DFB-Ordnung ermöglicht freie Wahl Vom Männerteam zu den Frauen: Transfrau spielt Fußball beim SV Erbenheim
Melina Werner spielt schon von klein an Fußball. Inzwischen kickt die Transfrau zusammen mit anderen Frauen im Wiesbadener Fußball-Club SV Erbenheim. Der Verein geht offen damit um, dass sie aufgrund ihres Körperbaus Vorteile hat.
Auf dem Fußballplatz ist Melina Werners Drang zum Toreschießen deutlich zu erkennen. Die große Frau mit dem Pferdeschwanz kommt im Mittelfeld an den Ball, dribbelt mühelos an zwei Gegenspielerinnen vorbei und schießt. Vier Tore erzielt die 24-Jährige an diesem Abend - ihr Team, SV Erbenheim, gewinnt 5:0 gegen die SG Heftrich/Niederseelbach.
Der Alltag abseits des Spielfelds gestaltet sich für Melina Werner nicht immer ganz so einfach wie bei diesem Punktspiel der Frauen-Kreisoberliga Wiesbaden. Werner ist als Junge geboren, identifiziert sich aber selbst als Frau. Vor drei Jahren entscheidet sie sich, das auch nach außen hin zu leben.
"Tatsächlich ist mein Leben jetzt ein bisschen komplizierter", sagt die 24-Jährige. Denn die Gesellschaft sei bei diesem Thema noch nicht so angekommen. Wenn Werner zum Beispiel einkaufen geht und sich etwas femininer anzieht, "sind Blicke teilweise dann doch schon sehr unangenehm".
Wechsel als Neuanfang
Wenn man sich als Transperson oute, seien damit Leidenswege verbunden, sagt Sportsoziologin Bettina Bredereck von der Goethe-Uni in Frankfurt. Die Gesellschaft sei immer noch sehr heteronormativ: "Viele gehen davon aus: Du bist ein Mann oder eine Frau."
Wenn man von diesen Normen abweiche, sei man verletzbar. Wichtig sei es, für Normalität zu sorgen. Man solle eine Transperson als jemanden sehen, die oder der einfach Spaß am Sport haben möchte - wie die anderen auch.
Transfrau Melina Werner sieht in ihrem Wechsel von der Männermannschaft beim 1. FC Nord Wiesbaden zu den Frauen des SV Erbenheim deshalb auch einen Neuanfang. "Ich habe gemerkt, dass Frauen bei dem Thema einfach ein bisschen offener sind", sagt die 24-Jährige.
DFB-Spielordnung ermöglicht Transpersonen freie Wahl
Trotzdem mussten sich die Verantwortlichen bei Erbenheim erstmal über die noch nie dagewesene Situation informieren. Schließlich hat Melina Werner vom Körperbau her Vorteile gegenüber anderen Frauen, wie sie selbst sagt. Ist es überhaupt erlaubt, dass sie gegen Frauen spielt?
Die Spielordnung des Deutschen Fußballbunds hat sich 2022 dahingehend geändert. Auf seiner Webseite informiert der Hessische Fußballverband, dass unter anderem Transspielerinnen in den Spielklassen der Regional- und Landesverbände selbst entscheiden können, ob ihnen die Spielberechtigung für ein Männer- oder Frauenteam erteilt werden soll.
Körperlicher Vorteil als Problem?
Diese Entscheidungsfreiheit gibt es nicht überall. In England dürfen Transfrauen ab dem 1. Juni nicht mehr gegen Frauen spielen - in allen Fußballligen. Das entschied der englische Verband FA nach einem Urteil des Supreme Courts, wie die Sportschau berichtete.
Melina Werner sagt, sie nehme sich aus Fairness-Gründen extra zurück. Dennoch gelingt es ihr, im einen Spiel vier Tore zu erzielen. Ist der körperliche Vorteil unfair?
Die Sport-Soziologin Bettina Bredereck bezweifelt, dass eine einzelne Person in der Lage sei, eine komplette Mannschaft über eine gesamte Saison zu tragen. Pauschal dürfe man die körperlichen Unterschiede zwar nicht ignorieren. Allerdings "wird sie das Tor nicht allein geschossen haben".
Verein geht auf Gegnerinnen zu
Der Verein geht nach eigenen Angaben offensiv damit um, eine Transfrau in der Frauenmannschaft zu haben. Erbenheims Trainerin Mira Krummenauer möchte Aufklärungsarbeit leisten, spricht mit den Gegnerinnen ihrer Mannschaft.
Die Bedenken wegen der Körperlichkeit könne sie nachvollziehen, sie seien aber nach Gesprächen aus dem Weg geräumt worden. "Bis jetzt gab es nur positive Resonanz", sagt sie.
24-Jährige will Hormontherapie anfangen
Ein positives Fazit der ersten Monate als Transfrau in einem Frauenteam zieht auch Melina Werner: "Alle nehmen mich gut auf, alle akzeptieren mich so, wie ich bin." Die 24-Jährige will bald eine Hormontherapie anfangen.
Werner wünscht sich, dass das Thema Transgender von der Gesellschaft unaufgeregter akzeptiert wird. "Auf dem Sportplatz bin ich froh, wie es gerade läuft", sagt sie.