Portrait eines Mannes, der ernst in die Kamer schaut.

Ein Mann, eine Stadt, ein Museum: In Wiesbaden eröffnet demnächst das Museum Reinhard Ernst. Gebaut hat Ernst es mit seinem Geld, bestückt wird es mit seiner Privatsammlung abstrakter Kunst. Wer ist der Spender und was treibt ihn an? Ein Interview.

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Reinhard Ernst: "Die Stiftung wird unser Erbe sein und nach unserem Tod dafür sorgen, dass alles weiter geht."

Zwei Männer stehen vor einem gemalten Bild zeitgenössischer Kunst (mit dem Rücken zum Bild, mit der Vorderseite zur Kamera) und unterhalten sich.
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Es ist ein selten großzügiges Geschenk: Mehr als 80 Millionen Euro hat das neue Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden gekostet, der Bau und der Betrieb sind komplett privat finanziert von der Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung. Die Sammlung, die es beherbergt, die Privatsammlung von Ernst, soll mehr als doppelt so viel wert sein. Sie zeigt abstrakte Kunst nach 1945 bis heute – aus Deutschland, Japan und den USA. Untergebracht ist sie in einem spektakulären Museumsneubau des japanischen Architekten und Prizker-Preisträgers Fumihiko Maki.

Längst wird der weiße, elegante Kubus von den Wiesbadenern liebevoll "Zuckerwürfel"" genannt. Doch es gibt auch kritische Stimmen, die bemängeln, dass es bei einem solchen Unterfangen vor allem um die Wertsteigerung der eigenen Kunst gehe, die diese durch das Ausstellen im Museum erfährt. Was hinter der Idee des Museums steht und warum er eine solch umfangreiche Kunstsammlung besitzt, erzählt der Spender und Namensgeber Reinhard Ernst im hessenschau.de-Interview.

hessenschau.de: Geht es Ihnen vor allem darum, Ihre Kunst noch wertvoller zu machen?

Reinhard Ernst: Das wird sicher so sein, dass der Wert steigen wird, aber das spielt für mich keine Rolle.

hessenschau.de: Was spielt dann eine Rolle? Warum wollen Sie Ihre Kunstwerke unbedingt im Museum zeigen?  

Reinhard Ernst: Da müssen wir eigentlich mit der Frage anfangen: Warum wird man Sammler? Man beginnt ja damit, Dekoration für sein eigenes Haus zu suchen. Und wenn man dann irgendwann feststellt, es ist mehr da, als man hängen kann, dann weiß man, dass einen die Leidenschaft, Kunst zu sammeln, ergriffen hat.

Ich habe immer im Hinterkopf gehabt, dass man diese Bilder logischerweise auch Freunden zeigen muss, dass man es anderen Menschen zeigen muss. Ich habe mir von Anfang an vorgenommen, die Bilder zu sammeln, die jeden in der Öffentlichkeit auch interessieren könnten. Das heißt, ich habe gesammelt, für mich und die Öffentlichkeit.

hessenschau.de: Warum haben Sie Ihre Sammlung nicht an ein bestehendes Museum übergeben?

Reinhard Ernst: Es ist einfach so, dass fast 1.000 museumsreife Werke doch sehr viel Platz einnehmen. Insbesondere dann, wenn man große Werke sammelt. Wenn Sie sich vorstellen, dass wir weit über 30, 40 Werke haben, die mehr als vier Meter Breite, mehr als drei Meter Höhe haben, dann braucht man viel, viel Fläche, zum Hängen und im Depot.

Und wenn ich meine Sammlung einem Museum zur Verfügung stelle, dann hätte ich natürlich auch ganz gerne, dass einzelne Stücke jedes Jahr gezeigt werden. Und das konnte kein Museum zusagen und demzufolge ist diese Möglichkeit einfach ausgeschieden und der Gedanke gereift, ein eigenes Museum zu bauen.

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Unternehmer Reinhard Ernst

Der gelernte Speditionskaufmann Reinhard Ernst hat in Limburg zwei Maschinenbaubetriebe für Präzisionsantriebe aufgebaut. 2016 verkaufte Ernst die Firmen für über 160 Millionen Euro. 2004 gründete er gemeinsam mit seiner Frau die gemeinnützige Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung. Seit 2000 lebt das Ehepaar in Wiesbaden.

Nach einem positiven Bürgerentscheid bot die Stadt Wiesbaden Reinhard Ernst 99 Jahre Erbpacht des Grundstücks gegen einen symbolischen Betrag an. Die Baukosten des Museums von rund 80 Millionen Euro sowie den weiteren Betrieb trägt komplett die Stiftung, die sich aus dem privaten Vermögen von Reinhard und Sonja Ernst finanziert. Die Sammlung umfasst insgesamt etwa 2.000 Werke und hat nach Angaben des Besitzers einen Wert von über 100 Millionen Euro.

