Migranten als "Räuber" bezeichnet Burschenschaft Neukirchen empört mit rassistischem Kirmeswagen

Bei der Neukirchener Kirmes ist ein örtlicher Verein mit einem Wagen aufgetreten, auf dem Migranten als "Räuber" verunglimpft werden. Beteiligte verkleideten sich als "Talahons" und fuchtelten mit Messern herum. Das sorgt nun für Ärger.

Ein Wagen der Burschenschaft Neukirchen auf der Kirmes mit der Aufschrift "Ali Baba und die 14 Millionen Räuber"
Die Burschenschaft Neukirchen auf ihrem Kirmes-Wagen, mit dem sie sich offen über Migranten lustig macht. Bild © privat

Auf dem Instagram-Account der Burschenschaft Neukirchen (Schwalm-Eder) ging es in diesem Jahr vorwiegend um zwei Dinge: Biertrinken und die Vorbereitungen für die Babiller Pfingstkirmes, vor allem in Form von Witzen über den zu erwartenden Alkoholrausch. Die Burschenschaft organisierte die Kirmes Anfang Juni.

Sie war auch selbst vertreten mit einem Wagen, und dessen offenbar für witzig befundene Aufmachung sorgt nun für Diskussionsstoff: Darauf standen junge Männer, die sich als sogenannte "Talahons" verkleidet hatten. Dazu trug der Umzugswagen ein Banner mit der Aufschrift "Ali Baba und die 14 Millionen Räuber". Zuerst hatte die HNA darüber berichtet.

Videobeitrag

Rassistischer Wagen auf Neukirchener Kirmes

hs 20.06.2025
Bild © hessenschau.de
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Ausländer als "Räuber" bezeichnet

Seit Bilder davon im Internet und sozialen Netzwerken kursieren, ist Schluss mit lustig: Neukirchens Bürgermeister Marian Knauff (SPD) verurteilte den Wagen als rassistisch. Hätte er schon beim Umzug von der Aufmachung des Wagens Kenntnis gehabt, hätte er dessen Teilnahme untersagt, erklärt Knauff am Freitag.

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Burschenschaft Neukirchen

Die Burschenschaft Neukirchen ist keine Studentenverbindung, sondern ein Verein, der die örtliche "Babiller Pfingstkirmes" organisiert.

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Der Ausdruck "14 Millionen Räuber" spielt offenbar auf die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen ohne deutschen Pass an, die - dieser Eindruck muss entstehen - pauschal als kriminell gebrandmarkt werden.

"Talahon" ist in rechten Kreisen ein Feindbild und ein beliebtes Schmähwort gegen migrantische Jugendliche. Auch auf politischer Ebene wurde der Begriff schon verwendet, etwa bei der AfD oder der CDU. Der Begriff "Talahon" ist aber durchaus auch eine Selbstbezeichnung, mit der Jugendliche vor allem auf Tiktok - mal mehr, mal weniger ironisch - prollig, sexistisch und mit Gangster-Attitüde in Markenklamotten posen. Er stand zudem in der Endrunde um das Jugendwort des Jahres.

Bürgermeister: "Fremdenfeindliche Intention"

Laut Bürgermeister Knauff war auf dem Wagen auch der Schriftzug "Talahon BRD-Ausbildungscamp" zu lesen.

Außerdem hätten die verkleideten Teilnehmer mit ihren Messer-Attrappen dabei martialisch posiert. Das unterstreiche die "fremdenfeindliche Intention ihrer Teilnahme", sagte Knauff. In der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachteten AfD und ähnlich denkenden Kreisen ist der Begriff "Messermänner" schon seit einigen Jahren ein rassistischer Begriff, um pauschal gegen Flüchtlinge zu hetzen.

Burschenschaft distanziert sich

Die Provokation mit rassistischen Vorurteilen auf ihrem Kirmeswagen versucht die Burschenschaft Neukirchen mittlerweile irgendwie wieder einzuholen. In einem ausführlichen Statement gegenüber dem hr distanziert sich der Vorsitzende Fabian Keil "mit Nachdruck von jeglicher Art von Extremismus, Menschenfeindlichkeit, Diskriminierung oder Hetze". Er versucht auch zu erklären, wie genau solche Inhalte am Ende auf dem Wagen der Burschenschaften gelandet sind.

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Die aktiven Vereinsmitglieder seien so beschäftigt gewesen mit der Vorbereitung der Kirmes, dass kurzfristig Nicht-Mitglieder beim Wagen "unterstützten", so Keil. Am Ende waren also Mitglieder und Nicht-Mitglieder beteiligt. Es habe einen Verhaltenskodex für die Wagen gegeben, allerdings habe es die Burschenschaft nicht geschafft, vorab alle Wagen zu kontrollieren. Und so soll dann ausgerechnet der Wagen, für den die Burschenschaft selbst verantwortlich war, gegen die Regeln der Kirmes und des demokratischen Miteinanders verstoßen haben.

Vereinsvorsitzender: "Geschmacklos und grenzüberschreitend"

Der Wagen sei "geschmacklos und grenzüberschreitend" sowie herabwürdigend für ausländische Mitbürger, stellte Keil rückblickend fest, was allerdings während der Kirmes offenbar niemandem auffiel oder störte. "Den beteiligten BS-Mitgliedern drohen jetzt ernsthafte vereinsinterne Konsequenzen", schreibt der Vorsitzende Keil. Man entschuldige sich für den Vorfall.

Kurz nach der mehrtägigen Kirmes hatte die Burschenschaft auf Instagram noch ein anderes Fazit gezogen: "Unsere Helfer haben in 5 Tagen genug Bier gezapft, um einen See zu füllen", heißt es da. Es folgt ein Dank für die Unterstützung - "auch wenn sich einige von euch vermutlich an Teile davon nicht mehr erinnern können".

Demokratie-Initiative macht Fall öffentlich

Öffentlich gemacht wurde der Fall des Wagens einige Tage nach der Kirmes auch durch die Initiative "Die Schwalm für Demokratie", die ein Schreiben zu dem Vorfall aufsetzte.

Friederike Bär von der Intitiative war auch selbst vor Ort, sie beschreibt, dass der Wagen eine "negative Show" gemacht habe, bei der sich die Männer auf dem Wagen offen über Menschen mit Migrationshintergrund lustig gemacht hätten.

Die Kirmes sei ein großes Fest im Ort, "man muss sich mal vorstellen, wie das ist, etwa als Familie mit türkischen Wurzeln dorthin zu gehen. Wie soll sie das ihren Kindern erklären?", fragt Bär.

Redaktion: Sonja Süß

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de; Daniela Möllenkamp, Julia Maria Klös