Kunstvermittler Sobat-Sobat So anders können Führungen auf der documenta aussehen

Kunstvermittlung spielt auf der documenta in Kassel eine wichtige Rolle. Mehr als 100 Guides bieten geführte Touren durch die Ausstellung an. Wie wurden sie vorbereitet, wie im Umgang mit dem Antisemitismus-Skandal geschult? Eine sogenannte Sobat erzählt.

Franziska Achatzi Sobat documenta fifteen
Franziska Achatzi erklärt ihrer Gruppe einen Ausstellungsraum im Fridericianum. Bild © hr, Sina Philipps
  • Link kopiert!
Audiobeitrag
Bild © picture-alliance/dpa| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags

"Ich dachte, das wird ein entspannter Sommer und dann kamen die Schlagzeilen", sagt Franziska Achatzi gleich zu Beginn ihrer Tour auf der documenta fifteen. In den nächsten zwei Stunden wird die Kunstvermittlerin eine Gruppe von 14 Personen durch das Fridericianum in Kassel führen.

Achatzi ist eine von etwa 130 sogenannten Sobat-Sobat. So werden die Besucher-Guides auf der documenta bezeichnet. "Ob man wirklich eine Freundin ist, so wie ich privat Freundschaften habe, sei dahingestellt", sagt Achatzi. Sie verstehe sich eher als eine Art Gastgeberin, der man auf Augenhöhe begegnen könne. "Ich glaube, dass wir eher Ermöglicherinnen und Ermöglicher für einen Dialog sind."

Weitere Informationen

Was bedeutet Sobat-Sobat?

Der Begriff Sobat steht im Indonesischen für einen guten Freund. Der Plural lautet Sobat-Sobat, steht also für mehrere gute Freunde.

Ende der weiteren Informationen

Von Berlin nach Kassel - der documenta wegen

Die Sobat-Sobat kämen aus verschiedenen Disziplinen und hätten unterschiedliche soziale Hintergründe, erklärt Achatzi. Deshalb seien die Touren auch sehr unterschiedlich. "Ich erzähle viel, gebe viel Input", nennt Achatzi als Beispiel. "Dann gibt es andere, wo viel im Dialog erarbeitet wird. Das ist auch das Potenzial daran: dass jeder machen kann, was ihm liegt."

Franziska Achatzi Sobat documenta fifteen
In ihrem Volontariat hat Franziska Achatzi als kuratorische Assistenz gearbeitet und selbst eng mit Kunstvermittelnden zusammen gearbeitet. Bild © hr, Sina Philipps

Franziska Achatzi ist für die documenta extra von Berlin nach Kassel gezogen. Nach einem wissenschaftlichen Volontariat am Brücke-Museum in Berlin stand die 30 Jahre alte Kunstwissenschaftlerin zwischen zwei Jobs. Da habe sich die Arbeit als Sobat auf der documenta angeboten. Bereits im vergangenen Winter durchlief Achatzi eine Bewerbungsphase.

Sechs Wochen vor Eröffnung der documenta ging es für Achatzi und die anderen Sobat-Sobat los. Auf sie warteten Schulungen, Workshops und Gespräche mit den Künstlerinnen und Künstlern. Es sei "wie ein kleines Studium" gewesen, beschreibt Achatzi. Auch ein Mitglied des Kuratoren-Kollektivs Ruangrupa sei oft dabei gewesen und habe sich mit den Kunstvermittelnden unterhalten.

Zunächst keine Unterstützung im Antisemitismus-Skandal

Zudem hätten Mitglieder der Bildungsstätte Anne Frank in dieser Vorbereitungszeit zum Thema Antisemitismus mit den Sobat-Sobat gearbeitet: was genau das sei und wie man ihn sofort erkenne, sagt Achatzi. Doch als im Banner von Taring Padi antisemitische Bildsprache gefunden wurden, seien die Sobat-Sobat auf sich gestellt gewesen.

"Wir wurden lange nicht unterstützt. Es haben erst Wochen danach Gespräche mit der documenta, der künstlerischen Leitung, dem Artistic Team stattgefunden, in denen wir Fragen stellen konnten", berichtet sie. Zuvor habe sie sich viel mit anderen Sobat-Sobat ausgetauscht.

Einen Vorteil habe die fehlende Kommunikation seitens der documenta aber gehabt, findet Achatzi: "Wir haben keinen Leitfaden bekommen, was wir kommunizieren sollen. Was irgendwie auch gut ist, weil wir dadurch auch alles sagen konnten." Es habe weder Sprachregelungen noch Textbausteine gegeben.

"Bedeutet viel Bildungsarbeit"

Den Infostand der Bildungsstätte Anne Frank, der nach dem Skandal um das Werk "People's Justice" organisiert wurde, habe sie als hilfreich empfunden, weil sie Besucherinnen und Besucher bei einigen Fragen dorthin verweisen konnte. Es gebe neben Antisemitismus aber noch weitere Themen. "Es geht unter anderem auch um Rassismus, postkoloniale Kontinuitäten und Sexismus", so Achatzi. Das bedeute auch viel Bildungsarbeit.

Dennoch sei die documenta für sie persönlich eine Bereicherung. Vor allem der Kollektivgedanke präge die Weltkunstausstellung, Ruangrupa lebe ihn und sei authentisch. Es handle sich nicht nur um ein Konzept, sondern sei die Praxis. Das Kuratorenkollektiv habe ihren Blick auf Kunst verändert. "Ich hatte eine sehr westliche und eurozentristische Perspektive auf Kunst und Kunstgeschichte", stellt sie fest. "Da muss man offen sein und sich weiterentwickeln. Das ist ein Lernprozess."

Franziska Achatzi Sobat documenta fifteen
Bevor die Gruppe durch den Ausstellungsraum geht, gibt es eine kurze Einführung von Franziska Achatzi. Bild © hr, Sina Philipps

Sie hofft, dass die diesjährige documenta auch den Kulturbereich weiterentwickeln wird. Denn die Arbeitsbedingungen seien schwierig. "Ich wünsche mir, dass Kulturvermittlung aufgewertet wird", sagt Achatzi. Sie sei ein wichtiger Teil von Ausstellungen. Es brauche aber eine bessere Vergütung und mehr Anerkennung.

Sobat-Sobat wollen Appetit auf Kunst machen

Achatzi sieht ihre Arbeit als Sobat nicht nur darin, Besucherinnen und Besuchern einen Einstieg in die documenta und einen ersten Zugang zu den Kunstwerken zu verschaffen. Sie unterstütze auch täglich eine Gruppe Menschen darin, zu einer kleinen Gemeinschaft zu werden.

Am Ende einer jeden Tour spricht die Gruppe über ihre Eindrücke. "Ich habe Appetit gekriegt", sagt ein Teilnehmer. Er freue sich darauf, noch mal zur documenta zu kommen und sich auf die Installationen einzulassen. Andere Teilnehmende sind beeindruckt von der internationalen Vielfalt und den verschiedenen kulturellen Identitäten, die durch die Kunst vermittelt werden.

Über solche Aussagen freut sich Franziska Achatzi. Sie zeigten, dass das Konzept der documenta, miteinander Ideen auszutauschen, aufginge.

Quelle: hessenschau.de