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hessenschau.de: Warum haben Sie Wiesbaden als Standort für das Museum gewählt?

Reinhard Ernst: Zum einen, weil meine Frau und ich seit über zwanzig Jahren in Wiesbaden wohnen, uns als Wiesbadener fühlen. Da haben wir uns natürlich erstmal hier umgeschaut. Und zum anderen ist dann dieses Grundstück frei geworden und wir konnten es über die Stadt per Erbbaurecht erwerben. Das ist eine tolle Sache. Vor allen Dingen, wenn man weiß, dass dieses Grundstück in der Wilhelmstraße 1 das Grundstück schlechthin hier in Wiesbaden ist. 

hessenschau.de: 2017 gab es einen Bürgerentscheid, den Sie angeregt haben, um zu sehen, ob die Wiesbadener dieses Museum überhaupt wollen. Warum war Ihnen das so wichtig?

Reinhard Ernst: Wenn man was für die Gemeinschaft baut, dann soll es so sein, dass das auch von ihr akzeptiert wird. Und der Bürgerentscheid hat klar gezeigt, dass es viele Wiesbadener gibt, die dem zugestimmt haben. Es gab aber auch viele kritische Stimmen. Für viele war schwer vorstellbar, dass es mal ein schönes Museum wird.

Hier entsteht das neue "Museum Reinhard Ernst" in Wiesbaden.

hessenschau.de: Das Geld für den Bau und Betrieb des Museums stammt aus dem Verkauf Ihrer zwei Maschinenbau-Firmen. 2016 sollen Sie über 160 Millionen Euro dafür bekommen haben. War Ihnen da von Anfang an klar: die Hälfte davon geht in ein Museum?

Reinhard Ernst: Ja. Ich habe zwei Firmen aufgebaut, habe viel Glück gehabt dadurch, dass ich Top-Mitarbeiter hatte. Das hängt damit zusammen, dass ich mit Menschen umgehen kann und auch die Leute dafür interessieren konnte, was sie bei mir tun. Aber letztlich habe ich es den Leuten es zu verdanken, was ich erreicht habe.

Und für meine Frau und mich war auch klar, dass wir das irgendwann wieder mal zurückgeben. Und das, was wir jetzt tun, ist zurückgeben. Früher hingen die Bilder in den Räumen und Fluren meiner Firma und im Depot in Limburg. Jetzt können alle sie sehen.

hessenschau.de: Wie und mit welchen Künstlern fing das Sammeln an?

Reinhard Ernst: Ich bin erst mit 40 Jahren zur Kunst gekommen, zu einem Zeitpunkt, als ich oft geschäftlich im Ausland unterwegs war und es auch mal regnerische Wochenenden gab. Und was macht man dann? Man geht mal ins Museum, dort wurde mein Interesse geweckt.

Ich habe dann erst Anfang der 1980er-Jahre meine ersten beiden Bilder gekauft, von Karl Otto Götz und Hubert Berke. Der Karl Otto Götz hatte 240 Mark gekostet und der Hubert Berke 120 Mark, also genau die Hälfte. Wobei der Hubert auch ein bisschen kleiner war. 

hessenschau.de: Sie sammeln abstrakte Kunst aus Deutschland, den USA und Japan. Warum diese Auswahl?

Reinhard Ernst: Ich war oft geschäftlich in Japan und in Amerika und habe dann später in diesen Ländern auch die abstrakte Kunst nach 1945 gesammelt. Man kann sicher heute sagen, dass unsere Sammlung speziell die Kunst der japanischen Abstraktion nach 1945 ziemlich umfangreich darstellt. Und in Amerika genauso. Es gibt keinen großen Künstler, der in unserer Sammlung nicht vertreten ist.

Im Abstrakten ist es eben so, dass man mir keine Vorschriften macht. Und Frank Stella, der vor ein paar Tagen leider verstorben ist, hat schon gesagt: "Du siehst, was du siehst." Das heißt, jeder kann das sehen, was er sehen möchte. Das ist wunderbar, und das gibt es nur in der abstrakten Kunst.

hessenschau.de: Mögen Sie eher große oder kleine Formate? Und wer ist ihr Lieblingskünstler oder Lieblingskünstlerin?

Reinhard Ernst: Ganz klar groß, amerikanische Formate. Ich liebe Helen Frankenthaler. Ihre Farbfeldmalerei ist einfach wahnsinnig. Sie hat Farben, die es nur bei ihr gibt. Und ich kann mich sehr gut erinnern: Ihr erstes Bild habe ich zuerst gar nicht von vorne gesehen. Ich sah die Rückseite und dachte: Was ist denn das? Das sieht aber cool aus! Die Farbe ist durch die Leinwand durchgedrungen. Sie trägt keine Grundierung auf. Und vor allen Dingen hat sie große Formate gemacht, über sechs Meter lang, drei Meter hoch.

hessenschau.de: Kunst ist heute für viele Sammelnde eine Geldanlage, die Wertsteigerung mit sich bringt. Gilt das auch für Sie?

