetzt einen unkonventionellen Weg gehen, denn die Tattoobereitschaft gerade bei jungen Menschen ist sehr groß, ein Viertel der Deutschen ist bereits tätowiert", sagt Anna Barbara Sum. "Wer das Motiv auf der Haut trägt, macht sich als potenzieller Organspender sichtbar und regt außerdem zu Diskussionen und zum Nachdenken an."

Bereits 300 Tattoo-Studios in ganz Deutschland stechen das Symbol kostenlos, und täglich kommen neue hinzu, wie eine elektronische Karte auf der Homepage der Jungen Helden zeigt. "Es wird rasant mehr, die Leute zeigen ihr Tattoo etwa unter #optink oder #organspendetattoo in den Sozialen Medien, auf Instagram, wir kommen mit den Zählen nicht nach, heute waren es bereits über 3.000 Menschen mit diesem Tattoo."

Tätowierer stechen kostenlos und klären auf

"Für mich ist es eine Herzensangelegenheit, das zu stechen, natürlich kostenlos", sagt Tätowierer Tobias Hilgenhaus von 13th Ink Road in Freigericht (Main-Kinzig). "Ich hatte selbst Krebs und weiß, wie wichtig Hilfe im Krankheitsfall ist."

Eine Tätowiererin mt bunten Tattoos auf den Armen bei der Arbeit

Auch Tätowiererin Pia Thorbrygger von P-Insel Tattoo aus Mainz ist seit Kurzem bei der Aktion dabei, sticht das Motiv einzeln kostenlos für bereits Entschlossene. Zu regulären Terminen in ihrem Studio bietet sie es außerdem als kostenlose Zugabe an und leistet damit Aufklärungsarbeit zum Thema Organspende. "Ich wünsche mir, dass die Kampagne immer größer wird und möglichst viele Menschen das Motiv tragen und auch erkennen, wenn es darauf ankommt."

Beide Tattoo-Künstler betonen, wie wichtig es sei, dass die Kunden mit ihren Angehörigen und Freunden über das Motiv sprechen. Um somit weitere Menschen zur Organspende zu ermutigen - ob mit oder ohne Tattoo.

Tattoo, Organspendeausweis und informierte Angehörige

Die Angehörigen spielten im Fall einer möglichen Organspende eine wichtige Rolle, sagt der Haupttransplantationsbeauftrage der Uni-Klinik Frankfurt, Florian Raimann. Er hat von der Tätowieraktion gehört, sieht das Thema aber "zwiegespalten". "Wenn der Patient das Symbol wirklich bewusst gewählt hat, heißt das ja auf jeden Fall, dass sich der Mensch dezidiert mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt hat." Das sei gut und das Motiv eine "zusätzliche Absicherung" bei der Klärung des Willens des Verstorbenen.

Raimann weist aber darauf hin, dass eine Tätowierung allein kein rechtlich bindendes Dokument und eben auch nur erschwert revidierbar sei, falls sich der potenzielle Spender im Lauf seines Lebens umentscheidet. In jedem Fall würden die Angehörigen gefragt, falls keine Patientenverfügung oder ein Organspendeausweis zusätzlich vorlägen. "Es ist also unbedingt sinnvoll, den Angehörigen zu erklären, was das Tattoo bedeutet, damit es wirken kann."

Organspendeausweis Organspende-Ausweise

Einwilligungserklärung zu den eigenen Akten nehmen

Die deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die die Organspende in Deutschland koordiniert, begrüßt die Kampagne. "Ein Tattoo - wie aus der aktuellen Kampagne der Jungen Helden - kann ein Statement setzen für die Organspende und den Angehörigen im Falle eines Falles eine wertvolle Orientierung geben." Einen Organspendeausweis sollten Spendenwillige wegen der fehlenden Rechtskräftigkeit einer Tätowierung aber trotzdem ausfüllen.

Oder die Einwilligungserklärung für das Tattoo zu ihren Unterlagen nehmen, die grundsätzlich von Tätowierern verlangt wird, und nun von den Jungen Helden für dieses spezielle Motiv um einen rechtlich bindenden Punkt zur Organspende ergänzt wurde. Die Empfehlung lautet, ein Exemplar beim Tätowierer oder der Tätowiererin zu lassen und eines mit nach Hause zu nehmen und die nächsten Angehörigen darüber zu informieren.

Auch Ärzte und Kliniken müssen informiert werden

Die Jungen Helden sind derzeit auch damit beschäftigt, die medizinische Seite mit ins Boot zu holen. "Organspende findet auf der Intensivstation statt. Wir arbeiten daran, Krankenhäuser und Gesellschaften zu informieren, dass sie das Symbol erkennen und es ernst nehmen", sagt Mitbegründerin Anna Barbara Sum.

Und je mehr Menschen sich beteiligten, umso größer sei auch die Strahlkraft in Richtung Politik. "Wir wünschen uns sehr, dass dieser Schwung aus der Bevölkerung auch auf die Politik übertragen wird und Deutschland wie andere europäische Länder die Widerspruchsregelung einführt."

Hessen wie auch andere Bundesländer plädieren schon lange für diese Widerspruchslösung, bei der nur Menschen kein Organspender sind, die sich explizit dagegen aussprechen. Eine solche Lösung war zuletzt vor drei Jahren vom Bundestag abgelehnt worden.

Weitere Informationen

Organspende: Diese Regel gilt in Deutschland

In Deutschland gilt beim Thema Organspende die so genannte Entscheidungslösung: Der Organspender muss sich aktiv für die Organspende entscheiden und diese Entscheidung schriftlich kundtun, etwa durch einen Organspendeausweis. Die medizinische Voraussetzung für die Organentnahme ist der irreversible Hirnfunktionsausfall beim Patienten.

Liegt aber weder eine schriftliche Zustimmung noch ein Widerspruch zur Spende vor, werden die nächsten Angehörigen gefragt und müssen eine Entscheidung für oder gegen eine Organspende treffen. Ist niemand greifbar, der diese Entscheidung treffen kann, dürfen keine Organe entnommen werden.

Ende der weiteren Informationen
Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen