Pimf

Der Rapper Pimf ist erstmals auf Deutschland-Tour - am kommenden Samstag gibt's ein Homecoming im Schlachthof Kassel. Im Interview erzählt er, warum er sich in den vergangenen Jahren immer stärker politisiert hat.

Einmal noch durchatmen vor der Deutschlandtour - das geht am besten zu Hause in Hofgeismar (Kassel). Pimf kommt mit dem ICE aus Hamburg. Treffpunkt: die Rampe von Gleis 2 am Bahnhof Wilhelmshöhe. Auf dem Weg zum Café gibt's erstmal eine Selbstgedrehte und - ein Foto. Rapper mit Koffer an Haltestelle - passend zum Homecoming in Kassel.

Pimf heißt mit bürgerlichem Namen Jonas. Der 30-Jährige möchte seinen Nachnamen nicht mehr im Netz lesen. Zu oft haben ihn in letzter Zeit Hassnachrichten erreicht. Denn Pimf rappt über politischen Themen wie den Mord an Halit Yozgat oder den (von ihm erhofften) Untergang der AfD - aber nicht nur. Wer sich mit seinem Gesamtwerk beschäftigen möchte, braucht Zeit. Vor allem, weil Pimf in den letzten drei Jahren unzählige Songs veröffentlicht hat. Einen typischen Pimf-Sound sucht man vergebens. Hip-Hop, UK Garage, egal: Der Mann passt in keine Schublade und tobt sich überall aus.

Und das mit Erfolg: Auf der Streaming-Plattform Spotify hat er mehr als 60.000 Hörer und Hörerinnen monatlich. Angefangen hat alles beim Videobattleturnier (VBT). Nach Jahren der Selbstzweifel hat der Wahl-Hamburger am 8. November seine erste Deutschland-Tour gestartet, am 25. November tritt er in Kassel auf, einen Tag später in Frankfurt. Ein bisschen aufgeregt ist er schon, wie er im Interview mit hessenschau.de zugibt.

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Pimf
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„Ich mach mich so gerade wie’s geht/Weil ich weiß, ich bin stark/weiß, ich bin blessed/Manchmal bin ich sogar von mir selber impressed” aber auch "Pack meine Zweifel und Sorgen ins Handgepäck und spring nachts mit meiner Angst ins Bett" oder "Sehr viel Zeit gebraucht, um meinen Stärken zu vertrauen/Ich glaub ich hab mich vielleicht bisschen unter Wert verkauft“ Aus: Granada Sunshine (2023) und Kosmos (2022)  Aus: Granada Sunshine (2023) und Kosmos (2022) 
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hessenschau.de: In deinen Songs "Granada Sunshine" und "Kosmos" rappst du von Selbstvertrauen - aber auch von den Zweifeln, die du hattest. Du gehst jetzt das erste Mal auf Deutschlandtour - wie fühlt sich das an?

Pimf: Gerade bin ich sehr selbstbewusst, was das Ganze angeht. Natürlich steigt die Aufregung, aber ich mache ja schon eine Weile Musik. Die Tour habe ich lange vor mir hergeschoben, weil ich sehr lange sehr viele Zweifel und Sorgen in meinem Handgepäck hatte. Ich hätte auch früher schon mal auf Tour gehen können, aber ich dachte: ‘Da kommt dann niemand’. Ich hatte zu viel Respekt davor.

Aktuell ist es bei mir so: Ich bin krass, das wird schon geil. Ich weiß, was ich auf der Bühne kann. Ich weiß, dass die Leute eine gute Zeit haben werden. Ich weiß jetzt mittlerweile auch, dass da ein paar Leute kommen werden. Dementsprechend empfinde ich pure Vorfreude, gemischt mit einem Haufen Arbeit. Aktuell habe ich wenig Sorge, dass da was schiefgeht. Ich habe in den letzten zwei Jahren sehr viele Festivals spielen können und so mein Selbstvertrauen aufgebaut.

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„Sie reden von Dönermorden und Clan-Kriegen/9 Menschen, die im Sarg liegen/Du kannst die Hälfte dieser Taten auf den Staat schieben/Diese Akten lassen sich nicht abschließen" und "Keiner sagt es wird leicht, aber die AfD muss untergehen/In meinen YouTube-Kommentaren wird es unbequem“ Aus: Halitstadt (2021) und Heatcheck (2021) Aus: Halitstadt (2021) und Heatcheck (2021)
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hessenschau.de: In "Halitstadt" thematisierst du den Mord an Halit Yozgat, in "Heatcheck" singst du über den Untergang der AfD - warum hast du das Bedürfnis, solche Themen in deinen Songs zu verarbeiten?

Pimf: Guck dich um, guck dir die aktuellen Wahlergebnisse an. Es ist ganz erschreckend. Und es gibt viel zu wenige Künstler*innen, die ihren Mund aufmachen. Anhand der aktuellen Wahlergebnisse sieht man, dass es dringend nötig ist, damit sich die schlimme Geschichte, die wir haben, nicht noch einmal wiederholt.  

Ich bin sehr privilegiert aufgewachsen: in einem sehr weißen, mittelständischen, deutschen Haushalt und Umfeld. Wo es sehr leicht ist, unpolitisch zu sein: es tangiert mich alles erst mal nicht so. Mich betrifft es nicht. Ich bin ein Hetero-Cis-Mann. Ich bin von sämtlichen Dingen, die gegen marginalisierte Gruppen gehen, nicht betroffen. Ich habe lange gebraucht, bis ich gecheckt habe, was das eigentlich mit anderen Menschen macht. Und wie schwierig diese politischen Verhältnisse eigentlich sind. 

Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, wo sich politisch gesehen eine Waage gehalten hat - so von 2000 bis 2012. Wir haben alle ein bisschen weggeguckt: Es war sehr weit weg vom Zweiten Weltkrieg, die AfD gab es noch nicht und die NPD war noch eine Randerscheinung. Alle haben die Augen zugemacht und uns ging es gut so.

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Der Mord an Halit Yozgat 2006 hat damals sehr viel in mir ausgelöst. Ich habe gedacht: Okay, krass, das gibt es vor meiner Haustür. Ich wusste das nicht. Was ist hier los?  

Ich habe mich über die Jahre politisiert und gemerkt, dass es wichtig ist, den Mund aufzumachen. Und deswegen werden diese Themen immer ein sehr wesentlicher Bestandteil meiner Musik sein - ohne dass ich jetzt sage: Musik muss nur politisch sein. Es ist mir sehr wichtig, mich zu positionieren - egal in welchem Umfeld. Ob bei den Leuten, die meine Musik hören, oder im privaten Umkreis. Es sind überall Leute dabei, denen man das nicht oft genug sagen kann. 

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„Lass dich fallen/auch wenn ich fall/steh wieder auf/Auch wenn ich Angst hab/Sag mir wie soll’n echte Männer sein“ Aus: Boys Cry (2023) Aus: Boys Cry (2023)
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hessenschau.de: Im Video von “Boys Cry” machst du den Putzmann in der U-Bahn-Station - singst von Schwäche und Tränen. Warum willst du in diesem Song ein anderes Männerbild vermitteln?

Pimf: Ich habe mich bisher in meiner Musik selten mit feministischen Themen oder mit weichem Männerbildern auseinandergesetzt. Das ist ein Umschwung, der bei mir stattfindet. Man wächst hier durch das Provinzielle sehr toxisch, sehr maskulin auf. Wir trinken unser Bierchen, sind die starken Jungs - und es ist irgendwie nicht so richtig Platz zum Weinen und zum Schwachsein.

Ich glaube, dass in jedem von uns was Schwaches steckt. Sehr viele von uns unterdrücken das. Das habe ich auch sehr lange probiert. Mittlerweile lasse ich das viel lieber zu, weil ich merke: das hilft einfach und tut mir langfristig besser. Das ist vielleicht im ersten Moment ein bisschen weird oder ein Schmerz, durch den man gehen muss.

Für mich ist es zu einem wesentlichen Punkt geworden, mich mit meiner eigenen Maskulinität auseinanderzusetzen. Wie maskulin muss ich überhaupt sein? Kann ich jetzt nicht einfach eine Perlenkette tragen? Und wenn die Jungs an der Ecke einen blöden Spruch machen, dann kann mir das egal sein? Kann ich nicht jetzt einfach weinen und sagen: Hey, mir geht es schlecht. Ich habe Angst, ich bin schwach und das muss in Ordnung sein. Das wollte ich mit dem Song sagen.

