Es ist das alte Spiel
In Nordhessen haben Männer auf einem Kirmeswagen in Jogginghosen junge Migranten nachgeäfft, Messer geschwungen und ein rassistisches Banner zur Schau getragen. Es ist das alte Spiel rechter Provokationen: Erst wird gehetzt, was das Zeug hält, danach Reue geheuchelt.
Es ist ein mittlerweile bewährter Sport vor allem unter Rechten, erstmal ordentlich einen rauszuhauen und dann die Opferrolle rückwärts zu machen. Also eine rassistische Lüge, Hetze, Polemik verbreiten und dann ein großes "Sorry" hinterher zu schieben.
Dazu gehört oft auch wehleidiges sich selbst Bejammern, eine Portion Bedauern und Aussicht auf Wiedergutmachung für die Öffentlichkeit, damit die sich beschwichtigt fühlen kann. Die Botschaft: Blöd gelaufen, aber so schlimm war es doch gar nicht.
Zufällig rassistisch, nicht etwa dadaistisch
Aktuell lässt sich das wieder beobachten: Ein Kirmeswagen mit Hetze gegen Migranten in Neukirchen (Schwalm-Eder), dann - sinngemäß - ein reumütiges 'Wir wissen gar nicht, wie das passieren konnte' des verantwortlichen Vereins Burschenschaft Neukirchen und die dazugehörige Entschuldigung. Es langweilt, es wiederholt sich, es ist kalkuliert – und furchtbar platt.
Wer glaubt denn ernsthaft dem Verein als Organisator der Kirmes, dass bei dem monatelang vorbereiteten Umzug nicht aufgefallen sein soll, dass der eigene Wagen besetzt mit den eigenen Leuten rassistische Stereotype bediente. Dass die Beteiligten mit Spielzeugmessern hantierten, um Flüchtlinge zu diffamieren und auf einem Banner Menschen pauschal als "Räuber" bezeichnet werden, die ohne deutschen Pass in Deutschland leben.
So etwas passiert nicht aus Versehen. Niemand stand am Ende des Umzugs da und sagte "Ups, was ist uns denn da für ein Wortsalat rausgerutscht". Und dann auch noch zufällig rassistisch, nicht einfach dadaistisch zum Beispiel.
Wahrscheinlich war es einfach genau so gemeint
Irgendwer hat die Plakate gemalt, irgendwer hat sie am Wagen aufgehangen, irgendwer hat die Jogginghosen, mit denen migrantische Jugendliche nachgeäfft werden sollten, gekauft. Die Beteiligten haben sie getragen, und viele fanden es wahrscheinlich extrem lustig.
Die Wahrheit ist wohl, dass die Beteiligten solche Vorurteile halt im Kopf haben und das Ganze unter Gelächter mit reichlich Bier vor- und nachbereitet haben. Diese These ist aus einem zentralen Grund naheliegend: Wer sich so offen rassistisch verhält, meint es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch genau so.
Rechte Parolen nicht verniedlichen
Das Ganze erinnert auch an die über Jahre im guten Glauben gepflegte – völlig falsche – Vorstellung, die AfD verbreite rechtsextreme Parolen, ohne rechtsextrem zu sein. Nein: Sie sagt genau das, was sie auch denkt. Und die AfD ist es auch, die den Sport mit der rechten Opferrolle rückwärts in Deutschland groß gemacht hat.
Es ist fast rührend, dass viele Leute ausgerechnet rechte Parolen gerne als Versehen verniedlichen. So hoffnungsvoll kann man an das Gute im Menschen glauben – aber so hart kann man sich auch täuschen.