Reinhard Ernst: Der Wert meiner Sammlung hat sich vervielfacht, ja. Aber ich habe mir nie ein Bild gekauft, weil ich dachte, es würde mehr wert. Ich habe Bilder ausschließlich nach Gefallen gekauft. Und nach dem Geldbeutel, klar.

Dass man heute die Kunstwerke auch als Geldanlage sieht, das hat sich mittlerweile so ergeben. Das ist für uns Sammler und für Museen aber nicht besonders gut. Wenn ich sehe, wo Bilder dann hingehen, nämlich in den Keller und dort irgendwo stehen, bis man sie weiterverkauft, das ist nicht das, was sich der Künstler gewünscht hat - und auch die Öffentlichkeit nicht.

hessenschau.de: Man kann lesen, ihre Sammlung sei 50 bis 70 Millionen Euro wert. Ist das so?

Reinhard Ernst: Sie ist sicher mehr als das Doppelte wert. Also zumindest ist der Versicherungswert weitaus höher.

hessenschau.de: Den Museumsbau hat der japanische Architekt Fumihiko Maki entworfen? Was verbindet Sie beide?

Reinhard Ernst: Wir kennen uns über 30 Jahre. Er ist ein Freund von mir, und ich habe gesehen, was er weltweit gebaut hat. Für mich kam immer nur er in Frage, weil er genauso fühlt und denkt wie ich. Wir haben eine Art von Symbiose. Es gab für mich nie einen Gedanken daran, irgendeinen anderen dieses Museum bauen zu lassen.

hessenschau.de: Haben Sie Fumihiko Maki mitgegeben, was Ihnen gefällt, wie Sie sich ihr Museum vorstellen?

Reinhard Ernst: Ich war mehrmals in Japan, bevor der erste Strich für den Entwurf überhaupt gemacht wurde. Und natürlich haben wir am Anfang darüber gesprochen, dass ich auch gerne einen Innenhof habe, den ich auch aus Japan gewohnt war. Dass ich gerne Treppen habe, die die gleiche gewundene Form haben wie seine Treppe im Aga Khan Museum in Toronto. Und er hat dann versucht, das unterzubekommen in seine Vorstellungen. Und in den meisten Fällen ist es gelungen. In dem einen oder anderen Fall hat er mich dann überzeugt, dass es besser ist, etwas anders zu machen.

hessenschau.de: Bis 12 Uhr soll das Museum werktags allein für Kinder und Jugendliche, für Schulklassen und andere Bildungseinrichtungen kostenlos geöffnet sein. Warum machen Sie das?

Reinhard Ernst: Das hat zwei Gründe. Zum einen würden meine Frau und ich uns wünschen, dass wir schon Kinder an die Kunst heranführen, insbesondere an abstrakte Kunst, weil wir gemerkt haben, dass gerade sie den Kindern extrem viel Spaß macht.

Und das zweite ist, dass ich als Unternehmer weiß, wie wichtig es ist, kreative Mitarbeiter zu haben. Ich möchte, dass man die Kreativität von Kindern weckt, und sie die dann letzten Endes später nutzen. Deutschland ohne Kreativität ist tot.

hessenschau.de: Man hört heraus, dass Kinder Ihnen wichtig sind. Haben Sie selbst Kinder? 

Reinhard Ernst: Ich bin großer Kinderfan, den Kindern gehört nun mal die Zukunft. Insofern ist es für mich wichtig, dass wir für Kinder etwas tun. Das begann schon mit dem Bau einer Musikschule in Eppstein. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass wir selbst keine Kinder haben.

Alles hat seine Vor- und Nachteile. Ich glaube, wenn wir Kinder gehabt hätten, dann hätte ich mir die Zeit nie nehmen können, die ich mir genommen habe für das, was ich in meinem Leben getan habe. Also insofern hat die negative Seite auch eine Positive.  

hessenschau.de: Hätten Sie anstelle der Kunst lieber Kinder gehabt? 

Reinhard Ernst: Ja, lieber Kinder als keine Kinder. Das ist so. Aber es hat nicht sollen sein, und wir haben das Beste daraus gemacht.

hessenschau.de: Am 23. Juni wird Ihr Museum eröffnet. Sind Sie aufgeregt?

Reinhard Ernst: Na gut, man kann es noch nicht so ganz richtig erfassen, weil ja noch jeder Tag mit Arbeit gefüllt ist. Jeden Tag gibt es neue Herausforderungen. Und das geht bis zum letzten Tag, bis der Pinsel zur Seite gelegt ist. Ich glaube, wir können uns erst richtig freuen, wenn die ersten Menschenmassen strömen und das passiert, was man sich wünscht: viele Besucher. Und ja, darauf warten wir.

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