Die Lach- und Schießgesellschaft in München war das Aushängeschild einer ganzen Kunstform - nun ist dort der letzte Vorhang gefallen. Doch ist das Kabarett an sich tot? Nicht ganz: Hessische Kabarettisten und Theatermacher fühlen durchaus noch einen Puls.

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Kabarett: Totgesagte leben länger

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Kabarett? Das ist doch so etwas wie Comedy nur in schwierig für alte Leute? Dieses gängige Klischee wird gerne bedient und tatsächlich scheint es nicht allzu gut um diese Kunstform bestellt zu sein. Zumindest wenn man den Blick nach München wendet und dann sieht, dass die bekannteste Kabarett-Bühne der Republik, die Müncher Lach- und Schießgesellschaft, dicht macht. Heißt das nun, dass das Kabarett als Kunstform ausgedient hat?

"Totgesagte leben länger"

Einen alten Hasen wie den Kabarettisten Severin Groebner schreckt das offenbar nicht. "Das Kabarett wird seit 100 Jahren, oder zumindest spätestens seit 1945, oder seit 1967 oder 1989 - also andauernd - totgesagt. Aber Totgesagte leben einfach länger."

Der 53-Jährige lebt in Frankfurt, ist aber jahrelang bei der Lach- und Schießgesellschaft in München aufgetreten und war auch Ensemblemitglied. Er sieht im Niedergang dieser Kulturinstitution eher ein organisatorisches Problem und ein Thema von einzelnen Persönlichkeiten.

"Das ist jemand mit einem angeblich großartigen, neuen Konzept krachend gescheitert", sagt Groebner. "20 Jahre lang ist der Laden ja gut gelaufen." Dass der Untergang der Lach- und Schießgesellschaft nun ein Fanal für den Untergang des deutschsprachigen Kabaretts sei, glaube er deswegen nicht.

"Kleine Koalition" muss sich nun beweisen

An vielen Bühnen in Hessen wie etwa dem Internationalen Theater in Frankfurt oder dem Theater Alte Mühle in Bad Vilbel (Wetterau) ist Kabarett nach wie vor gut nachgefragt. "Wir haben ausverkaufte Kabarettveranstaltungen. Gerade nach Corona ist das jetzt auf einem erfreulichen Weg", sagt Gesine Becker, Programmverantwortliche in Bad Vilbel.

Dass das Kabarett eine Zukunft hat, davon ist auch Aydin Isik überzeugt. Er veranstaltet in Frankfurt die "Kleine Koalition", einen Kabarett-Mixed-Abend, der nach Anlaufschwierigkeiten in der Corona-Zeit nun endlich durchstarten soll. "Solange wir auf der politischen Ebene und gesellschaftlich etwas zu kritisieren haben, solange wird es immer auch das Kabarett geben."

Kämen allerdings am Ende doch zu wenige Zuschauer, werde das Format wohl eingestampft – das müssten die kommenden Wochen nun zeigen.

Nur graue Häupter im Publikum?

Ein Problem allerdings für alle Künstler und Bühnen, die sich Kabarett auf die Fahnen schreiben, ist die fortschreitende Überalterung des Publikums. Junge Menschen springen eher auf Programme an, die sich Comedy oder Poetry Slam nennen. Wobei die Grenzen fließend sind.

"Es gibt Comedy und jetzt gibt es plötzlich auch politische Comedy. Das ist sehr lustig, denn das ist – psst, nicht weitersagen – nichts anderes als Kabarett", sagt Groebner. Letztendlich müsse es lustig und gescheit sein, und dann funktioniere es auch - für alle Altersklassen.

Comedy, oder Kabarett? Hauptsache gut!

"Kabarett hat tatsächlich den Ruf, eine Parade von Menschen mit weißen Haaren zu sein", sagt der in Frankfurt lebende Stand-Up-Comedian, Autor und Freestyle-Rapper Jakob Schwerdtfeger und widerlegt diese These mit seinen 34 Jahren allerdings selbst. "Bei jungen Menschen sage ich immer, ich mache Stand Up, bei Alten sage ich, ich mache Kabarett – aber ich mache immer genau das gleiche."

Die Trennung der Genres sei für ihn einfach "oldschool", nicht zeitgemäß. Und gerade in Zeiten fortschreitender Automatisierung und jetzt auch noch Chat GPT und künstlicher Intelligenz würden auch viele jungen Menschen den realen Moment schätzen. "Es wird schon deswegen nicht aussterben, weil alle Bock auf diesen Live-Moment haben. Es wird aber einen Generationenwechsel geben."

Stammpublikum halten, neues Publikum gewinnen

Um möglichst viele auch junge Menschen auf sein Programm aufmerksam zu machen, bespielt Severin Groebner verschiedene Social Media-Kanäle, wie Youtube, Facebook und Instagram.

"Das ist zwar anstrengend und zahlt mir keiner, aber diese Ausspielwege sind ja auch eine künstlerische Ausdrucksform", sagt er. "Das kann auch kreativ sein und Spaß machen." Und Publikum ziehen, etwa für seine drei hessischen Shows ab Mitte März in Offenbach, Frankfurt und Lorsch (Bergstraße).

Gesine Becker von der Alten Mühle in Bad Vilbel hingegen schwört auf die Werbewirkung von Plakat und Programmheft. "Das klingt völlig altmodisch, aber für uns funktioniert das besser, Social Media ist eben ein sehr flüchtiges Medium."

Ganz davon abgesehen, was man tue, um die Menschen ins Kabarett zu locken, müsse man sie eben auch bei der Stange halten. Selbst auf einem Stammpublikum könne man sich nicht ausruhen. Neue Menschen ins Theater zu locken, sei eine Zukunftsaufgabe. "Und die ist gar nicht so einfach."

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