Suche nach NS-Raubkunst im Museum Schloss Fasanerie in Eichenzell

Seit rund einem Jahr sucht ein Experte in den Sammlungen von Schloss Fasanerie nach Nazi-Raubkunst. Nun wurde das Forschungsprojekt verlängert. Denn die Zahl der fraglichen Objekte fällt höher aus als anfangs gedacht.

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Nachforschungen zu NS-Raubkunst in Museum von Schloss Fasanerie

Drei Männer stehen an einem Tisch in einer Bibliothek. Auf dem Tisch stehen kleine Kunstwerke.
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Im Oktober 2022 hat das Schloss Fasanerie in Eichenzell (Fulda) begonnen, seine Sammlungen auf Raubkunst zu untersuchen. Im Fokus: Stücke, die ihren jüdischen Besitzerinnen und Besitzern während der NS-Zeit entzogen wurden.

Jetzt hat die Kulturstiftung des Hauses Hessen das Forschungsprojekt um ein weiteres Jahr verlängert - weil immer mehr Kunstgegenstände analysiert werden sollen, wie Museumsdirektor Markus Miller erklärt. Ursprünglich sollte nur bis Ende September geforscht werden.

Mehr als 200 Objekte werden untersucht

Das Projekt soll der Frage nachgehen, ob seit der Zeit des deutschen Nationalsozialismus Kunstwerke ins Museum gelangten, die unrechtmäßig erworben worden waren - etwa weil Jüdinnen und Juden unter politischem Zwang Objekte weit unter Wert verkaufen mussten oder weil ihnen Kunstwerke abgepresst oder gestohlen wurden.

Für die Suche nach NS-Raubkunst wurden zunächst etwa 160 Kunstgegenstände - zum Beispiel Gemälde und Skulpturen - aus den Sammlungen des Museums festgelegt. Mehr als 70 weitere Objekte sollen noch hinzukommen, sagt Miller auf hr-Anfrage. Nach seinen Angaben wurden bisher 135 Werke untersucht. Im Rahmen der Forschungen hätten sich weitere Verdachtsmomente ergeben.

Höhere Fallzahlen denkbar

Miller zufolge befinden sich aktuell 18 Objekte im Bestand, die "als mutmaßlich NS-verfolgsungsbedigt entzogenes Kulturgut" einzustufen sind. Im April dieses Jahres, ein halbes Jahr nach Forschungsbeginn, hatte der mit der Forschung betraute Kunsthistoriker Sven Pabstmann noch von einem Dutzend verdächtiger Kunstgegenstände gesprochen.

Und das Ausmaß der NS-Raubkunst im Museumsbestand ist womöglich noch größer. Laut Miller werden gegenwärtig die Provenienzen anderer Objekte erforscht. Es müsse geklärt werden, inwieweit es weitere Stücke aus möglicherweise jüdischem Vorbesitz gebe - und "ob es Verdachtsmomente gibt, die auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug hinweisen könnten", so der Museumsdirektor.

Werke von jüdischen Vorbesitzern entdeckt

Das bedeutet viel Arbeit für Kunsthistoriker Pabstmann. Er unterzieht Gemälde zum Beispiel einer sogenannten Rückseitenautopsie. Dabei sucht er nach Stempeln, Etiketten oder Beschriftungen, die Rückschlüsse auf die Herkunft geben. Auch Akten aus Archiven und Auktions-Kataloge werden ausgewertet. "Das ist sehr mühsam und kleinteilig", erklärt er.

Die Nachforschungen haben bereits erste konkrete Ergebnisse geliefert. So befinden sich in Eichenzell ostasiatische Kunstobjekte aus dem einstigen Besitz des wohlhabenden jüdischen Unternehmers Ottmar Strauss (1878-1941). Er besaß eine wertvolle Sammlung von Antiquitäten und Kunstgegenständen.

Strauss emigrierte 1936 aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten aus Deutschland. Um die dafür erforderliche Reichsfluchtsteuer und andere Abgaben zu begleichen, habe er sich zum Verkauf seiner Kunstsammlung gezwungen gesehen, weiß Miller.

Kaufpreise und Umstände unklar

Bei weiteren identifizierten Kunstwerken in Schloss Fasanerie handelt es sich um Objekte aus dem Besitz der Brüder Rudolf (1881-1962) und Albert von Goldschmidt-Rothschild (1879–1941). Sie gehörten der im Dritten Reich verfolgten jüdischen Frankfurter Bankiersfamilie Goldschmidt-Rothschild an und waren Miller zufolge bedeutende Kunstsammler ihrer Zeit.

Die Kunstwerke seien zwischen 1934 und 1942 auf Auktionen in Frankfurt erworben worden, erklärt Museumsdirektor Miller - und zwar von Philipp Prinz von Hessen (1896-1980), dem Großvater des heutigen Vorstands und Kulturstifters Heinrich Donatus Prinz und Landgraf von Hessen. Unter welchen Umständen und zu welchem Preis Philipp Prinz von Hessen sie erhalten haben, sei unklar.

Gespräche mit Erbberechtigten

Man stelle sich mit dem Forschungsprojekt der historischen Verantwortung und bemühe sich um Aufarbeitung, hatte Heinrich Donatus von Hessen zu Beginn des Forschungsprojekts gesagt.

Die Kulturstiftung sei bestrebt, die unrechtmäßig erworbenen Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben - oder im Einvernehmen "gerechte und faire Lösung" zu finden.

Dazu gebe es bereits Gespräche mit den juristischen Vertretern der Erbberechtigten. Beim Willen um eine Einigung handele es sich um eine freiwillige Initiative: Justiziabel sei keines der Objekte mehr.

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Wer bezahlt was?

Das Forschungsprojekt in Eichenzell kostet laut Museumsdirektor Markus Miller 110.000 Euro. 35.000 Euro davon kommen demnach von der Kulturstiftung des Hauses Hessen, 75.000 Euro trägt das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste. Das Zentrum ist seit 2015 zentraler Ansprechpartner zu unrechtmäßig entzogenem Kulturgut in Deutschland und fördert derzeit 18 Forschungsprojekte, die sich mit NS-Raubgut befassen. Dafür werden nach eigenen Angaben insgesamt 1,9 Millionen Euro ausgegeben. Seit 2008 haben Bund und Länder die Provenienzforschung zu NS-Raubgut demnach mit 50,8 Millionen Euro unterstützt. Damit seien bisher 445 Projekte realisiert worden.

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