Mir ist wichtig, dass feministische und queere Themen stattfinden. Auch da möchte ich mich gerne relativ deutlich positionieren, so wie ich das für richtig halte.

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„Ich ließ mir niemals irgendwas verbieten/Ich fühl mich frei und verdammt nochmal hier im Kaff zufrieden/Denn ihr habt immer gezeigt, ihr lasst mich hier raus/Ja natürlich hab ich Spaß, Mom, und ich pass auf mich auf" und "Ich bleibe in der Hood, represente meine Stadt/Junge, das is' H-Town, die City mit dem H (H-H-H-H)“ Aus: Sorgenfalte (2017) und Golden State Hofgeismar (2017) Aus: Sorgenfalte (2017) und Golden State Hofgeismar (2017)
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hessenschau.de: Du reimst über deine Eltern und die Verbundenheit zu Hofgeismar. Wie sehr hängst du an Nordhessen?

Pimf: Ich bin sehr lange hiergeblieben. Auch, als andere gesagt haben: Geh mal nach Berlin! Ich habe immer gedacht: Nein, ich habe hier meine Leute. Ich habe hier meine Familie. Ich bin hier verwurzelt. Und ja, ich bin sehr lange geblieben, was auch zeigt, wie sehr ich daran hänge.  

Irgendwann tat sich für mich die Alternative Hamburg auf. Dort hat sich über die Jahre für mich ein Space gebildet - mit vielen Freunden und Spots, so dass ich mich dann dort als Local gefühlt habe. Aber Hofgeismar ist auf jeden Fall ein Riesending für mich, was mich immer begleiten wird, was mich geprägt hat und was mir auch sehr wichtig ist.

Man kennt diese ganzen großen Künstler*innen, die in Berlin, Köln, Hamburg oder München sind. In der Provinz sind sie sehr selten. Klar, man kennt Milky Chance oder Lea, die auch hier aus Nordhessen stammen - und dann kommt lange nichts.

Gerade in der Rap- und Hip-Hop-Bubble ist hier noch sehr viel Brachland, obwohl das mittlerweile eine große Popkultur ist. Vor allem deswegen will ich hier die Fahne hochhalten.

Pimf

hessenschau.de: Wer wird am 25. November zum Konzert in Kassel kommen - und wer im Publikum ist dein größter Fan? 

Pimf: Meine Eltern werden da sein - und mein ehemaliger Handballverein. Die haben sogar ihr Spiel zwei Stunden vorverlegt. Es kommen sehr viele bekannte Gesichter - sowohl aus Hofgeismar, wo ich aufgewachsen bin, als auch aus Kassel. Und das ist natürlich immer etwas ganz Besonderes.

Früher konnte ich nicht in Gesichter gucken. Wenn ich auf der Bühne stand, hat mich das abgelenkt. Und mittlerweile freue ich mich, wenn ich Gesichter sehe.

Meine größten Fans sind meine Eltern. Sie unterstützen mich sehr - auch wenn es nicht immer einfach für sie war. Ich habe mit 18, 19, 20 gesagt: Ich gehe übrigens nicht studieren und mache keine Ausbildung, sondern ich rappe jetzt. Ihre Rückendeckung hat mir sehr viel Kraft gegeben.

Meine Mutter hat zuhause sogar einen - ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll - Altar, wo sie alles sammelt: Meine CD’s, Zeitungsartikel oder einen Backstage-Pass. Dazu ist sie immer so ein bisschen im Boomer-Modus und ballert Fotos in ihre WhatsApp-Story.

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Warum Pimf?

Der Künstlername "Pimf" hat seinen Ursprung im Jugendzentrum Hofgeismar. Hier hat Jonas* angefangen, Musik zu machen. Er hat erste Texte geschrieben und Kontakte zu anderen Rappern geknüpft. Dort war er immer der Jüngste - und somit der "Pimpf". Auf das zweite "P" hat Jonas irgendwann verzichtet - und so wurde aus einem "Pimpf" der "Pimf".

* Sein Nachname ist der Redaktion bekannt.

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